European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:008OBS00006.12H.0726.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die zu einer bewussten Überwälzung des Finanzierungsrisikos des Arbeitgebers auf den Insolvenzentgeltfonds führen, begründen im Allgemeinen Rechtsmissbrauch. In diesem Sinn ist in der Judikatur etwa anerkannt, dass eine atypische Vertragsgestaltung die Geltendmachung von Insolvenzentgelt sittenwidrig machen kann, wenn dadurch eine Ausbeutungssituation zu Lasten des Insolvenzentgeltfonds geschaffen wird und der Arbeitnehmer in einer einem Fremdvergleich nicht standhaltenden Weise entweder die Konstruktion bewusst zu seinem Vorteil beeinflusst oder aber die Ausbeutungssituation bewusst in Kauf genommen hat, ohne geeignete und zumutbare Gegenmaßnahmen zu ergreifen (8 ObS 2/11v; 8 ObS 14/11h). Hält das Verhalten des Arbeitnehmers einem Fremdvergleich nicht stand, so kann grundsätzlich von einer bewussten, zumindest bedingt vorsätzlichen Inkaufnahme der Ausbeutung des Insolvenzentgeltfonds ausgegangen werden, was die Beurteilung als rechtsmissbräuchliche Maßnahme indiziert (vgl 8 ObS 206/00b).
2.1 Das Vorliegen einer atypischen Vertragskonstruktion durch den (vom Kläger so bezeichneten) „Wechsel der Beschäftigungsform“ ab 15. 1. 2008 ist zu bejahen. Er führte weiterhin die Geschäfte der GmbH, trat weiterhin als weisungsbefugter Vorgesetzter auf und erledigte wie vorher die wesentlichen Geschäftsführungsagenden und Kundenkontakte. Nach seinen eigenen Angaben machte er alles das, was er auch vorher als Geschäftsführer erledigt hatte. Das Erstgericht konnte nicht einmal feststellen, ob mit dem Kläger ein fixes Gehalt vereinbart war.
2.2 Auch die Begründung einer Ausnützungssituation zu Lasten des Insolvenzentgeltfonds kann nicht zweifelhaft sein. Nach den Feststellungen ging es den neuen „Eigentümern“ der späteren Schuldnerin nur darum, trotz fehlender Arbeitsbewilligung in Österreich weiter arbeiten zu können. Für das Führen einer GmbH fehlten ihnen aber jegliche kaufmännischen Kenntnisse und Fähigkeiten. Aus wirtschaftlicher Sicht bestand für die vom Kläger angestrebte Insolvenzvermeidung kein Anlass für eine Veränderung seiner bisherigen unternehmensrechtlichen Position. Da er die Entscheidung zu diesem Wechsel selbst getroffen hatte, hat er die atypische Vertragskonstruktion zu Lasten des Insolvenzentgeltfonds aus eigenem herbeigeführt. In der konkreten Situation wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger seine bisherige Position beibehält. Ginge man mit dem Kläger davon aus, dass ihm der selbst veranlasste Positionswechsel nicht vorgehalten werden könnte, so müsste er sich als „gewöhnlicher“ Arbeitnehmer behandeln lassen. In diesem Fall wäre zu erwarten gewesen, dass er auf das Unterbleiben der Entgeltzahlungen für das gesamte Jahr 2009 reagiert, was er aber ebenfalls nicht getan hat. Dazu hat das Erstgericht festgestellt, dass der Kläger über die wirtschaftliche Lage der GmbH jederzeit voll informiert war und es ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, dass die Beklagte für seinen Entgeltausfall aufkommen muss.
2.3 Damit hält das Verhalten des Klägers einem Fremdvergleich nicht statt. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dem Kläger sei zumindest der bedingte Vorsatz der Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den Insolvenzentgeltfonds anzulasten, sodass sich die Geltendmachung von Insolvenzentgelt als sittenwidrig erweise, ist daher nicht korrekturbedürftig.
Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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