Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die zu einer bewussten Überwälzung des Finanzierungsrisikos des Arbeitgebers auf den Insolvenzentgeltfonds führen, begründen nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Allgemeinen Rechtsmissbrauch. In diesem Sinn ist in der Judikatur etwa anerkannt, dass eine atypische Vertragsgestaltung die Geltendmachung von Insolvenzentgelt sittenwidrig machen kann, wenn dadurch eine Ausbeutungssituation zu Lasten des Insolvenzentgeltfonds geschaffen wird und der Arbeitnehmer in einer einem Fremdvergleich nicht standhaltenden Weise entweder die Konstruktion bewusst zu seinem Vorteil beeinflusst oder aber die Ausbeutungssituation bewusst in Kauf genommen hat, ohne geeignete und zumutbare Gegenmaßnahmen zu ergreifen (8 ObS 14/11h; 8 ObS 6/12h). Dies gilt auch für andere Fälle atypischer Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitnehmer nach dem Rechtsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen zur Vermeidung einer Schädigung des Fonds gehalten ist, zumutbare Gegenmaßnahmen zu ergreifen, und ein Verstoß zu einer bewussten Ausbeutung des Fonds führt (8 ObS 2/11v).
Im Anlassfall ist die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin ab 2006 vor allem deshalb als atypisch zu qualifizieren, weil sie begonnen hatte, außergewöhnlich hohe Geldbeträge der späteren Schuldnerin zur Verfügung zu stellen. Ihre Beteiligung an der Gesellschaft fällt hier nicht mehr nennenswert ins Gewicht.
Aufgrund ihrer Funktion als Prokuristin hatte die Klägerin einen gewissen Einblick in die finanzielle Situation der Gesellschaft. Die Finanzierungsprobleme bestanden schon über die Jahre, ab 2006 vermehrten sich die finanziellen Engpässe. Die angeschlagene finanzielle Situation der Gesellschaft war der Klägerin schon im Jahr 2006 bekannt. Im Herbst 2010 konnte die spätere Schuldnerin nicht einmal mehr die alltäglichen Kosten decken, was der Klägerin ebenfalls bekannt war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt lag die Insolvenz der Gesellschaft auf der Hand.
In der gegebenen Situation wäre von einer typischen Arbeitnehmerin zu erwarten gewesen, dass sie auf das Unterbleiben der Entgeltzahlungen reagiert. Die Klägerin hat aber nicht nur 40 Monatsgehälter „stehen gelassen“, sondern der Gesellschaft auch noch finanzielle Mittel in Höhe von 408.000 EUR zugeschossen. Mit diesem Verhalten hat sie sich außerhalb der Gemeinschaft der Versicherten gestellt.
Die Klägerin mag zwar subjektiv darauf vertraut bzw gehofft haben, dass die finanziellen Schwierigkeiten nur vorübergehender Natur sind. Aufgrund ihres Kenntnisstands hält ihr Verhalten auch mit Rücksicht auf ihre lange Beschäftigungsdauer einem Fremdvergleich allerdings nicht stand. Auch die ins Treffen geführten Umstände der Dankbarkeit und Verbundenheit der Klägerin gegenüber dem Geschäftsführer der Gesellschaft vermögen an dieser Einschätzung nichts zu ändern.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der dargestellten Grundsätze. Die Schlussfolgerung, dass die Klägerin billigend in Kauf genommen habe, den Fonds durch das außergewöhnliche Stehenlassen der Entgeltansprüche zu schädigen, und dass die geltend gemachten Beträge (zufolge Rechtsmissbrauchs) nicht dem Schutzbereich des IESG unterliegen, stellt insgesamt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.
Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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