OGH 8ObA231/95

OGH8ObA231/9518.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Dr.Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing.Gerhard E*****, vertreten durch Dr.Walter Anderl, Rechtsanwalt in Mayrhofen, wider die beklagte Partei T***** AG, ***** vertreten durch Dr.Erwin Köll, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 909.811,29 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.Dezember 1994, GZ 5 Ra 134/94-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 29.März 1994, GZ 47 Cga 259/93-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

22.482 (darin S 3.747 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Aktenwidrigkeit sowie eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die diesbezüglichen Ausführungen stellen lediglich den Versuch dar, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes in unzulässiger Weise zu bekämpfen.

Was die rechtliche Beurteilung betrifft, kann auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteiles verwiesen werden (§ 48 ASGG), zu der ergänzend anzumerken ist:

Es ist im Verfahren unstrittig, daß aufgrund der Übergangsbestimmung des § 29 Abs 2 Handelsvertretergesetz 1993 (HVertrG 1993) auf das vor dessen Inkrafttreten bestandene Vertragsverhältnis zwischen den Parteien das Handelsvertretergesetz 1921 (HVG) weiterhin anzuwenden ist. Gemäß dessen § 6 Abs 3 kann der Handelsvertreter dann, wenn die Ausführung eines vom Handelsvertreter oder durch dessen Vermittlung abgeschlossenen Geschäftes oder die Gegenleistung des Dritten, mit dem das Geschäft abgeschlossen worden ist, infolge des Verhaltens des Geschäftsherrn ganz oder teilweise unterblieben ist, die volle Provision verlangen, es sei denn, daß für das Verhalten des Geschäftsherrn wichtige Gründe auf der Seite des Dritten vorliegen. Nach ständiger Rechtsprechung brauchen diese wichtigen Gründe nicht gerade in der Person des Vertragspartners zu liegen. Der Vermittler soll wohl vor Willkür oder sonstigem Verschulden des Geschäftsherrn bewahrt bleiben; dieser ist aber schon dann entschuldigt, wenn nach objektiver Auffassung des Verkehrs maßgebliche Tatsachen sein Verhalten rechtfertigen. Entscheidend ist also nur, ob der Geschäftsherr wichtige Gründe nachzuweisen vermag, die es rechtfertigen, daß er von der Ausführung des Geschäftes oder von der Einforderung der ihm daraus gebührenden vollen Gegenleistung des Dritten Abstand genommen hat (SZ 32/26; SZ 43/111; HS 9775/9; MietSlg 37.702; 4 Ob 519/93; 7 Ob 605/93, 1 Ob 1516/94). Ein dem Verhalten des Dritten gleichwertiger wichtiger Grund liegt unter anderem dann vor, wenn die Nichtausführung des Geschäftes gerade auf ein Verhalten des Vermittlers zurückzuführen ist (4 Ob 519/93; 1 Ob 1516/94).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war es für die Beklagte von ausschlaggebender Bedeutung, daß die gelieferten Rohre "weder in Deutschland noch in Österreich verlegt und somit nicht die geringsten Mengen an die genannten Staaten geliefert werden" (erstgerichtliches Urteil AS 152 f). Das besondere Gewicht, das die Beklagte dieser Bedingung zumaß, mußte für alle Beteiligten, so auch den Kläger, schon daraus erkennbar sein, daß die Beklagte bereit war, für eine entsprechende Bestätigung der ungarischen Käuferfirma einen nicht unerheblichen Rabatt zu gewähren. Tatsächlich gelangten die Rohre jedoch über einen italienischen Zwischenhändler an ein Südtiroler Unternehmen, welches diese zum größten Teil nach Österreich verkaufte. Der Kläger versicherte den leitenden Angestellten der Beklagten, die trotz der Zusicherungen des ungarischen Käufers Bedenken hatten, daß die Ware nicht in Europa bleibe. Ohne die Zusicherung des Klägers, daß die Ware im Osten verbleibe und nicht nach Westeuropa zurückgehe, hätte die Beklagte nach den Feststellungen des Gerichtes zweiter Instanz den Auftrag nicht akzeptiert.

Gemäß § 2 Abs 1 HVG hat der Handelsvertreter das Interesse des Geschäftsherrn mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrzunehmen. Er unterliegt daher einer besonderen Treuepflicht (JBl 1992,451; 4 Ob 557/89). In Ausübung dieser Treuepflicht ist der Handelsvertreter verpflichtet, die Interessen des Geschäftsherrn seinen eigenen Interessen voranzustellen (SZ 51/14). Seine sich aus § 2 HVG ergebenden Pflichten verkennt der Revisionswerber offenbar völlig, wenn er in seiner Revision ausführt, seine Äußerungen seien wohl nur als Bemühen des Vertreters zu verstehen, Zweckoptimismus zu verbreiten und das Geschäft, von dem letzten Endes auch seine Entlohnung abhänge, zustandezubringen. Es war vielmehr Pflicht des Klägers, all seine im Zuge der Geschäftsanbahnung gewonnenen Erkenntnisse dem Geschäftsherrn zugänglich zu machen und vorrangig darauf zu achten, daß das angebahnte Geschäft der Interessenlage der Beklagten entspreche. Es mag sein, daß die Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, die Lieferung der Ware durch die ungarischen Käufer in weitere Länder vertraglich auszuschließen. Allerdings hätten auch dadurch Umgehungsgeschäfte nicht mit letzter Sicherheit vermieden werden können. Es kam daher den Äußerungen des Klägers, der nach den Feststellungen ausdrücklich auf seine Beziehungen zum ungarischen Generaldirektor hinwies, große Bedeutung zu, was auch dem Kläger nicht verborgen bleiben konnte. Bei dieser Sachlage kann aber im Unterlassen der weiteren vertraglichen Einengung der Lieferländer kein Verschulden der Beklagten gesehen werden, da diese den Erklärungen des Klägers vertrauen durfte.

Es erweist sich somit die Beurteilung des Berufungsgerichtes als zutreffend, daß der Kläger seinen Provisionsanspruch für die dritte Teillieferung gemäß § 6 Abs 3 HVG verloren hat, da die Nichtausführung dieses Teiles des Geschäftes aus wichtigem, weil den Interessen der Beklagten zuwiderlaufenden Grund unterblieb und das Verhalten des Klägers selbst für dieses Unterbleiben (mit-)ursächlich war. Was die restliche Provision für die erste und zweite Teillieferung betrifft, führt die Verletzung der Interessenwahrungspflicht zu einem Wegfall der Verdienstlichkeit, so daß schon deshalb der Provisionsanspruch nicht zusteht, ohne daß es des Nachweises eines konkreten Schadens bedürfte (Jabornegg HVG 80).

Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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