Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 299,57 EUR (darin 49,93 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Gegenstand des Verfahrens ist der Anspruch auf Gewährung von Insolvenz‑Entgelt für titulierte Prozess‑ und Exekutionskosten, die dem Kläger zur Durchsetzung von Entgeltforderungen gegen seinen Arbeitgeber vor dessen Insolvenz entstanden sind.
Mit rechtskräftigem Versäumungsurteil vom 24. 8. 2010 wurden dem Kläger 21.285,83 EUR brutto abzüglich 11.700 EUR netto samt Zinsen und Verfahrenskosten von 1.234,47 EUR zuerkannt. Der Bruttobetrag setzte sich aus laufendem Lohn von 30. 9. 2009 bis 30. 4. 2010, Mehr‑ und Überstundenvergütung, Taggeldern, Weihnachtsremuneration 2009 und Fahrtkosten zusammen.
Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Arbeitgeberin am 28. 1. 2011 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Entgelt, in dem er zuletzt laufende Nettoentgeltdifferenzen von 30. 9. 2009 bis 30. 4. 2010 (entsprechend dem von der Mahnklage umfassten Zeitraum), Fahrtkostenvergütung und Weihnachts-remuneration laut Klage, darüber hinaus Nettolöhne für Mai bis Juli 2010, Zinsen und Anmeldekosten geltend machte.
Die Beklagte wies mit Teilbescheid den Anspruch des Klägers im Umfang von insgesamt 967 EUR netto ab; dieser Betrag enthält die Entgeltdifferenzen für den Zeitraum von September bis November 2009, einen Teil der Fahrtkosten, Zinsen und Antragsgebühr. Dieser Teilbescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Alle übrigen angemeldeten Forderungen des Klägers wurden antragsgemäß zuerkannt, weiters Verfahrenskosten für das Arbeitsgerichts- und Exekutionsverfahren in Höhe von 604 EUR bzw 177 EUR.
Für den darüber hinaus vom Kläger geforderten Kostenbetrag lehnte die Beklagte mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid die Gewährung von Insolvenz‑Entgelt ab. Es handle sich um anteilige Kosten für die Geltendmachung ungesicherter Ansprüche. Auf die Klagsansprüche entfalle nur ein zuerkanntes Insolvenz-Entgelt von 3.202 EUR netto; nur jene Kosten seien gesichert, die zur Geltendmachung dieses Betrags erforderlich gewesen wären. Der Kläger vertrat die Ansicht, die Geltendmachung der als nicht gesichert abgewiesenen Forderungen habe keine Mehrkosten verursacht, weil der Abzug der Summe von 967 EUR vom Klagebegehren keine Änderung der Tarifansätze bewirkt hätte.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgte der Argumentation der Beklagten, der Berechnung der gesicherten Verfahrenskosten sei nur ein Streitwert von (hochgerechnet) 3.867 EUR brutto zugrundezulegen, weil für die eingeklagten und in Exekution gezogenen Forderungen nur Insolvenz‑Entgelt in diesem Ausmaß zuerkannt worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung nur hinsichtlich der Zinsen und änderte sie in der Hauptsache im klagsstattgebenden Sinn ab.
Der Kläger habe im Verfahren gegen den Arbeitgeber die Zahlung einer Bruttosumme abzüglich eines erhaltenen Nettobetrags gefordert. Dies sei nach ständiger Rechtsprechung zulässig und führe dazu, dass als Bemessungsgrundlage für die Verfahrenskosten die Differenz zwischen Brutto‑ und Nettobetrag heranzuziehen sei. Um zu ermitteln, welche Verfahrenskosten auf gesicherte Ansprüche entfallen, seien der Bruttobetrag des abgelehnten Hauptanspruchs vom eingeklagten Bruttobetrag abzuziehen und die neue Differenz als Grundlage für die notwendigen Verfahrenskosten heranzuziehen. Dabei ergebe sich mangels Tarifsprung weder im Rechtsanwaltstarif noch bei den Gerichtsgebühren ein Unterschied. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage des gesicherten Kostenersatzanspruchs bei einem auf Brutto- minus Nettobetrag gerichteten Klagebegehren noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten, mit der sie die Abänderung der Berufungsentscheidung und Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils beantragt, ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 1 Abs 2 Z 4 lit a und c IESG gehören zu den gesicherten Ansprüchen auch Prozesskosten, die dem Arbeitnehmer zur Durchsetzung der Ansprüche nach Z 1 bis 3 leg cit rechtskräftig zugesprochen wurden, sowie rechtskräftig zugesprochene Exekutionskosten zur Hereinbringung der Ansprüche gegen den Arbeitgeber.
Bei gemeinsamer Durchsetzung gesicherter und ungesicherter Ansprüche sind die Verfahrenskosten nur insoweit gesichert, als sie der Durchsetzung der gesicherten (Haupt‑)Ansprüche gedient haben (RIS‑Justiz RS0076627; RS0076640). Es genügt, dass die Kosten zur Durchsetzung oder Hereinbringung an sich gesicherter, also für den Fall ihrer Nichterfüllung durch den Arbeitgeber zur Beanspruchung von Insolvenzausfallgeld berechtigender Forderungen nach § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG aufgewendet wurden. Kann für den Hauptanspruch deswegen keine Insolvenzsicherung begehrt werden, weil er nach Entstehen der Kosten, aber vor der Insolvenzeröffnung noch bezahlt wurde, bleiben die Prozesskosten dennoch gesichert (RIS‑Justiz RS0076640; 8 ObS 383/97z).
Das Berufungsgericht hat bei der Berechnung der anteilig gesicherten Verfahrenskosten richtig ‑ und insoweit auch unbekämpft ‑ nicht das prozentuelle Verhältnis zwischen eingeklagten und gesicherten Forderungen herangezogen, sondern die „Sowieso‑Kosten“, die dem Kläger fiktiv entstanden wären, wenn er ausschließlich die gesicherten Ansprüche eingeklagt und in Exekution gezogen hätte.
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Arbeitnehmer nicht nur berechtigt, den Bruttolohn einzuklagen (RIS‑Justiz RS0000636), sondern er kann auch die Zahlung eines Bruttobetrags abzüglich eines Nettobetrags begehren. Die Verfahrenskosten sind in diesem Fall auf der Basis der einfachen Differenz dieser Beträge zu berechnen (8 ObA 113/02d; vgl auch RIS‑Justiz RW0000314; Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 429). Die (unter Umständen erheblich) streitwertverzerrende Folge dieser Berechnungsmethode ist im Interesse der Verfahrensökonomie hinzunehmen.
Von diesen Bemessungsgrundsätzen ist das Berufungsgericht auch im vorliegenden Fall zu Recht ausgegangen. Erhebt der Arbeitnehmer ein zulässiges Brutto‑/Nettobegehren, dann ist der für die gesicherten Prozesskosten maßgebliche Streitwert nicht mit dem hochgerechneten Bruttobetrag begrenzt, für den Insolvenz-Entgelt zuerkannt wurde, sondern mit dem höheren Unterschiedsbetrag zwischen gesamter gesicherter Bruttoforderung und Nettoakonto.
Würde man, wie es die Revision anstrebt, nur den Bruttobetrag des gewährten Insolvenz‑Entgelts als Kostenbemessungsgrundlage heranziehen, dann würde die für ein Brutto‑/Nettobegehren typische Erhöhung des Streitwerts zu Lasten des Arbeitnehmers unter den Tisch fallen. Ein solches Ergebnis wäre nicht sachgerecht, da der Arbeitnehmer mit den höheren Kosten tatsächlich belastet war und er selbstverständlich auch dann ein Brutto‑/Nettobegehren gegen seinen Arbeitgeber erheben hätte können, wenn er sich in der Mahnklage auf die gesicherten Ansprüche beschränkt hätte.
Die Bemessungsgrundlage für die gesicherten Prozesskosten ist daher aus der Differenz zwischen dem Bruttobetrag der gesicherten Klagsforderungen und der auf sie entfallenden Nettoakontosumme zu bilden (vgl auch 8 ObS 10/12x).
Den Umstand, dass die gegenüber dem Arbeitgeber eingeklagten Forderungen nur teilweise auch gesichert waren, hat das Berufungsgericht bei seiner Berechnung im selben Ausmaß berücksichtigt wie es von der Revisionswerberin gefordert wurde.
Der Revision war daher keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG.
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