OGH 9ObA120/04v

OGH9ObA120/04v2.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. F***** B*****, Tiefbautechniker, *****, vertreten durch Dr. Eva Schneider, Rechtsanwältin in Bludenz, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde N*****, vertreten durch Dr. Amann ua, Rechtsanwälte in Rankweil, wegen EUR 40.485,52 brutto sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Oktober 2004, GZ 15 Ra 96/04m-37, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber erblickt eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darin, dass das Berufungsgericht zu Unrecht vom Vorliegen einer konkludenten Änderung des Tätigkeitsbereiches des Klägers ausgegangen sei. Das bloße sich Fügen in eine neue Beschäftigung genüge nicht, um eine konkludente Handlung anzunehmen (Arb 7658); der Kläger könne weiterhin das bisherige Entgelt verlangen (Arb 7389). Es sei zwar richtig, dass die Frage der Konkludenz eines Verhaltens „an und für sich" keine Rechtsfrage von besonderer Bedeutung sei; hier sei jedoch das Berufungsgericht zu einem unvertretbaren Auslegungsergebnis gelangt, das der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes widerspreche.

Der Revisionswerber missversteht die Ausführungen des Berufungsgerichtes. Dieses setzte sich zwar in Erörterung der erstgerichtlichen rechtlichen Beurteilung auch mit der Frage auseinander, ob der Tätigkeitsbereich des Klägers ab 5. 10. 2000 konkludent geändert worden sei; hierauf kommt es jedoch nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichtes gar nicht an. Dieses ging nämlich davon aus, dass der Tätigkeitsbereich des Klägers auf Grund einer direktionalen Weisung der Beklagten als Arbeitgeberin im Rahmen des bestehenden Arbeitsvertrages eingeschränkt worden sei, sodass es der (konkludenten) Zustimmung des Klägers gar nicht bedurft habe. Es kommt daher auch nicht auf die vom Revisionswerber zitierte Rechtsprechung an.

Rein arbeitsvertraglich - nur darum geht es im vorliegenden Verfahren - stellt der Begriff „Versetzung" keinen eigenen Anknüpfungspunkt dar. Entscheidend ist nur die Frage, ob die Anordnung des Arbeitgebers (Weisung) über den Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers durch den Inhalt des Arbeitsvertrages gedeckt ist (9 ObA 171-173/94 = ZAS 1995/10 [Tomandl]; 9 ObA 255/99m; 8 ObA 81/04a; RIS-Justiz RS0029509 ua), ob sich also die Anordnung im Rahmen der sich aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag (unter Berücksichtigung der einschlägigen Regelungen) ergebenden Weisungsbefugnis bewegt (Kuras, ZAS 2003, 100 [102]). Innerhalb des Arbeitsvertrages können Versetzungen einseitig, dh ohne Zustimmung des Arbeitnehmers, im Rahmen des Direktionsrechtes durch den Arbeitgeber vorgenommen werden (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 252; Brodil in Mazal/Risak, Arbeitsrecht, Kap X Rz 69; Germ/Spenling, Versetzungsschutz im privaten Arbeitsrecht und im öffentlichen Dienstrecht - ein Vergleich, in FS Bauer/Maier/Petrag 189 [191] ua). Fällt der „neue Arbeitsplatz" in den vom Arbeitnehmer arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeitsbereich, ist der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet, einer „Versetzungsanordnung" des Arbeitgebers Folge zu leisten. Werden hingegen die Grenzen des Arbeitsvertrages überschritten, kann die Änderung des Tätigkeitsbereiches nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer erfolgen (Kuras aaO 103).

Ob die Änderung des Tätigkeitsbereiches durch den Arbeitsvertrag gedeckt ist, ist im Wege der Vertragsauslegung zu beurteilen (Germ/Spenling aaO 191; 8 ObA 81/04a ua). Bei der Feststellung des als vereinbart anzusehenden Tätigkeitsbereiches ist nicht nur die tatsächliche Verwendung ausschlaggebend (Kuras aaO 103; 9 Ob A 133/94 ua). Aus der bloßen Tatsache der längeren Verwendung des Arbeitnehmers an einem bestimmten Arbeitsplatz kann nämlich für sich allein noch nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass sich der auf diese Weise als vereinbart anzusehende Aufgabenkreis des Arbeitnehmers auf diese zuletzt ausgeübte Tätigkeit beschränkt habe (Germ/Spenling aaO 191; 8 ObA 81/04a; RIS-Justiz RS0029509 ua). Insbesondere bei unkündbaren (definitiven) Arbeitsverhältnissen (vgl im Fall des Klägers den Kündigungsschutz nach § 135 Vbg Gemeindebedienstetengesetz, LGBl 49/1988, und § 8 BEinstG) legt die Rechtsprechung den Umfang der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers weiter aus. Dies ist gerechtfertigt, weil auch der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw der Definitivstellung redlicherweise nicht damit rechnen konnte, dass er bei einer Änderung der Umstände ein arbeitsloses Einkommen beziehen werde (Kuras aaO 103; Germ/Spenling aaO 191; 9 ObA 171-173/94 = ZAS 1995/10 [Tomandl]; 9 ObA 233/94; RIS-Justiz RS0029509 ua). Letztlich entziehen sich aber Auslegungsfragen zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen generellen Aussagen. Sie begründen daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt, die vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS-Justiz RS0044358 ua).

Von einem unvertretbaren Auslegungsergebnis des Berufungsgerichtes kann hier keine Rede sein, konnte es sich doch ua auf die Feststellungen stützen, dass der Kläger im Jahr 1992 ohne Beschränkung auf eine bestimmte Tätigkeit als Tiefbautechniker im Bauamt der Beklagten aufgenommen worden war und dass die GIS-Betreuung (GIS = Geografisches Informationssystem), die der Kläger seit seinem schweren privaten Motorradunfall vom 7. 8. 1998 und zwei Krankenständen in der Gesamtdauer von ca 19 Monaten schwerpunktmäßig verrichtet, auch schon vor seinem Unfall rund 30 % seiner Tätigkeit ausmachte und vom Kläger seit ihrer Einführung im Jahr 1995 selbst erarbeitet worden war. Dass die Beklagte nach diesem Unfall Tätigkeiten aus dem Tiefbaubereich, die zufolge langer Krankenstände des Klägers vakant waren, wegen des großen Arbeitsanfalles und der Unsicherheit, was mit dem Kläger gesundheitlich sein werde, an einen neu eingestellten Tiefbautechniker vergeben hat (zB Projektleitung, Bauaufsicht, Verhandlungen etc), entbehrt nicht sachlicher Gründe; auch, dass diese Tätigkeiten nach fast zweijähriger Abwesenheit nicht automatisch an den Kläger „zurückfielen", sondern ihn die Beklagte seit seiner Rückkehr mit jenen freien Tätigkeiten aus dem Tiefbaubereich betraute, deren er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten ohnehin auch von selbst annahm, also insbesondere der genannten GIS-Betreuung, ist aus den konkreten Gegebenheiten erklärbar. Ab April 2002 übernahm der Kläger auch wieder die Berechnung von Kanal- und Wasseranschlussgebühren sowie Schlussüberprüfungen bei Bauvorhaben. Diese dazugekommenen Tätigkeiten nehmen zeitlich schwankend rund ein Viertel der Arbeitszeit des Klägers in Anspruch. Bei der Änderung des Tätigkeitsbereiches gegenüber der Situation vor dem Unfall war zu berücksichtigen, dass der Kläger seit seinem Unfall an einer weitgehenden Lähmung des gesamten rechten Armes leidet, der dadurch fast gebrauchsunfähig ist, seit 1. 1. 1999 Landespflegegeld, zunächst der Stufe 2, seit 1. 9. 1999 der Stufe 1 bezieht, seit 21. 1. 1999 mit einem Grad der Behinderung von 80 % dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört und in der Zeit von Mai 1999 bis August 2002 über keine Lenkerberechtigung verfügte. Es wären ihm inzwischen zwar auch wieder die anderen früheren Tätigkeiten möglich, allerdings nur mit einer „Verlangsamung von einem Drittel". Die auf den konkreten Umständen des Einzelfalles beruhende Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass die erfolgte schwerpunktmäßige Einschränkung des Tätigkeitsbereiches des Klägers nach seinem schweren Unfall arbeitsvertraglich gedeckt sei, stellt sich vor diesem Hintergrund als durchaus vertretbare, nicht korrekturbedürftige Beurteilung dar, die keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet.

Der Wegfall der Mehrleistungsvergütung und der Verwendungszulage ist in § 16 Abs 5 Vbg Gemeindebediensteten-Nebenbezügeverordnung, LGBl 15/1980, begründet. Danach sind Nebenbezüge neu zu bemessen, wenn wesentliche Änderungen in den für die Bemessung maßgebenden Tatsachen eintreten. Der Kläger erbringt seit dem Unfall weder für die Gewährung einer Mehrleistungsvergütung erforderliche Leistungen in der normalen Arbeitszeit, die erheblich über das vom Gemeindebediensteten auf Grund seiner dienstrechtlichen Stellung zu erwartende Ausmaß hinausgehen (§ 72 Abs 1 lit b Vbg Gemeindebedienstetengesetz), noch ist seine Verwendung mit dem für eine Verwendungszulage erforderlichen besonderen Ausmaß an Verantwortung für die Führung der Geschäfte der allgemeinen Verwaltung verbunden (§ 72 Abs 1 lit c Vbg Gemeindebedienstetengesetz). Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird auch insoweit vom Revisionswerber nicht aufgezeigt.

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