OGH 8ObA22/04z

OGH8ObA22/04z11.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Komm.Rat Mag. Paul Kunsky und Mag. Johannes Denk als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Tarek E*****, vertreten durch Dr. Andreas Mirecki, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M***** GmbH, ***** vertreten durch Mag. Günter Petzelbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 3.821,56 sA (Revisionsinteresse EUR 1.796,47), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Dezember 2003, GZ 7 Ra 175/03m-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23. Juni 2003, GZ 25 Cga 149/01s-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Zuspruch von EUR 1.819,25 brutto sA und in der Abweisung von EUR 205,84 sA als unangefochten unberührt bleiben, werden darüber hinaus dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

"Das Klagebegehren besteht mit EUR 3.615,72 brutto samt 8,5 % Zinsen seit 5. 12. 2000 aus dem Nettobetrag zu Recht.

Die eingewendete Gegenforderung von EUR 1.940,36 besteht nicht zu Recht.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 3.615,72 brutto samt 8,5 % Zinsen seit 5. 12. 2000 aus dem Nettobetrag binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei auch schuldig, der klagenden Partei EUR 205,84 brutto samt 8,5 % Zinsen aus dem Nettobetrag zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.245,84 (darin EUR 295,69 USt und EUR 471,68 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 543,14 (darin EUR 72,86 USt und EUR 106 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 459,10 (darin EUR 50,02 USt und EUR 159 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger arbeitete bei der Beklagten seit 12. 12. 1998 als Pizzabäcker. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe anzuwenden. Der Kläger bezog zuletzt ein Monatsentgelt von ATS 16.000 netto. Dieses wurde ihm jeweils am Ende eines Monats bar ausbezahlt.

Als Folge eines Arbeitsunfalles befand sich der Kläger ab 20. 11. 2000 im Krankenstand. Als er sich am 4. 12. 2000 telefonisch gesund melden wollte, teilte ihm einer der Gesellschafter, der berechtigt war, in Personalangelegenheiten zu entscheiden, mit, er brauche nicht mehr zur Arbeit kommen, denn er sei "vor zwei Tagen gekündigt worden". Der Kläger wurde mit Wirkung vom 30. 11. 2000 bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet.

Am 4. 12. 2000 erhielt der Kläger eine "Lohn-Gehaltsabrechnung, November 2000" welche eine Lohnzahlung für November und eine Sonderzahlung in Höhe von jeweils ATS 12.620 brutto, in Summe ATS 19.810,91 netto, und unter dem Titel "Aufrollung" einen Betrag von ATS 4.868,00 auswies. Die Endsumme belief sich auf ATS 24.679, ausbezahlt wurden dem Kläger ATS 26.000. Dass der Kläger während der gesamten Dauer des Dienstverhältnisses weitere Sonderzahlungen erhalten hätte, konnte das Erstgericht nicht feststellen.

In einem Schreiben vom 18. 12. 2000 an die Beklagte machte der Kläger rückständigen Lohn, Überstundenentgelte, Urlaubsentschädugung und "Urlaubszuschuss für das Kalenderjahr 2000" geltend. In einem weiteren Schreiben vom 25. 4. 2001 begehrte der Kläger nunmehr Entgeltfortzahlung, Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und "Jahresremuneration vom 12. 12. 1998 bis 1. 12. 2000".

Mit seiner am 27. 7. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, die Beklagte zur Zahlung von insgesamt ATS 52.585,80 brutto sA schuldig zu erkennen. Er sei vom 12. 12. 1998 bis 1. 12. 2000 bei der Beklagten als Pizzakoch mit einem monatlichen Bruttolohn von ATS 12.620 beschäftigt gewesen. Das Dienstverhältnis habe durch fristwidrige Kündigung geendet. Es hafteten unberichtigt aus die Entgeltfortzahlung für 1. 12. 2000, Jahresremunerationen für die Zeit vom 12. 12. 1998 bis 1. 12. 2000, die Kündigungsentschädigung vom 2. 12. 2000 bis 15. 12. 2000, die darauf entfallende Jahresremuneration sowie die Urlaubsentschädigung für insgesamt 18 Werktage abzüglich akontierter ATS 12.620, insgesamt daher der Klagsbetrag.

Die Beklagte stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit und wendete zum Grund des Anspruchs ein, dass das Dienstverhältnis am 30. 11. 2000 einvernehmlich aufgelöst worden sei. Aufgrund dieses Umstandes stehe dem Kläger kein weiteres Entgelt zu. Die Jahresremunerationen für die Jahre 1998 bis 2000 seien dem Kläger immer bar ausbezahlt und der Empfang von ihm bestätigt worden. Gemäß Punkt 6 lit e des anzuwendenden Kollektivvertrags seien die geltend gemachten Ansprüche verfristet. Der Kläger habe drei Monate lang in einer der Beklagten gehörenden Wohnung gewohnt. Für die Benutzung dieser Wohnung sei eine monatliche Miete von ATS 8.900 vereinbart gewesen. Der Gesamtbetrag von ATS 26.700 werde kompensando eingewendet.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit EUR 1.819,25 brutto sA als zu Recht bestehend, die Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend. Es erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger dem Betrag von EUR 1.819,25 brutto sA zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von EUR 2.002,31 ab. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen führte es zur rechtlichen Beurteilung aus, dass das Dienstverhältnis von der Beklagten am 4. 12. 2000 fristwidrig beendet worden sei. Dem Kläger gebühre daher auf der Basis der Bestimmung des Punktes 17 lit a des Kollektivvertrags für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe die Kündigungsentschädigung für die Dauer von 14 Tagen. Unter Berücksichtigung des Urlaubsanspruchs gemäß § 2 Abs 1 UrlG im Ausmaß von 30 Werktagen verblieben insgesamt 13 vom Kläger nicht als Urlaub konsumierte Werktage, für welche eine Entschädigung zustehe. Sonderzahlungen gebührten gemäß Punkt 11 lit a des anzuwendenden Kollektivvertrages. Nach dessen Punkt 6 lit e verfielen Lohnansprüche, wenn sie nicht vier Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden. Die letzte Lohnabrechnung sei am 4. 12. 2000 erfolgt. Die viermonatige Frist habe daher am 4. 4. 2001 geendet. Im Aufforderungsschreiben vom 18. 12. 2000 sei lediglich ein Sonderzahlungsanspruch für das Kalenderjahr 2000, nicht jedoch für vorausgegangene Arbeitsjahre erhoben worden. Die Geltendmachung von Remunerationen ab Beginn des Dienstverhältnisses im Schreiben vom 25. 4. 2001 sei somit außerhalb der kollektivvertraglichen Verfallsfrist erfolgt, sodass die für die Jahre 1998 und 1999 begehrten Remunerationen nicht zuzusprechen gewesen seien. Für die eingewendete Gegenforderung habe das Verfahren keinen tragfähigen Rechtsgrund ergeben, weil das Vorliegen einer Entgeltvereinbarung nicht habe festgestellt werden können.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Dem Vortrag in der Berufung, die Verfallsbestimmungen beträfen nur Lohnansprüche, nicht jedoch Ansprüche aus Remunerationen, könne nicht beigepflichtet werden. Der Hinweis des Klägers auf die Entscheidung 9 ObA 236/89 verkenne, dass dort über Verfallsbestimmungen des Kollektivvertrags für Angestellte im Gastgewerbe abgesprochen worden sei. Dem gegenüber stelle die Verfallsbestimmung des hier anzuwendenden Kollektivvertrags eindeutig auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die letzte Lohnabrechnung ab. Der Argumentation des Klägers sei zudem entgegenzuhalten, dass es sich bei Sonderzahlungen um leicht beweisbare Lohnansprüche handle, deren Geltendmachung dem Kläger in keiner Weise von der Beklagten erschwert worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind ausschließlich die der Höhe nach unbestrittenen Sonderzahlungsansprüche des Klägers für die Jahre 1998 und 1999. Hiezu ist vorerst zu beachten, dass das Erstgericht nicht feststellen konnte, dass der Kläger für diese beiden Jahre Sonderzahlungen erhalten habe. Die Beweislast für den rechtsvernichtenden Umstand der Zahlung der dem Kläger zustehenden Remunerationen trifft die Beklagte als Arbeitgeber. Die vom Erstgericht getroffene negative Feststellung über an den Kläger geleistete Zahlungen geht daher zu ihren Lasten (9 ObA 248/98f).

Gemäß dem mit "Jahresremuneration" überschriebenen Punkt 11a des auf das Arbeitsverhältnis des Klägers unstrittig anzuwendenden Kollektivvertrages für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe haben alle Arbeitnehmer, die mindestens zwei Monate ununterbrochen im selben Betrieb beschäftigt sind, Anspruch auf Jahresremuneration in Höhe von 230 % des im jeweiligen Lohnübereinkommen festgelegten Mindestmonatsbezuges, jedoch maximal bis zur Höhe des tatsächlich ins Verdienen gebrachten Lohnes für die Normalarbeitszeit. Gemäß lit d dieses Punktes entfällt der Anspruch auf Jahresremuneration, wenn ein Arbeitnehmer gemäß § 82 GewO entlassen wird oder ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder die vorgesehene Kündigungsfrist nicht einhält. Eine Verfallsbestimmung findet sich in diesem Punkt ebenso wenig wie in dem korrespondierenden Punkt 9. des Kollektivvertrags für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe. Punkt 6. des Kollektivvertrags für Arbeiter trägt die Überschrift "Allgemeine Lohnzahlungsbestimmungen". Lit a dieses Punktes hat den einleitenden Satz "Der Lohnzahlungszeitraum beginnt am ersten und endet am letzten Tag des Monats". Sodann folgt die Beschreibung der näheren Modalitäten der Lohnabrechnung und der monatlichen Lohnauszahlung. Danach enthält lit e die Bestimmung, dass "Lohnansprüche verfallen, wenn sie nicht vier Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer selbst oder dem Betriebsrat oder der Gewerkschaft beim Arbeitgeber oder dessen Stellvertreter schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist verlängert sich um den Zeitraum, um welchen die letzte Lohnabrechnung aus Verschulden des Arbeitgebers verspätet durchgeführt wurde." Wie der Oberste Gerichtshof in seiner zu dem ähnlichen Punkt 6. des Kollektivvertrags für Angestellte ergangenen Entscheidung 9 ObA 236/89 ausgesprochen hat, bezieht sich auch hier die Verfallsbestimmung nach ihrer Einordnung nur auf das in diesem Punkt geregelte laufende Monatsgehalt, nicht jedoch auf die an anderer Stelle geregelte Jahresremuneration. Wenn auch im Allgemeinen der Begriff des Entgelts auf dem Gebiet des Arbeitsrechts weit auszulegen ist (RIS-Justiz RS0030847) und auch bereits ausgesprochen wurde, dass der Begriff des "vertraglichen Lohns" nach dem offenkundigen Regelungszweck des dort anzuwendenden Kollektivvertrags für Kleidermacher alle Leistungen des Arbeitgebers umfasse, die im Sinn des herrschenden Sprachgebrauchs zum "Arbeitsentgelt" gehören (ArbSlg 10.308), bringt doch die von den Kollektivvertragsparteien gewählte Regelungstechnik unter Beachtung der gebotenen restriktiven Auslegung von Verfallsbestimmungen für den jeweiligen Anwender klar zum Ausdruck, dass nur die in Punkt 6. des Kollektivvertrags behandelten Lohnansprüche, somit jene auf laufendes Entgelt, von der Verfallsbestimmung betroffen sein sollen.

Der Revision ist Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 43 Abs 2 ZPO. Da der Kläger nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruches, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht verursacht hat, unterlegen ist, sind ihm die gesamten Kosten auf der Basis des ersiegten Betrages zuzusprechen.

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