Spruch:
1) Das mit Beschluss vom 27. Februar 2003, GZ 8 ObA 22/02t unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.
2) Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.150,17 (darin enthalten EUR 358,36 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Nicht konkret bestritten bzw ausdrücklich zugestanden ist folgender Sachverhalt: Der Kläger ist seit 1971 bei den ÖBB im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses beschäftigt, aber unkündbar ("Bundesbahn-Beamter"). Auf sein Dienstverhältnis kamen jedenfalls auch die einschlägigen Regelungen der Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 (BB-PO 1966) "in ihrer jeweils geltenden Fassung" zur Anwendung. Seine ruhegenussfähige Dienstzeit wurde ab dem 19. 9. 1972 anerkannt. Die BB-PO 1966 wurde von der Beklagten bzw ihren Rechtsvorgängern mehrfach mit Zustimmung der Personalvertretung novelliert. Am 31. 12. 1994 einigten sich Vorstand und Personalvertretung der Beklagten auf "Allgemeine Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB)". Diese traten mit 1. 1. 1996 in Kraft. Gemäß § 1 Abs 1 gelten die Allgemeinen Vertragsbedingungen für alle Dienstverhältnisse zu den Österreichischen Bundesbahnen. Sie finden gemäß Abs 3 in der jeweils geltenden Fassung auf das Dienstverhältnis Anwendung. Schon durch das Bundesbahngesetz 1992 (BBG), BGBl 825/1992, wurde der als Zweig der Betriebsverwaltung des Bundes gebildete Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesbahnen" Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 1 Abs 1). Gemäß § 21 BBG setzt das Unternehmen Österreichische Bundesbahnen die Rechte und Pflichten des Bundes gegenüber den aktiven Bediensteten und den Empfängern von Ruhe- und Versorgungsgenüssen fort, der Bund trägt den Pensionsaufwand (Abs 2); die Österreichischen Bundesbahnen haben an diesen monatlich einen Beitrag von 26 % des Aufwands an Aktivbezügen für Bundesbahnbeamte zur Deckung des Pensionsaufwandes zu leisten (Abs 3).
Mit 1. Oktober 2000 trat - nach Aufhebung des Pensionsreformgesetzes 2000 - das mit Pensionsreformgesetz 2001 geschaffene Bundesgesetz über die Pensionsversorgung der Beamten der Österreichischen Bundesbahnen - Bundesbahn-Pensionsgesetz (BB-PG) in Kraft. Dieses Gesetz regelt gemäß seinem § 1 Abs 1 Z 1 unter anderem die Versetzung in den dauernden Ruhestand der Angestellten der Österreichischen Bundesbahnen, für die § 67 Abs 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) gilt. Nach dem letzten Satz des Abs 1 dieser Gesetzesstelle treten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes an die Stelle bisheriger und künftiger vertraglicher Regelungen über die Versetzung in den dauernden Ruhestand und über Pensionsansprüche der in Z 1 bis 3 angeführten Personen. Gemäß § 2 Abs 1 Z 3 BB-PG sind Angestellte der Österreichischen Bundesbahnen im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 auf ihr Ansuchen von den Österreichischen Bundesbahnen in den dauernden Ruhestand zu versetzen, frühestens 18 Monate, nachdem sie die Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß erreicht haben. Mit § 54a BB-PG wurden Übergangsbestimmungen zu § 2 dergestalt geschaffen, dass für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis 30. September 2002 anstelle von 18 Monaten gestaffelte Zeiträume, beginnend mit zwei Monaten und endend mit 16 Monaten, zu treten haben.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sich der Pensionsanspruch des Klägers gegenüber der beklagten Partei weiterhin nach der Pensionsordnung 1966 in ihrer Fassung vor der im Veröffentlichungsorgan der beklagten Partei "Arbeits- und Sozialrechts-Info 4/1999" kundgemachten "27. Novelle der BB-PO 1966", "Richtlinien 57 und 58", sowie in ihrer Fassung vor dem mit BGBl I 95/2000 erlassenen Bundesbahn-Pensionsgesetz bestimme, weiters dass die mit der 27. Novelle der BB-PO 1966 sowie mit BGBl I 95/2000 (Bundesbahn-Pensionsgesetz) eingeführten neuen Regelungen nicht zum Vertragsinhalt der zwischen den Streitteilen vereinbarten Pensionszusage geworden seien bzw auf diese keine verschlechternde normative Wirkung entfalten würden. Die BB-PO sei "in ihrer jeweils geltenden Fassung" trotz ihrer Verlautbarung im Bundesgesetzblatt kein Gesetz, sondern eine ausschließlich nach Privatrecht zu beurteilende Vertragsgrundlage der Einzeldienstverträge und damit auch des Dienstvertrages des Klägers. Der Kläger macht dazu umfangreiche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung durch das Bundesbahn-Pensionsgesetz geltend.
Die Beklagte erhob umfangreiche Einwendungen. Sie beantragte insbesondere unter Hinweis auf § 1 Bundesbahn- Pensionsgesetz, wonach dieses Gesetz "an die Stelle bisheriger und künftiger vertraglicher Regelungen" trete, die Abweisung des Feststellungsbegehrens. Im Hinblick auf die Geltung dieses ordnungsgemäß kundgemachten Gesetzes sei auch das Feststellungsbegehren unzulässig, weil dieses die BB-PO 1966 verdrängt habe. Ein Bundesgesetz könne auch nicht Vertragsinhalt werden. Die gesetzlichen Regelungen seien auch - wie die Beklagte ausführlich darstellt - gerechtfertigt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es setzte sich ausführlich mit den geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken auseinander.
Die vom Kläger gegen dieses Urteil erhobene Revision ist schon gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Zu grundsätzlichen Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens wird auf die Begründung des Beschlusses in dieser Rechtssache vom 27. 2. 2003, 8 ObA 66/02t, mit dem ein Antrag auf Aufhebung verschiedener Bestimmungen des BB-PG an den Verfassungsgerichtshof gestellt wurde, verwiesen.
Gegenstand der rechtlichen Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof ist die vom Kläger relevierte Verfassungswidrigkeit des Bundesbahn - Pensionsgesetzes.
Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, stellten und stellen die Dienstvorschriften wie Dienstordnung, Bundesbahnpensionsordnung, Disziplinarordnung und Besoldungsordnung nur Vertragsschablonen dar, die mit dem Abschluss der jeweiligen Einzeldienstverträge rechtlich wirksam werden (RIS-Justiz RS0052622; RS0054759; RS0071251; RS0052693; RS0052649; VfSlg 8132). Die im Bundesgesetzblatt kundgemachten Dienstvorschriften hatten demnach keinen normativen Charakter (VfGHSlg 12.313; 14.075; 15.535 ua).
Der im Verleihungsschreiben enthaltene ausdrückliche Hinweis, dass auf das Dienstverhältnis die DO (= Dienstordnung) in ihrer jeweiligen Fassung sowie die sonstigen für die Beamten der Österreichischen Bundesbahnen jeweils geltenden Bestimmungen Anwendung finden, wird durch die widerspruchslose Annahme Inhalt des Arbeitsvertrags (ArbSlg 8580; DRdA 1991, 246; ArbSlg 11.883; RIS-Justiz RS0052618). Der "Änderungsvorbehalt" im Sinne dieser "Jeweilsklausel" wurde vom Obersten Gerichtshof dahin interpretiert, dass davon eine Änderung nach billigem Ermessen erfasst sei, selbst wenn es zu einer
zumutbaren Verschlechterung komme (9 ObA 77/00i = DRdA 2001/28
[Resch] = ZAS 2001/16 [Posch]).
Gegenstand der rechtlichen Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof ist im Ergebnis ausschließlich die von den Klägern behauptete Verfassungswidrigkeit des Bundesbahn-Pensionsgesetzes. Der Kläger releviert im Wesentlichen, dass er durch die in Rede stehenden Bestimmungen des BB-PG in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht nach Art 5 StGG bzw Art 1 1. ZP MRK verletzt worden sei, weil es sich um eine unzulässige Enteignung, zumindest aber um einen unverhältnismäßigen Eigentumseingriff handle. Durchaus ähnliche Bedenken artikulierte der Antrag eines Drittels der Mitglieder des Nationalrats im Sinn des Art 140 Abs 1 B-VG, mit dem die Aufhebung des BB-PG, § 1 BB-PG bzw von Teilen davon begehrt wurde (G 298/02 des VfGH). Auch unter Berücksichtigung der vom Kläger und dem Drittelantrag des Nationalrats eingebrachten Bedenken hat der Oberste Gerichtshof mit seinem Beschluss vom 27. 2. 2003 in diesem Verfahren einen Antrag gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung verschiedener Bestimmungen des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB-PG), BGBl I 86/2001 gestellt. Im Einzelnen ist dazu sowie zur Präjudizialität dieser Bestimmungen und zur Darstellung der Bedenken (vgl insbes S 29 bis 45 dieses Beschlusses) auf diesen Beschluss zu verweisen.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 1. Dezember 2003 zu G 298/02-16 ua unter anderem diesen Antrag abgewiesen. Zur Begründung ist auf diese den Parteien bekannte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen (vgl insbes S 68 bis 77). Da im Rahmen des Revisionsverfahrens nur noch die allfällige Verfassungswidrigkeit der bekämpften Gesetzesbestimmungen zu beurteilen war, der Verfassungsgerichtshof aber die dagegen erhobenen Bedenken als nicht berechtigt angesehen hat, war der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich jener der Teilnahme an dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshofs und des Kostenbestimmungsantrages gründet sich auf die §§ 2 ASGG iVm 50 und 41 ZPO. Der Kostenbestimmungsantrag war aber nur nach TP I zu honorieren (vgl RATG T I Z 1 lit d).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)