OGH 9ObA233/94

OGH9ObA233/9425.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger und Dr. Heinz Nagelreiter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Robert T*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr.Helga Hofbauer-Goldmann, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, Dr.Karl-Renner-Promenade 14, 3100 St.Pölten, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchrahm und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 28.503,-- brutto zuzüglich S 23.183,-- netto sA und Feststellung (Streitwert S 51.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.Mai 1994, GZ 34 Ra 14/94-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.Mai 1993, GZ 4 Cga 78/93f-18, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden teilweise dahingehend abgeändert, daß sie insgesamt zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 16.542,-- brutto zuzüglich S 23.183,-- netto samt 4 % Zinsen aus S 4.983,-- brutto ab 1.5.1992, aus S 6.126,-- brutto ab 17.11.1992 und aus S 5.823,-- brutto ab 7.4.1993 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Es wird festgestellt, daß die gegen den Kläger verhängte Disziplinarstrafe rechtswidrig und die Versetzung des Klägers in den Innendienst rechtsunwirksam ist.

Hingegen wird das Klagemehrbegehren auf Zahlung von S 11.528,-- brutto sA und das Feststellungsbegehren, daß der Kläger weiterhin als Prüfer im Außendienst einzusetzen ist, abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger an Verfahrenskosten erster Instanz S 1.158,40 (Barauslagen), an Verfahrenskosten zweiter Instanz S 17,60 (Barauslagen) und an Verfahrenskosten dritter Instanz S 3.346,20 (hievon S 557,70 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der seit 1988 unkündbare Kläger ist seit 1.2.1977 bei der beklagten Partei angestellt. Er war zunächst in der gemeinsamen Verrechnungsstelle im Innendienst tätig und wurde dann als Feststeller und Prüfer im Außendienst in Gehaltsgruppe C, Dienstklasse III eingereiht. Ab 1.12.1988 bezieht er ein Überstundenpauschale auf der Basis von 10 Überstunden pro Monat sowie eine Außendienstzulage gegen jederzeitigen Widerruf. Am 1.7.1991 kam es zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und Doris D*****, (seiner nunmehrigen Lebensgefährtin) in deren von der Beklagten gemieteten Wohnung. Der Kläger bat um die Aushändigung seines Videorecorders. Dies lehnte Frau D***** ab. Im immer heftiger werdenden Streit beschimpften sie einander, wobei sie erklärte, daß sie vorher den Videorecorder aus dem Fester werfe, bevor sie ihn dem Kläger aushändige. Der Streit wurde noch heftiger. Im Zuge des Hin und Her fiel der Videorecorder aus dem Fenster in den Hof. Bereits 1985 war es in einer Diskothek zu Handgreiflichkeiten mit Sachbeschädigungen und Körperverletzung gekommen. Der Kläger wurde damals strafgerichtlich verurteilt. Im Anschluß daran wurde mit dem Kläger ein Aktenvermerk angefertigt, daß er bei den geringsten Vorkommnissen mit einer Auflösung des Dienstverhältnisses zu rechnen hätte. Die Beklagte hegte nach dem Vorfall mit der Lebengefährtin des Klägers die Befürchtung, daß der Kläger im Außendienst unter Umständen in aggressiver Weise tätig sein könnte. Er wurde daher in die Vertragspartnerkontrolle in den Innendienst versetzt und über ihn eine Disziplinarstrafe in der Höhe von einem Monatsentgelt verhängt. Mit 21.10.1991 wurde der Kläger in die gemeinsame Verrechnungsstelle versetzt. In der Vertragspartnerkontrolle gab es keine weitere Möglichkeit, den Kläger zu beschäftigen. Während der Betriebsrat der Verhängung der Disziplinarstrafe in der Höhe eines Monatsbezuges nach Abstandnahme von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens zustimmte, brachte er zum Ausdruck, daß eine Versetzung in den Innendienst eine nicht gerechtfertigte finanzielle Schlechterstellung des Klägers darstelle und in der privaten Auseinandersetzung mit seiner Lebensgefährtin keine Begründung hätte. Nach Versetzung des Klägers in den Innendienst wurde das Überstundenpauschale und die Außendienstzulage gestrichen. Der Grundbezug blieb gleich. Der Kläger erhält jedoch seither eine Erschwerniszulage. Bei Tätigkeit im Außendienst hätte der Kläger in der Zeit von Juli 1991 bis April 1993 S 620.377,-- verdient. Im Innendienst bezog er während dieser Zeit S 603.835,--.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger den Differenzbetrag von S 16.542,-- sowie das als Disziplinarstrafe einbehaltene Entgelt in der Höhe von S 23.183,-- netto sA zu bezahlen und stellte fest, daß die verhängte Disziplinarstrafe rechtswidrig, die Versetzung des Klägers in den Innendienst rechtsunwirksam und der Kläge weiterhin als Prüfer im Außendienst einzusetzen sei.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß auch bei Feststellung, daß der Kläger den Videorecorder aus dem Fester geworfen hätte, kein grober Verstoß gegen die Dienstpflichten vorliege. Die Voraussetzung für eine Disziplinarverfügung gemäß § 115 DO.A sei ohne Durchführung eines Disziplinarverfahrens nicht gegeben. Da der Betriebsrat der Versetzung nicht zugestimmt habe, sei zu prüfen, ob eine Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen vorliege. Im Innendienst würden die dem Kläger in Form des Überstundenpauschales regelmäßig zu bezahlenden Überstunden nicht anfallen. Die Versetzung in den Innendienst bewirke eine Verschlechterung des Sozialprestige, weil der Dienstposten nunmehr der Gehaltsgruppe C, Dienstklasse 2 angehöre und sohin minderwertiger sei. Die im Innendienst gewährte höhere Erschwerniszulage könne nicht die mit der Versetzung verbundenen Verschlechterungen ausgleichen, so daß die Versetzung infolge des Fehlens der Zustimmung des Betriebsrates rechtsunwirksam sei. Der Kläger wäre so zu stellen, als ob er nicht versetzt worden wäre.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Die Beklagte habe nicht von einem klaren und eindeutigen Geständnis des Klägers ausgehen können, so daß die Voraussetzungen des § 115 DO.A zur Erlassung einer Disziplinarverfügung nicht gegeben gewesen wären. Ob eine Verschlechterung des Sozialprestige durch die Versetzung in den Innendienst eingetreten sei, könne dahingestellt bleiben, weil jedenfalls eine finanzielle Verschlechterung evident sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur im Ergebnis und nur teilweise berechtigt.

Die Verletzung der Verpflichtung zu einem tadellosen Verhalten in und außer Dienst (§ 8 Abs 4 DO.A) begründet nur dann ein Dienstvergehen, wenn ein grober Verstoß gegen die Dienstpflichten, das Ansehen oder die Interessen des Versicherungsträgers oder der Versicherten, ihrer Angehörigen oder Dienstgeber vorliegt (§ 104 Abs 2 Z 1 DO.A). Eine rein private Auseinandersetzung des Klägers mit seiner nunmehrigen Lebensgefährtin, auch wenn sie Mieterin und Angestellte der Beklagten ist, in ihrer Wohnung, in deren Verlauf ein Videorecorder aus dem Fenster fiel, läßt mangels jeglichen Zusammenhanges mit den dienstlichen Interessen der Beklagten keinen Rückschluß auf eine grobe Verletzung von Dienstpflichten erkennen. Mangels eines Dienstvergehens war unabhängig, ob und was der Kläger zugestand und ob er bereits 1985 eine andere Ordnungswidrigkeit begangen hat, die Verhängung einer Disziplinarstrafe nach § 107 Abs 2 Z 1 DO.A iVm § 115 DO.A unzulässig.

Für die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versetzung macht es keinen Unterschied, ob sie direktorial oder vertragsändernd erfolgt (Arb 10.472, 9 Ob A 171-173/94). Ist die dauernde Einreihung eines Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz mit einer Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden, bedarf sie gemäß § 101 ArbVG zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrates (Arb 10.472, 10.500, DRdA 1993/56 [Trost] mwN = WBl 1993, 258 = EvBl 1993/201, 9 Ob A 171-173/94, 8 Ob A 239/94), die hier nicht vorliegt. Eine Versetzung ist dann verschlechternd, wenn nur eines der beiden Kriterien des § 101 ArbVG (Entgelt- oder sonstige Arbeitsbedingungen) vorliegt, wenn also der Arbeitnehmer nach der Versetzung weniger verdient als vorher (Floretta-Strasser HdKommzArbVG2, 591; Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz ArbVG III 163). Nicht nur die Entgelthöhe sondern auch die Entgeltbedingungen sind zur Beurteilung, ob eine verschlechternde Versetzung vorliegt, maßgeblich (Schrammel, Die Verschlechterung der Entgelt- und sonstigen Arbeitsbedingungen beim Versetzungsschutz, ZAS 1978, 203 [205]). Ein Vergleich der Situation des Arbeitnehmers vor der Versetzung mit der Lage nach der Versetzung ist anzustellen (Floretta-Strasser aaO, 591).

Wurde auch der Nachteil des Wegfalls der Außendienstzulage durch die höhere Erschwerniszulage im Innendienst ausgeglichen, so ist das Überstundenpauschale für 10 Überstunden jedoch weggefallen. Die Eigenart einer Pauschalvereinbarung von Überstundenentgelt besteht darin, daß unter Ersparung von Aufzeichnung und Diskussionen über die tatsächliche Leistung der Mehrarbeit ein bestimmter Stundensatz als Überstundenentgelt unabhängig von einem Leistungsnachweis bezahlt wird (Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 103, Grillberger AZG, 82; Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht3 I 192). Die Bezahlung der darüber hinausgehenden nicht pauschal abgegoltenen und geleisteten Überstunden kann jedoch begehrt werden (Arb 10.451). Daraus erklärt sich schon der Nachteil des Klägers durch den Wegfall des Überstundenpauschales und die dadurch erfolgte Verschlechterung der Entgeltbedingungen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß der Kläger sich durch den Wegfall des Überstundenpauschales die Leistung von 10 Überstunden erspart, weil auch ohne Leistung dieser Überstunden der Anspruch auf ihre Bezahlung regelmäßig und monatlich bestanden hätte.

Die Revisionswerberin behauptet selbst, daß der Kläger im Beobachtungszeitraum nach der Versetzung in den Innendienst 51 Überstunden geleistet hat und dafür bezahlt wurde. Dies bestätigt die Meinung der Vorinstanzen, daß eine verschlechternde Versetzung vorliegt, weil bei Beibehaltung des Überstundenpauschales bis zu dem herangezogenen Vergleichszeitpunkt April 1992 (Klageeinbringung, Beilage ./6) Anspruch auf Bezahlung von mehr als 51 Überstunden bestanden hätte. Da die höhere Erschwerniszulage als solche den Wegfall des Überstundenpauschales samt Außendienstzulage nicht ausgleicht, kommt es nicht darauf an, daß in einzelnen Monaten aufgrund eines besonderen Bedarfes das Überstundenpauschale übersteigende Überstunden anfielen, weil die Entgeltbedingungen durch Wegfall des monatlich und regelmäßigen Anspruches auf Überstundenentgelt für 10 Überstunden unabhängig von einem Leistungsnachweis verschlechtert worden sind.

Da der Betriebsrat der verschlechternden Versetzung nicht zugestimmt hat, ist sie unwirksam. Es braucht nicht mehr darauf Bedacht genommen zu werden, ob auch eine vertragsändernde Versetzung vorliegt und ob die Beklagte zum Widerruf des Überstundenpauschales berechtigt gewesen wäre.

Aus der bloßen Tatsache einer längeren Verwendung des Arbeitnehmers an einem bestimmten Arbeitsplatz, ohne daß dies Inhalt des Arbeitsvertrages geworden wäre, wofür im vorliegenden Fall jeglicher Hinweis fehlt, kann noch nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß der Aufgabenkreis des Arbeitnehmers sich nunmehr allein auf diese Arbeiten beschränkt (Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser aaO I, 128; Arb 8451; 9 Ob A 171-173/94). Gerade bei unkündbaren Arbeitnehmern darf das Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich der Verwendung des Arbeitnehmers nicht zu eng begrenzt werden, weil der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht damit rechnen durfte, daß er bei einer Änderung der Umstände ein arbeitsloses Einkommen beziehen werde (Arb 8451; DRdA 1993/43 [Mosler]; DRdA 1993/56 [Trost], 9 Ob A 171-173/94). Ein Anspruch des Klägers auf die Verwendung als Prüfer im Außendienst besteht daher nicht.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO. Ein Anspruch auf Aufwandsersatz nach § 58a ASGG besteht nicht, weil die Klage vor dem 31.12.1992 bei Gericht eingelangt ist (Art III § 2 des Aufwandersatzgesetzes).

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