OGH 8ObA17/16g

OGH8ObA17/16g29.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhold Hohengartner und Robert Hauser in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. A***** T*****, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christine Ulm, Rechtsanwältin in Graz, wegen Feststellung (Versetzung), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 14. Jänner 2016, GZ 7 Ra 69/15v‑28, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00017.16G.0329.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die behaupteten Verfahrensmängel liegen ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.

Aus der Beurteilung des Berufungsgerichts geht ausreichend klar hervor (arg: eines Verhaltens schuldig gemacht hätte), dass das Berufungsgericht dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Kollegium keine mangelnde Loyalität gegenüber der Beklagten vorwirft. Zur Begründung führt das Berufungsgericht aus, die Beklagte habe nicht vorgebracht, dass der Kläger nach der Entscheidung im Kollegium (in Bezug auf die Umsetzung des Projekts „Schaffung von Departments“) den Interessen der Beklagten entgegenstehende konkrete Maßnahmen gesetzt habe, aus denen eine Unvereinbarkeit abzuleiten sei.

Abgesehen davon, dass im gegebenen Zusammenhang somit kein Begründungsmangel vorliegt, kann die Beklagte ‑ auf der Grundlage ihres erstinstanzlichen Vorbringens ‑ auch in der außerordentlichen Revision keinen Loyalitätsverlust des Klägers schlüssig darstellen. Der Verweis auf Urkunden und Beweisergebnisse vermag fehlendes Prozessvorbringen nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0037915; 8 ObA 55/15v).

1.2 Ein Erörterungsmangel ist ebenfalls nicht gegeben. Zur Dienstfreistellung des Klägers hat die Beklagte vorgebracht, der Kläger habe bei Kollegiumsmitgliedern gegen die Weiterführung des erwähnten Projekts Stimmung gemacht. Das Kollegium habe sich jedoch gegen eine Aufschiebung des Projekts entschieden. Im weiteren Vorbringen hat sich die Beklagte sodann auch auf die Umsetzung des Projekts bezogen. Danach habe man es schlichtweg für unmöglich gehalten, dass jemand, der am Vortag gegen ein Projekt gestimmt habe, am nächsten Tag dieses Projekt mit vollem Eifer vorantreibe.

Ausgehend von diesen Ausführungen hat die Beklagte die Bedeutung des konkreten Verhaltens des Klägers nach der Abstimmung im Kollegium gerade nicht übersehen. Allerdings konnte sie dem Kläger kein konkretes Fehlverhalten in Bezug auf die Umsetzung des erwähnten Projekts vorwerfen.

Davon abgesehen wäre das Gericht auch nicht zur Erörterung eines Vorbringens gezwungen, dessen Ergänzungsbedürftigkeit bereits der Prozessgegner aufgezeigt hat (8 ObA 20/14w; 8 Ob 16/14g). In diesem Sinn hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren etwa vorgebracht, dass er seine Arbeit in der Personal- und Rechtsabteilung immer zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten erledigt habe. Es entspreche nicht den Tatsachen, dass er im Kollegium gegen die Geschäftsführung gearbeitet habe. Er habe auch niemals Stimmung gegen Projekte der Beklagten bzw deren Geschäftsführung gemacht.

1.3 Zum angeblichen Verschulden des Klägers an seiner Dienstfreistellung liegen auch keine sekundären Feststellungsmängel vor. Ein solcher Mangel wäre nur dann denkbar, wenn die begehrten Feststellungen von einem konkreten Tatsachenvorbringen der Beklagten erfasst wären (8 ObA 68/14d; 8 Ob 126/12f).

2.1 Zur Rechtsfrage, ob eine Versetzung des Dienstnehmers im Sinn einer Änderung des Tätigkeitsbereichs und/oder des Dienstorts zulässig ist, hat das Berufungsgericht zutreffend zwischen der arbeitsvertraglichen Sichtweise einerseits und der betriebsverfassungsrechtlichen Sichtweise nach § 101 ArbVG andererseits unterschieden. Der angefochtenen Entscheidung liegt eine arbeitsvertragliche Beurteilung zugrunde. Dementsprechend gelangte das Berufungsgericht hinsichtlich der Feststellungsbegehren, denen stattgegeben wurde (Ausmaß der Lehrtätigkeit und Lehrtätigkeit am Standort K*****), zum Ergebnis, dass die Änderungen laut der inkriminierten Weisung vom 10. 2. 2014 im Dienstvertrag des Klägers keine Deckung finden.

2.2 Die Beklagte führt in der außerordentlichen Revision im Wesentlichen aus, in der Rechtsprechung sei nicht geklärt, ob eine Dienstfreistellung aus vom Dienstnehmer verschuldeten Gründen bei Unkündbarkeit des Dienstverhältnisses eine einseitige Änderung des Dienstvertrags zulässig mache.

2.3 Allgemein ist aus arbeitsvertraglicher Sicht entscheidend, ob die Anordnung (Weisung) des Dienstgebers über einen Wechsel des Tätigkeitsbereichs oder des Tätigkeitsorts des Dienstnehmers durch den Inhalt des Arbeitsvertrags gedeckt ist oder sich aus vereinbarten Gestaltungsvorbehalten ergibt (9 ObA 120/04v; 9 ObA 51/07a). Bei einem unkündbaren Dienstverhältnis werden nach der Rechtsprechung die Grenzen für eine mögliche Versetzung weiter gezogen und dem Dienstgeber eine weitergehende Dispositionsmöglichkeit eingeräumt (9 ObA 51/07a; 8 ObA 14/12k). In allen Fällen kann die Frage, ob eine arbeitsvertraglich zulässige Versetzung vorliegt, aber nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls im Weg der Vertragsauslegung geklärt werden, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage in der Regel nicht vorliegt.

2.4 Im Anlassfall bestreitet die Beklagte nicht, dass die inkriminierte Weisung vom 10. 2. 2014 in Bezug auf das Ausmaß der Lehrtätigkeit des Klägers von 15,9 Semester-Wochenstunden eine einseitige Vertragsänderung begründet, die Weisung also nicht vom Dienstvertrag gedeckt ist. Sie beruft sich allerdings auf die ausnahmsweise Zulässigkeit einer vertragsändernden Versetzung nach Maßgabe der Entscheidung zu 8 ObA 211/95.

2.5 Die zitierte Entscheidung war von der Überlegung getragen, dass der dortige Kläger für eine Verwendung in seiner früheren (erschlichenen) Funktion unfähig war. Dazu wurde ausgesprochen, dass eine vertragsändernde Versetzung grundsätzlich der Zustimmung des betroffenen Dienstnehmers bedürfe. Stimme dieser nicht zu, so könne der Dienstgeber nur mit einer Änderungskündigung vorgehen.

Da der Kläger im Vergleichsfall unkündbar war, gelangte der Oberste Gerichtshof zu einer Mittellösung, die er auf konkrete Bestimmungen des anwendbaren Kollektivvertrags stützte. Danach konnte der dortige Kläger aus einem für den Dienstgeber wichtigen Grund, nämlich wegen Unfähigkeit des Dienstnehmers zur Ausübung der bisherigen Funktion, auf anderweitige, dem Dienstnehmer billigerweise zumutbare Dienste versetzt werden.

2.6 Selbst bei einer Verallgemeinerung dieser Grundsätze ohne Rücksicht auf den konkret anwendbaren Kollektivvertrag wäre bei einem unkündbaren Dienstverhältnis ein wichtiger Grund des Dienstgebers, der mit der Unfähigkeit zur Ausübung der bisherigen Funktion vergleichbar sein müsste, erforderlich.

Die Beklagte bezieht den (nach ihrer Ansicht offenbar vergleichbaren) wichtigen Grund auf ein Verschulden des Klägers an seiner Dienstfreistellung wegen mangelnder Loyalität. Auf einen solchen Verschuldensvorwurf kann sich die Beklagte allerdings nicht berufen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte die behauptete mangelnde Loyalität des Klägers aus seinem Stimmverhalten im (weisungsfreien) Kollegium ableite und sich allein daraus eine Unvereinbarkeit nicht ergebe, erweist sich ‑ ausgehend vom bereits ausführlich dargestellten erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten ‑ als nicht korrekturbedürftig.

3.1 Zum Begehren in Bezug auf den Standort K***** führt die Beklagte in der außerordentlichen Revision aus, dass der Kläger schon bisher regelmäßig Lehrveranstaltungen und Prüfungen in K***** abgehalten habe. Mit der inkriminierten Weisung sei dem Kläger keine vermehrte Abhaltung von Lehrveranstaltungen am genannten Standort aufgetragen worden. Außerdem fehle es für dieses Begehren am Feststellungsinteresse, weil es keinen aktuellen Anlass gebe, der eine gerichtliche Entscheidung zur Gefährdung des Klägers rechtfertige.

3.2 Der ‑ ausgehend von den Feststellungen nicht korrekturbedürftigen ‑ Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Großteil der mit der inkriminierten Weisung angeordneten Lehrtätigkeit bzw im Prinzip mehr als die Hälfte dieser Lehrtätigkeit den Standort K***** betreffe, tritt die Beklagte nicht mit inhaltlichen Überlegungen entgegen. Sie vermag auch nicht näher zu begründen, warum es dem Kläger im Hinblick auf das hier in Rede stehende Begehren am Feststellungsinteresse fehlen soll. Die Ernsthaftigkeit ihrer Weisung stellt die Beklagte nicht in Abrede.

4. Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte