OGH 8ObA16/12d

OGH8ObA16/12d13.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Dr. Robert Schneider und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat des K*****, vertreten durch Dr. Gernot Murko, Mag. Christian Bauer, Mag. Gerlinde Murko, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei Land Kärnten, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Arnulfplatz 1, vertreten durch Dr. Robert Kugler, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Feststellung (Streitwert: 34.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Dezember 2011, GZ 6 Ra 83/11i-14, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. September 2011, GZ 31 Cga 110/11x-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.891,44 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 315,24 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Arbeitgeberin der im K***** beschäftigten Ärzte. Unstrittig kommt dem klagenden Betriebsrat die Aktivlegitimation für die auf § 54 Abs 1 ASGG gestützte Feststellungsklage zu und sind von der im Verfahren geltend gemachten Entlohnungsfrage mehr als drei Arbeitnehmer betroffen.

Auf die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Ärzte ist das Kärntner-Landesvertragsbedienstetengesetz 1994 (K-LVBG) anwendbar. Sämtliche Ärzte, die auf Abteilungen mit Nachtdiensten tätig sind, leisten regelmäßig über die vorgesehene Dienstzeit hinaus Überstunden, die auch als solche von der Beklagten vergütet werden. Die durchschnittliche Überstundenentlohnung findet bei der Ausmessung des Urlaubsentgelts keine Berücksichtigung.

Der klagende Betriebsrat begehrt gemäß § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung, dass die Beklagte den regelmäßig Nachtdienste verrichtenden Ärzten auch während deren Erholungsurlaubs zur Bezahlung des für die üblicherweise geleisteten Nachtdienste anfallenden durchschnittlichen Entgelts verpflichtet sei. Das K-LVBG enthalte keine Regelungen über das Urlaubsentgelt, sodass ungeachtet der bestehenden Landeskompetenz insofern das allgemeine Zivil- und Arbeitsvertragsrecht des Bundes zur Anwendung gelange. Gemäß § 6 UrlG seien nach dem fiktiven Ausfallsprinzip die regelmäßig geleisteten Überstunden bei der Bemessung des Urlaubsentgelts zu berücksichtigen. Selbst wenn diese Bestimmung nicht anwendbar wäre, ergäbe sich gemäß § 1154b Abs 5 ABGB das selbe Ergebnis.

Dagegen wandte die Beklagte insbesondere ein, dass die Regelungen des Urlaubsgesetzes gemäß § 1 Abs 2 Z 3 UrlG auf Landesbedienstete nicht anzuwenden seien. Bei der Überstundengebühr handle es sich um eine Nebengebühr. Nebengebühren seien nicht Entgelt im Sinn des vom K-LVBG geregelten Entgeltbegriffs, der ebenso wie jener des VBG 1948 nicht die gesamte Entlohnung des Vertragsbediensteten umfasse. Da das K-LVBG umfassende Entgeltregelungen enthalte, liege auch keine planwidrige Lücke vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das K-LVBG enthalte keine Bestimmungen darüber, welche Bezüge Vertragsbediensteten während des Urlaubs zustünden. Würden Überstunden einzeln abgegolten, so werde das dafür durchschnittlich bezahlte Entgelt bei der Bemessung des Urlaubsentgelts nach dem K-LVBG nicht berücksichtigt. Anders sei dies jedoch, wenn die Beklagte die geleisteten Überstunden gemäß §§ 47 K-LVBG, 151 Abs 1 und 5 Kärntner-Dienstrechtsgesetz 1994 (K-DRG) in pauschalierter Form abgelten würde. Da dies aber nicht geschehe, liege in Bezug auf die Bemessung des Urlaubsentgelts eine Regelungslücke vor. § 6 UrlG sei daher analog anzuwenden, sodass die regelmäßig geleisteten Überstunden bei der Bemessung des Urlaubsentgelts zu berücksichtigen seien.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Auf die Dienstverhältnisse der betroffenen Ärzte sei das K-LVBG anzuwenden, das keine ausdrückliche Regelung über Berechnung und Ausmaß des Urlaubsentgelts enthalte. Dies habe jedoch nicht zur Folge, dass § 6 UrlG anwendbar sei. Der Begriff des „Bezugs“ in § 29 Abs 1 K-LVBG umfasse ausschließlich das Monatsentgelt und einige konkret genannte Zulagen. Dazu zähle nicht die Überstundenvergütung, bei der es sich grundsätzlich um eine Nebengebühr handle. § 29 K-LVBG entspreche im Wesentlichen § 8a VBG 1948 und normiere wie diese Bestimmung keinen Begriff des Monatsentgelts, der als ein die gesamte Entlohnung umfassender Oberbegriff anzusehen wäre. Das K-LVBG unterscheide ebenso wie das VBG 1948 auch das Monatsentgelt und die Abgeltung von Überstunden (Mehrdienst). Die für konkrete Leistungen bezogene Überstundenvergütung sei daher nicht in die Berechnungsgrundlage für das Urlaubsentgelt einzubeziehen. Daran ändere auch nichts, dass unter bestimmten - hier gar nicht behaupteten - Voraussetzungen eine Pauschalierung von Nebengebühren gemäß § 151 Abs 5 K-DRG möglich sei.

Das Dienstrecht für die Bediensteten der Länder falle gemäß Art 21 Abs 1 B-VG in die Kompetenz der Länder. Das Urlaubsgesetz sei gemäß § 1 Abs 2 Z 3 UrlG für Dienstverhältnisse zu einem Land nicht anwendbar. Nur in Fällen, in denen das VBG 1948 als lex contractus zum Vertragsinhalt von Einzelarbeitsverträgen geworden sei, habe der Oberste Gerichtshof die Anwendbarkeit des § 6 UrlG bejaht. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor. Im Vertragsbedienstetenrecht müsse ein Entgeltanspruch seine Grundlage im Gesetz haben, der Vertragsbedienstete könne sich weder auf mündliche noch auf schlüssige Vereinbarungen berufen. Das Vorliegen eines Sondervertrags sei hier gar nicht behauptet worden. Nicht nur aus § 29 Abs 1 K-LVBG, sondern auch aus anderen Regelungen dieses Gesetzes über die Urlaubsentschädigung (§ 69 K-LVBG), die Bemessung der Abfertigung (§ 83 Abs 5 K-LVBG) oder die Ansprüche bei Dienstverhinderung (§ 58 Abs 1 K-LVBG) ergebe sich jedoch, dass die Überstundenvergütung keinen Bezugsbestandteil darstelle, der in die Berechnung des während des Urlaubs zu zahlenden Bezugs einzubeziehen sei. Ausgehend davon fehle es an einer planwidrigen Unvollständigkeit des K-LVBG, welche eine Geltung des § 6 UrlG im Wege der Analogie begründen könne. Daher komme dem Feststellungsbegehren keine Berechtigung zu.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Anwendbarkeit des § 6 UrlG für Vertragsbedienstete des Landes Kärnten Rechtsprechung fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Der Kläger führt auch in der Revision zusammengefasst aus, dass das K-LVBG keine Regelung über das Urlaubsentgelt enthalte, weshalb vom Vorliegen einer planwidrigen Lücke auszugehen sei. Im Weg der Analogie komme daher § 6 UrlG bzw § 1154b ABGB zur Anwendung. Es könne keinen Unterschied machen, ob Überstunden pauschaliert bezahlt würden oder entsprechend der tatsächlichen Arbeitsleistung: Sie seien in jedem Fall bei der Bemessung des Urlaubsentgelts zu berücksichtigen.

Diesen Einwänden können jedoch die zutreffenden Rechtsausführungen des Berufungsgerichts entgegengehalten werden, auf die gemäß § 510 Abs 3 ZPO verwiesen wird.

Ergänzend ist noch auszuführen:

1. Unstrittig unterliegen die Dienstverhältnisse der vom Verfahren betroffenen Ärzte dem K-LVBG. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter dem Begriff des Monatsentgelts (Bezugs) gemäß § 8a VBG 1948 nicht - wie sonst im Arbeitsrecht - ein die gesamte Entlohnung umfassender Oberbegriff zu verstehen (RIS-Justiz RS0037882), sondern wird vielmehr ein Hauptbezug samt bestimmten, im Gesetz genannten Zulagen den übrigen Entlohnungen und Nebengebühren zur Seite gestellt (RIS-Justiz RS0081487). Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass für die dem § 8a VBG 1948 weitestgehend entsprechende Bestimmung des § 29 K-LVBG nichts anderes gelten kann, ist zutreffend (vgl ebenso zu § 8a Stmk LVBG, 9 ObA 194/99s; zu §§ 7 Abs 2 und 10 NÖ GVBG, 9 ObA 275/01h; zu § 3 Wr BO, 8 ObA 58/11d). Die in § 48 K-LVBG geregelte und als Nebengebühr anzusehende (9 ObA 519/88) Überstundenvergütung ist in § 29 K-LVBG nicht genannt und daher nicht Teil des dem Vertragsbediensteten nach dieser Bestimmung gebührenden Bezugs (ebenso, zum VBG 1948, 8 ObA 188/02h).

2. Die vom Revisionswerber behauptete planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor: Das in § 6 UrlG geregelte „Ausfallsprinzip“ liegt dem K-LVBG - ebenso wie dem VBG - in dieser Form nicht zugrunde. Vielmehr enthält das K-LVBG klare Regelungen über den Bezug des Vertragsbediensteten, die allerdings das vom Kläger gewünschte Ergebnis nicht rechtfertigen können. Dass dem Landesgesetzgeber die Problematik des während des Urlaubs zu zahlenden Entgelts durchaus bewusst war, ergibt sich - wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat - überdies aus der die Urlaubsentschädigung regelnden Bestimmung des § 69 Abs 2 K-LVBG, die ebenfalls auf den Entgeltbegriff des § 29 K-LVBG Bezug nimmt (vgl 9 ObA 275/01h zu § 33a Abs 2 NÖ GVBG). Auch der Umstand, dass der Landesgesetzgeber eine Pauschalierung der Überstundenvergütung ermöglicht (§ 47 Abs 1 K-LVBG iVm § 151 Abs 1 Z 1 K-DRG 1994), wobei nach seinem Willen pauschalierte Nebengebühren durch einen Urlaub oder eine Dienstverhinderung nicht berührt werden (§ 47 Abs 1 K-LVBG iVm § 151 Abs 5 K-DRG 1994) verbietet geradezu die vom Revisionswerber gewünschte Annahme einer Gesetzeslücke.

Art 21 Abs 1 B-VG ermächtigt den Landesgesetzgeber im Bereich des Dienst-(vertrags-)rechts auch solche Regelungen zu erlassen, die vom allgemeinen Zivil- und Arbeitsrecht abweichen (Schrammel in Burgstaller/Marhold/Preyer, AngG § 3 Rz 12). Ob, wie vom Revisionswerber ausgeführt, wünschenswert wäre, dass Überstundenleistungen auch dann, wenn sie nicht pauschaliert entgolten werden, bei der Bemessung des während des Urlaubs bezahlten Entgelts berücksichtigt werden, ist von den Gerichten nicht zu beurteilen, weil sie nicht dazu berufen sind, ohne Vorliegen einer ungewollten Gesetzeslücke gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich diesem obläge (RIS-Justiz RS0008859; 8 ObA 58/11d).

3. Der der vom Revisionswerber zitierten Entscheidung 9 ObA 6/10p zugrundeliegende Sachverhalt ist mit dem nunmehr zu entscheidenden nicht vergleichbar, weil auf das Dienstverhältnis der damaligen Klägerin gerade nicht Landesrecht anzuwenden war, sondern die VBO der Stadt Linz lediglich infolge der dienstvertraglichen Vereinbarung der Parteien als Vertragsschablone zur Anwendung gelangte. Davon unterscheidet sich der konkrete Fall, in dem das K-LVBG unmittelbar auf die Dienstverhältnisse der betroffenen Ärzte anzuwenden ist. Der Landesgesetzgeber hat im K-LVBG von seiner Regelungskompetenz Gebrauch gemacht. Aus diesem Grund kommt eine Anwendung von gleichartigen bundesgesetzlichen Regelungen (wie der vom Revisionswerber ins Treffen geführten Bestimmungen des § 6 UrlG oder des § 1154b ABGB) nicht in Frage (RIS-Justiz RS0053210).

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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