OGH 7Ob605/93

OGH7Ob605/9313.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Floßmann und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Willibald Rath und Dr.Manfred Rath, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. *****B*****gesellschaft mbH, ***** 2. Karl G***** GmbH, ***** beide vertreten durch Dr.Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 120.000 sA, infolge außerordentlicher Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 16.Juni 1993, GZ 2 R 72/93-34, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 7.Jänner 1993, GZ 11 Cg 260/91-29, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil, welches im Umfang des Ausspruches gegen die zweitbeklagte Partei als unangefochten unberührt bleibt, und das Urteil des Erstgerichtes werden hinsichtlich der erstbeklagten Partei aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Aufgrund eines Vermittlungsauftrages der H***** GmbH (Verkäuferin) bot die Klägerin das Haus in G***** zum Verkauf an. Günter P***** erklärte der Klägerin nach Besichtigung, dieses Haus für einen Dritten kaufen zu wollen, nannte der Klägerin zunächst aber noch keinen Namen des Interessenten. Am 7.3.1990 unterfertigte Günter P***** als Vertreter der Erstbeklagten ein bis 9.3.1990 befristetes schriftliches Anbot für das Kaufobjekt mit einem Gesamtkaufpreis von S 2,050.000. Günter P***** war dazu vom Geschäftsführer der Erstbeklagten bevollmächtigt worden. Am selben Tag unterfertigte Günter P***** in Vertretung der Erstbeklagten auch eine Provisionsvereinbarung, mit welcher sich die Erstbeklagte verpflichtete, an die Klägerin "bei Zustandekommen eines Kaufabschlusses" eine Provision von S 100.000 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer zu zahlen. Auch zum Abschluß dieser Provisionsvereinbarung war Günter P***** von der Erstbeklagten bevollmächtigt. Der Geschäftsführer der Klägerin überbrachte dieses Anbot dem Geschäftsführer der Verkäuferin, welcher darauf den Vermerk "angenommen" und die Firmenstampiglie der Verkäuferin setzte. Ob bzw wem diese Annahmeerklärung zugegangen ist, steht nicht fest.

Günter P***** informierte den Geschäftsführer der Erstbeklagten sodann von der Unterfertigung des Kaufanbotes durch ihn. Daß das Anbot angenommen worden sei und ein Kaufvertrag bei einem von der Verkäuferin beauftragten Notar zur Unterschrift aufgelegt werde, sagte er ihm jedoch nicht. Er erklärte dem Geschäftsführer der Erstbeklagten später nur mehr, "daß sich der Kauf zerschlagen" habe. Als der Geschäftsführer der Verkäuferin nach ca zwei bis drei Monaten erfuhr, daß der in seinem Auftrag bei einem Notar zur Unterschriftsleistung durch die Erstbeklagte aufgelegte Kaufvertrag von der Erstbeklagten nicht unterfertigt worden sei, erklärte er der Klägerin, daß jetzt "Ende und das Haus wieder zum Verkauf frei" sei.

Im Juni 1990 erkundigte sich ein vom Geschäftsführer der Zweitbeklagten Beauftragter beim Geschäftsführer der Verkäuferin, ob das Haus in G*****, noch zu kaufen sei. Nachdem sich die Verkäuferin und die Zweitbeklagte über einen Kaufpreis von S 2,200.000 geeinigt hatten, unterfertigte der Geschäftsführer der Zweitbeklagten einen von der Verkäuferin beim selben Notar zur Unterschriftsleistung aufgelegten Kaufvertrag, welcher auch grundbücherlich durchgeführt wurde. Seit November 1990 ist Günter P***** alleiniger Geschäftsführer der Zweitbeklagten.

Die Klägerin begehrt von beiden Beklagten die Zahlung des Betrages von S 120.000 sA zur ungeteilten Hand. Sie habe mit der Erstbeklagten eine Provisionsvereinbarung geschlossen. Tatsächlich habe die Zweitbeklagte, welcher die Vermittlungstätigkeit der Klägerin bekannt gewesen sei, das vermittelte Objekt gekauft. Der für die Erstbeklagte im Rahmen der Vermittlungstätigkeit auftretende Vertreter sei nunmehr der Geschäftsführer der Zweitbeklagten. Dieser habe der Klägerin erklärt, daß lediglich offen sei, ob die Erstbeklagte oder die Zweitbeklagte das Objekt kaufe. Die Zahlungspflicht der Erstbeklagten sei in der Provisionsvereinbarung unabhängig davon bedungen worden, ob die Liegenschaft von der Erstbeklagten oder von der Zweitbeklagten gekauft werde. Wegen des Kaufes durch die Zweitbeklagte sei daher auch die Erstbeklagte zur Zahlung der Provision verpflichtet. Die Beklagten seien wirtschaftlich eng miteinander verflochten. Die Verpflichtung der Erstbeklagten beruhe aber auch auf der wechselseitigen Unterfertigung des "Kaufvertrages" und der Provisionsvereinbarung. Offensichtlich habe die Erstbeklagte aus finanziellen Gründen den Kaufpreis nicht fristgerecht zahlen können, so daß die Verkäuferin vom Kaufvertrag zurückgetreten sei, womit der Provisionsanspruch gegen die Erstbeklagte ebenfalls fällig geworden sei.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. Die Erstbeklagte habe mit der Klägerin keine Provisionsvereinbarung abgeschlossen. Der Geschäftsführer der Erstbeklagten habe dazu auch niemandem einen Auftrag erteilt. Die Klägerin sei auch für die Zweitbeklagte nicht verdienstlich tätig geworden. Die Annahme des Kaufanbotes durch "die klagende Partei" sei "dem Beklagten" nicht zugekommen. Überdies habe die Klägerin die Immobilienmaklerkonzession erst am 25.10.1991 erhalten, so daß sie zur Ausübung der klagsgegenständlichen Vermittlungstätigkeit nicht berechtigt gewesen sei.

Das Erstgericht gab der Klage mit Ausnahme des die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigenden Zinsenmehrbegehrens gegen beide Beklagte statt. Zwischen der Verkäuferin und der Erstbeklagten sei aufgrund der Vermittlungstätigkeit der Klägerin durch Annahme des durch einen Vertreter der Erstbeklagten erstellten Anbot ein Kaufvertrag zustandegekommen. Daß die Erstbeklagte danach den bei einem Notar aufgelegten Kaufvertrag nicht unterfertigt habe, habe auf das Zustandekommen des Kaufvertrages keinen Einfluß mehr gehabt. Die Zweitbeklagte habe wegen der engen Verflechtung der beiden Beklagten in Kenntnis der Vermittlungstätigkeit der Klägerin das vermittelte Objekt tatsächlich gekauft. Damit habe die Zweitbeklagte die Vermittlungstätigkeit der Klägerin ausgenützt, weshalb zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten konkludent ein Vermittlungsauftrag zustandegekommen sei. Allenfalls finde der gegen die Zweitbeklagte gerichtete Provisionsanspruch seine Begründung in § 1041 ABGB.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in Ansehung der Zweitbeklagten, änderte es jedoch in Ansehung der Erstbeklagten im Sinne einer gänzlichen Abweisung des gegen sie gerichteten Begehrens ab. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der erste, zwischen der Verkäuferin und der Erstbeklagten durch Annahme des durch einen Vertreter der Erstbeklagten erstellten Anbots geschlossene Kaufvertrag könne wegen einvernehmlicher Vertragsaufhebung als nicht provisionspflichtig außer Betracht bleiben. Die Zweitbeklagte habe den Kaufvertrag mit der Verkäuferin in Kenntnis der Vermittlungstätigkeit der Klägerin abgeschlossen. Daher habe sie der Klägerin auch die Provision für die Vermittlungstätigkeit zu zahlen. Für die durch den Abschluß dieses Geschäfts fällige Provision hafte die Erstbeklagte aber nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die nur von der Klägerin gegen den abändernden Teil des Urteiles des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 6 Abs 3 HVG abgewichen ist; sie ist auch im Sinne ihres - im Abänderungsantrag enthaltenen - Aufhebungsantrages berechtigt.

Unzutreffend ist die Auffassung der Revision, daß die Erstbeklagte für die in der Provisionsvereinbarung festgehaltene Provision schon deshalb hafte, weil zwischen der Verkäuferin und der Zweitbeklagten ein Kaufvertrag abgeschlossen und auch ausgeführt wurde. Die Wortfolgen in der Provisionsvereinbarung "bei Zustandekommen eines Kaufabschlusses..... eine Pauschalprovision.... zu zahlen" und "die

Provision wird am Tage der Vertragsunterfertigung... ausbezahlt"

können nur im Zusammenhang mit dem am selben Tag von der Erstbeklagten erstellten Kaufanbot gesehen und daher nur dahin ausgelegt werden, daß die Erstbeklagte die Provisionspflicht für den Fall übernommen hat, daß zwischen ihr und der Verkäuferin ein Kaufvertrag über die vermittelte Liegenschaft zustande kommt. Entgegen den Ausführungen in der Revision war es zum Zeitpunkt der Unterfertigung von Kaufanbot und Provisionsvereinbarung durch den Vertreter der Erstbeklagten keineswegs mehr ungewiß, ob die Erstbeklagte oder die Zweitbeklagte, welche überhaupt noch nicht als Käuferin ins Spiel gebracht worden war, das Haus erwerben werde. Nach seinem eindeutigen Wortlaut wurde das Kaufanbot vielmehr allein von der Erstbeklagten abgegeben. Eine Vereinbarung, wonach sich die Erstbeklagte der Klägerin gegenüber zur Zahlung der Provision auch für den Fall verpflichtete, daß die Zweitbeklagte die Liegenschaft erwirbt, ist daher nicht getroffen worden.

Wohl löst nach ständiger Rechtsprechung (SZ 20/238; SZ 43/27; MietSlg 39.709 ua) das Zustandekommen eines Geschäfts, das zwar nach den vom Makler geförderten Bemühungen nicht unmittelbar angestrebt worden war, dem aber eine vergleichbare wirtschaftliche Bedeutung beizulegen ist, in gleicher Weise wie der Abschluß des zunächst angestrebten Geschäfts eine Provisionspflicht dem Grunde nach aus. Diese "Zweckgleichwertigkeit" kann auch dann vorliegen, wenn ein von einem Partner des Vermittlungsvertrages verschiedener Dritter das zu vermittelnde Geschäft abschließt; nur muß das vom Dritten tatsächlich abgeschlossene Geschäft nach den Umständen für den Geschäftsherrn zweifelsfrei zweckgleichwertig sein (Jabornegg, HVG 239 ff). Daß die Zweitbeklagte ihre Geschäftsräumlichkeiten im selben Haus hatte wie die Erstbeklagte, daß ihre Geschäftsführer einander kennen und der beim Abschluß des Vermittlungsvertrages für die Erstbeklagte tätige Vertreter später Geschäftsführer der Zweitbeklagten wurde, reicht nicht für die Annahme einer Zweckgleichwertigkeit des vermittelten mit dem tatsächlich abgeschlossenen Geschäfts für die Erstbeklagte aus.

Für die Beurteilung des Provisionsanspruches des Realitätenvermittlers ist auch weiterhin das HVG anzuwenden, weil das am 1.3.1993 in Kraft getretene HVertrG 1993 zufolge seines § 29 Abs 2 auf andere Geschäftsvermittler nicht anwendbar ist. Im Gewerbe der Realitätenvermittler besteht ein vom Verbot des § 5 HVG abweichender Gebrauch des Inhalts, daß mit beiden Vertragsparteien ein Vermittlungsvertrag geschlossen und Provisionszahlungen vereinbart werden dürfen (Jabornegg aaO 303 mit Judikaturhinweisen). Für Immobilienmakler und Gelegenheitsvermittler (SZ 15/204) gilt daher vorbehaltlich anderer Bestimmungen in der ImmMV nicht das Verbot der Doppelvertretung. Trotz des mit der Verkäuferin abgeschlossenen Vermittlungsauftrages konnte die Klägerin daher mit dem von ihr vermittelten Dritten ebenfalls einen Vermittlungsauftrag und eine Provisionsvereinbarung schließen. Gemäß §§ 6 Abs 1, 29 HVG gebührt dem Vermittler für jedes durch seine Tätigkeit zustandegekommene Geschäft eine Provision; der Anspruch auf die Provision wird mangels anderer Vereinbarung mit dem Abschluß des Geschäfts erworben. Im Geschäftszweig der Immobilienmakler genügt dabei - abweichend von § 6 Abs 4 HVG - die Nachweisung der Kaufgelegenheit für die Entstehung des Provisionsanspruches, falls es in der Folge zu einem Kaufabschluß kommt (MietSlg 35.707 uva). Gemäß §§ 6 Abs 3, 29 HVG gebührt dem Makler die volle Provision auch dann, wenn die Ausführung eines von ihm vermittelten, bereits abgeschlossenen Geschäfts unterbleibt, es sei denn, daß für das Verhalten des Geschäftsherrn wichtige Gründe auf Seite des Dritten vorliegen. Solche wichtige Gründe müßten bei der hier vorliegenden Doppelvertretung bei der Beurteilung des Provisionsanspruches der Klägerin gegenüber der Erstbeklagten in der Person der Verkäuferin liegen. Derartige Gründe hat die Erstbeklagte nicht einmal vorgetragen. Sie hat aber auch sonst nicht behauptet, aus welchen Gründen ihr die Ausführung des vermittelten Geschäfts nicht hätte zugemutet werden können (siehe dazu Jabornegg aaO 288). Eine - ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes vorgenommene - einvernehmliche Auflösung des vom Makler vermittelten bereits abgeschlossenen Geschäfts beruht nach der Rechtsprechung (SZ 6/276; SZ 43/111; HS 9775/9) aber stets auf einem Verhalten des Geschäftsherrn. Die Erstbeklagte haftet der Klägerin daher dann für die in Anspruch genommene Provision, wenn das zwischen der Verkäuferin und der Erstbeklagten vermittelte Geschäft zustande gekommen ist.

Kaufverträge über Liegenschaften sind grundsätzlich formfrei (SZ 43/152). Maßgebend ist hier daher nicht, ob der bei einem Notar aufgelegte Kaufvertrag nicht unterfertigt wurde, sondern ob das von der Erstbeklagten erstellte Kaufanbot wirksam von der Verkäuferin angenommen worden ist. Aus den zum Zustandekommen des Vertrages getroffenen Feststellungen ergibt sich nur, daß der Geschäftsführer der Verkäuferin das vom Vertreter der Erstbeklagten erstellte Anbot annahm und deshalb einen Annahmevermerk auf das schriftliche Anbot setzte. Ob bzw wem diese Erklärung dann zugegangen ist, wurde aber nicht festgestellt. Die Erstbeklagte wurde nach den weiteren Feststellungen von ihrem Vertreter in der Folge nur ganz allgemein informiert, "daß sich der Kauf zerschlagen" hätte, ohne daß ihr zuvor die Möglichkeit bekanntgegeben worden wäre, einen von der Verkäuferin bei einem Notar aufgelegten Kaufvertrag unterfertigen. Die getroffenen Feststellungen geben somit keinerlei Anhaltspunkt darüber, inwieweit der Erstbeklagten die Annahmeerklärung der Verkäuferin zugekommen ist. Das vorliegende Anbot der Erstbeklagten war bis 9.3.1990 bindend. Gemäß § 862a ABGB gilt die Annahme nur dann als rechtzeitig, wenn die Erklärung innerhalb der Annahmefrist dem Antragsteller zugekommen ist; trotz ihrer Verspätung kommt jedoch der Vertrag zustande, wenn der Antragsteller erkennen mußte, daß die Annahmerklärung rechtzeitig abgesendet wurde, und gleichwohl seinen Rücktritt dem anderen nicht unverzüglich anzeigt. Die Annahmeerklärung ist eine dem Offerenten zugangsbedürftige Willenserklärung (EvBl 1977/81); es gilt die Empfangstheorie (SZ 53/28). Über den Zugang der Annnahmeerklärung der Verkäuferin und im Falle ihres Zuganges an einen Vertreter der Erstbeklagten über dessen Bevollmächtigung, auch diese Erklärung anzunehmen, fehlen Feststellungen. Das Erstgericht wird diese nach Verfahrensergänzung zu treffen haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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