OGH 8ObS252/00t

OGH8ObS252/00t25.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Ernst Boran als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Crdavko C*****, vertreten durch Dr. Georg Gießer u.a., Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland, 1050 Wien, Geigergasse 5-9, wegen S 658.581,79 netto sA, Insolvenz-Ausfallgeld (Revisionsinteresse S 107.944,44 sA) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Juli 2000, GZ 7 Rs 169/00z-14, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der Kläger war auch in beiden unmittelbar vorangehenden Dienstverhältnissen bei in der Folge insolventen Bauunternehmen beschäftigt.

Im ersten Fall machte er rückständige Entgeltforderungen für einen Zeitraum von 10 Monaten (1. 9. 1995 bis 30. 6. 1996) geltend, bei einer Beschäftigung von 15 Monaten (1. 4. 1995 bis 30. 6. 1996); mit rechtskräftigen Bescheid vom 15. 4. 1999 erhielt der Kläger S 142.509,-- Insolvenz-Ausfallgeld; ein Mehrbegehren von S 113.136,66 wurde abgewiesen, weil der Kläger die Gehälter und Sonderzahlungen für 1995 nach der bis dahin funktionierenden Buchhaltung zur Gänze erhalten und sämtliche Urlaube konsumiert hatte.

Im zweiten Fall machte er rückständige Entgeltforderungen für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses (16. 4. 1997 bis 31. 8. 1997) im Gesamtbetrag von S 472.129,89 geltend, die auf Grund der Bestreitung durch den Masseverwalter auf S 300.000,-- reduziert und sodann von diesem anerkannt wurden. Mit rechtskräftigen Bescheiden vom 9. 12. 1998 und 27. 3. 1999 erhielt der Kläger insgesamt S 273.100,-- Insolvenz-Ausfallgeld; die Abweisung des Mehrbegehrens erfolgte wegen Überschreitung des Grenzbetrages.

Im vorliegenden Arbeitsverhältnis war der Kläger vom 1. 9. 1997 bis zu seinem Austritt am 18. 9. 1998 beschäftigt, wobei nach den Klagsbehauptungen ab Beginn des Arbeitsverhältnisses die die laufenden Gehaltsforderungen von S 17.084,81 netto erheblich übersteigenden Überstunden- und Kilometergeldforderungen des Klägers im Gesamtbetrag von S 224.283,60 netto nicht beglichen worden seien. Die meisten Arbeitnehmer erhielten ihren Lohn noch für Mai 1998 ausbezahlt, während beim Kläger bereits ab Beginn des Arbeitsverhältnisses im September 1997 erhebliche Entgeltrückstände aufliefen. Wie sich aus dem Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis ergibt, war die vom Kläger im Konkursverfahren angemeldete Lohnforderung mit S 827.800,40 unverhältnismäßig höher als die dort aufscheinenden Forderungen der anderen Arbeitnehmer, die Forderungen von S 15.626,36 bis S 33.555,50 geltend machten. Insgesamt begehrte der Kläger im Verfahren beim Bundessozialamt und mit der vorliegenden Klage S 658.581,79 an Insolvenz-Ausfallgeld einschließlich Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Schadenersatz, wovon ihm vom Erstgericht unbekämpft S 41.168,78 sA (Gehalt und anteilige Sonderzahlungen für die Zeit 28. 1. 1998 - 31. 3. 1998) - allerdings mit einer mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Widerspruch stehenden Begründung (hiezu unten) - zugesprochen wurden.

Den im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Anspruch auf weitere S 107.144,44 sA Insolvenz-Ausfallgeld betreffend Entgeltansprüche bis 31. 5. 1998 sowie Kündigungsentschädigung bis 15. 7. 1998 einschließlich Sonderzahlungen wies das Berufungsgericht wegen Vorliegens eines atypischen Arbeitsverhältnisses ab.

Mit seiner außerordentlichen Revision macht der Kläger diesen Anspruch mit der Begründung geltend, es sei unzutreffend, dass ein Arbeitnehmer nicht nur seines laufenden Entgelts nach dem "fingierten Austrittszeitpunkt" verlustig gehe, sondern auch seiner Beendigungsansprüche. Durch das Abstellen allein auf einen Fremdvergleich ohne das Erfordernis des Hinzutretens besonderer Umstände werde der Zweck des IESG konterkariert.

Rechtliche Beurteilung

Im Hinblick auf die oben wiedergegebenen Umstände des Einzelfalles,

kann in der Beurteilung des Berufungsgerichtes, es liege, auch wenn

hier eine familiäre Nahebeziehung fehle, ein atypisches

Arbeitsverhältnis vor, weil der Sachverhalt für eine bewusste

Verlagerung des Finanzierungsrisikos auf den

Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds spreche, keine krasse Fehlbeurteilung

erblickt werden (vgl zB 8 ObS 183/98i = WBl 1999, 170; 8 ObS 192/98p

= WBl 1999, 81 = DRdA 1999, 149; 8 ObS 57/00s uva, zuletzt die

ausführlich begründete E 8 ObS 206/00b).

Liegt ein atypisches Arbeitsverhältnis vor, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass ein solcher Arbeitnehmer, der sich entschließt, trotz Nichtzahlung des Lohns über längere Zeit im Unternehmen tätig zu bleiben, ohne auch nur ernsthaft zu versuchen, die aushaftenden Beträge einzubringen, damit bewirkt, dass das insoweit atypisch gestaltete Arbeitsverhältnis insgesamt aus dem Schutzbereich des IESG fällt und die aus diesem Arbeitsverhältnis resultierenden Ansprüche in vollem Umfang ungesichert sind. Eine Bedachtnahme auf ein hypothetisches Verhalten des Arbeitnehmers, nämlich auf einen tatsächlich nicht oder - nicht binnen angemessener Frist - erklärten Austritt (von dem die Vorinstanzen insoweit unzutreffend ausgehen, was aber hier im Ergebnis keine Rolle mehr spielt), was zur Folge hätte, dass gerade die ältesten, am Wenigsten mit der Sicherung des laufenden Lebensunterhalts zusammenhängenden Rückstände gesichert wären, kommt nicht in Betracht. Diese Überlegungen gelten auch für die beendigungsabhängigen Ansprüche (8 ObS 56/00v = WBl 2000, 328; 8 ObS 57/00s; 8 ObS 150/t; 8 ObS 153/00h).

Die außerordentliche Revison des Klägers war daher mangels einer entscheidungsrelevanten krassen Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes zurückzuweisen.

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