Spruch:
I.
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:
„ 1. Die Enteignungsentschädigung für die zwangsweise Einräumung der Servitut zu Lasten der im Alleineigentum des Antragstellers stehenden Liegenschaft Nr. ***** in EZ ***** des Grundbuches ***** laut Bescheid der MA 64 ‑ 1823/2009, vom 28. 12. 2009
a. auf Dauer ober‑ und unterirdisch im 628 m² großen Bereich, der im Grundbeanspruchungsplan Beilage ./A [des Akts der MA 64 ‑ 1823/2009] im Grund‑ und Aufriss braun bzw. beige lasiert ist, durch die Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung einer Bahnanlage (Stadionsbauwerk/zwei eingleisige Brückentrag-werke/Rampenbauwerk) sowie die Duldung des Bestandes, der Erhaltung und des Betriebes dieser Bahnanlage samt aller damit im Zusammenhang stehenden Einrichtungen,
b. auf Dauer oberirdisch sowie bis zu 1 m unter der Geländeoberkante unterirdisch im 156 m² großen Bereich, der im Grundbeanspruchungsplan Beilage ./A im Grund‑ und Aufriss gelb lasiert ist, durch die Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung eines befestigten Begleitweges sowie der Duldung des Bestandes, der Erhaltung und der Benützung dieses Begleitweges durch Gehen und Befahren für Inspektionen, Instandhaltungsarbeiten, Notfalleinsätze udgl., in der von der Eisenbahnbehörde genehmigten Form und Ausgestaltung,
c. auf Dauer oberirdisch sowie bis ca. 3 m unter der Geländeoberkante unterirdisch im 405 m² großen Bereich, der im Grundbeanspruchungsplan Beilage ./A im Grund‑ und Aufriss gelb/rosa schraffiert lasiert ist, durch die Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung von befestigten Begleitwegen sowie der Duldung des Bestandes, der Erhaltung und der Benützung dieser Begleitwege durch Gehen und Befahren für Inspektionen, Instandhaltungsarbeiten, Notfalleinsätze udgl., und durch die Dienstbarkeit der Duldung der Verlegung von unterirdischen Einbauten sowie der Duldung des Bestandes, der Erhaltung und des Betriebes dieser unterirdischen Einbauten, in der von der Eisenbahnbehörde genehmigten Form und Ausgestaltung,
d. auf die Baudauer von 48 Monaten oberirdisch sowie bis 1 m unter der Geländeoberkante unterirdisch im 199 m² großen Bereich, der im Grundbeanspruchungsplan Beilage ./A im Grund‑ und Aufriss grün lasiert ist, durch die Dienstbarkeit der Duldung der Durchführung aller zur Errichtung der oben unter a. ‑ c. bezeichneten Bahnanlagen notwendigen Maßnahmen, einschließlich Baustellen-einrichtung und Errichtung von provisorischen Baustellenversorgungsleitungen, Erdbewegungen und Aufschließungsarbeiten (z.B. Brunnen‑, Pegel‑, Einbauteneinrichtungen und provisorische Befestigungen), in der von der Eisenbahnbehörde genehmigten Form und Ausgestaltung,
wird mit 1.257.489 EUR festgesetzt.
3. Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 21.830,40 EUR (darin 3.638,40 EUR USt und 14,40 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz zu ersetzen.“
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
II.
Aus Anlass des Revisionsrekurses stellt der Oberste Gerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B‑VG (Art 140 B‑VG) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Tarifpost 12a GGG idF BGBl I Nr 52/2009 als verfassungswidrig aufzuheben;
in eventu den Antrag, die Wortfolge in Anmerkung 4. zu Tarifpost 12a GGG idF BGBl I Nr 52/2009 „Die Höhe der Pauschalgebühren nach Tarifpost 12a bestimmt sich unabhängig vom Umfang der Anfechtung und unabhängig von der Höhe des Rechtsmittelinteresses“ als verfassungswidrig aufzuheben.
Gemäß § 62 Abs 3 VfGG wird mit der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bis zur Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.
Begründung
I.
Der Antragsteller ist bücherlicher Eigentümer einer Liegenschaft in Wien‑Aspern, auf der er bis 31. 12. 2009 eine Gärtnerei in Gewächshausbauweise betrieben hat. Seit 1. 1. 2010 ist der (1950 geborene) Antragsteller pensioniert.
Im Zuge des Ausbaus des Wiener U‑Bahnnetzes wurde ob der Liegenschaft des Antragstellers mit Bescheid der MA 64 vom 28. 12. 2009 zu Gunsten der Antragsgegnerin die zwangsweise Servitut der Duldung der Errichtung, des Bestandes und des Betriebs einer Bahnanlage (U‑Bahn) begründet, weiters ‑ befristet auf die Dauer von 48 Monaten ‑ die Dienstbarkeit der Duldung der zur Errichtung der Anlage notwendigen Maßnahmen.
Die Liegenschaft des Antragstellers wird von der errichteten U‑Bahntrasse durchschnitten, die verbliebenen Flächen sind für den Betrieb einer Gärtnerei nicht mehr verwendbar.
Gegenstand des Verfahrens ist die Festsetzung der nach § 4 EisbEG dem Antragsteller zustehenden Enteignungsentschädigung.
Das Erstgericht setzte die Enteignungsentschädigung mit insgesamt 1.167.300 EUR fest. In diesem Betrag sind die Abgeltung für die dauerhafte Verkehrswertminderung der Liegenschaft und Entschädigungen für die vorübergehende Beanspruchung während der Dauer der Baustelle, für den Zeitwert der abgerissenen Glashäuser sowie für Abbruchkosten enthalten. Nicht zuerkannt wurden die vom Antragsteller begehrten Kosten für die Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Betriebsgrundstücks und eine Entschädigung für entgangene mögliche Pachteinnahmen.
Das Rekursgericht gab den Rechtsmitteln beider Parteien keine Folge, bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.
Eine Enteignungsentschädigung für Wiederbeschaffungskosten komme grundsätzlich nur bei Entziehung des Liegenschaftseigentums in Frage. Im vorliegenden Fall der bloßen Begründung einer Dienstbarkeit werde der Nachteil des Enteigneten durch den Wertminderungsersatz zur Gänze ausgeglichen.
Der Ausgleich für einen über dem Substanzwert liegenden Vermögensschaden, der auch in den Kosten der Verlegung eines auf dem betroffenen Grundstück betriebenen Unternehmens bestehen könne, sei nach den individuellen Verhältnissen des Enteigneten aufgrund eines objektiven Maßstabs zu ermitteln. Der Antragsteller habe zum Enteignungszeitpunkt keinen Betrieb mehr geführt. Die rein theoretische Möglichkeit, den Gärtnereibetrieb wieder zu eröffnen oder eine fiktive Verpachtung seien nicht zu berücksichtigen.
Der Revisionsrekurs des Antragstellers strebt die Zuerkennung eines weiteren Entschädigungsbetrags von 90.189 EUR als Äquivalent für die fiktiven Kosten der Wiederbeschaffung eines Betriebsgrundstücks an.
Der Antragsteller habe nur wegen der unabwendbar bevorstehenden Enteignung vorzeitig die Pension angetreten. Die Betriebseinstellung sei daher bloß eine Vorwirkung der Enteignung gewesen und bei der Wertermittlung nicht zu berücksichtigen. Wäre es nicht zur Enteignung gekommen, hätte der Antragsteller den Betrieb jederzeit wieder aufnehmen oder an Dritte verpachten können. Um einen vollständigen Ausgleich für den erlittenen Nachteil zu gewährleisten, seien daher auch die Kosten einer Betriebsübersiedlung in Höhe von pauschal 9 % des Verkehrswerts der Liegenschaft abzugelten. Darauf, ob eine Übersiedlung tatsächlich beabsichtigt sei, komme es nicht an.
Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer nach § 71 Abs 2 AußStrG freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben; darüber hinaus regt sie an, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, TP 12 lit d Z 2 GGG iVm TP 12a GGG iVm § 44 EisbEG auf Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Ermittlung der enteignungsbedingten Nachteile abgewichen sind. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
1. Gemäß § 4 Abs 1 EisbEG ist das Eisenbahnunternehmen verpflichtet, den Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile gemäß § 365 ABGB schadlos zu halten.
Maßgeblicher Zweck der Entschädigung ist der Ausgleich der Vermögensdifferenz, die der Enteignete durch das ihm abverlangte Sonderopfer erleidet. Die Feststellung der enteignungsbedingten Nachteile hat daher konkret unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Enteigneten einerseits und unter Heranziehung eines objektiven Maßstabs bei der Wertermittlung andererseits zu erfolgen. Auch Folgeschäden sind zu ersetzen, soweit sie nicht schon im Verkehrswert berücksichtigt wurden. Dem Enteigneten soll nicht weniger, aber auch nicht mehr (RIS‑Justiz RS0010844; 2 Ob 282/05t) als der Unterschied zwischen seiner Vermögenslage vor und nach der Enteignung ausgeglichen werden. Diese Grundsätze haben auch dann zu gelten, wenn die Enteignung durch Einräumung einer Zwangsservitut verwirklicht wird (RIS‑Justiz RS0053657 [T2]).
2. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Festsetzung der Entschädigungssumme ist jener der Aufhebung des Rechts. Während die ältere Judikatur diesen Zeitpunkt bereits mit der Erlassung des Enteignungs‑ und Entschädigungsbescheids der Verwaltungsbehörde erster Instanz als eingetreten ansah (RIS‑Justiz RS0053526; SZ 51/175; Klicka in Schwimann/Kodek , ABGB 4 II § 365 Rz 28), kommt es nach der jüngeren Rechtsprechung auf den Eintritt der Rechtskraft des Enteignungsbescheids an (RIS‑Justiz RS0085888; RS0053526 [T6]). Nach diesem Zeitpunkt eingetretene Änderungen der Sach‑ oder Rechtslage sollen auf die Entschädigung keinen Einfluss mehr haben.
Die Festsetzung des Entschädigungsbetrages hängt von der konkreten Verwendbarkeit der betroffenen Grundstücke nach der Sachlage und Rechtslage unmittelbar vor diesem Eingriff ab (RIS‑Justiz RS0053657 [T9]). Es ist dabei nicht nur auf die tatsächliche Nutzung zur Zeit der Enteignung abzustellen, sondern auf die konkrete Möglichkeit der Verwendung; es ist daher auch zu beurteilen, ob im Enteignungszeitpunkt eine wirtschaftliche Nutzung (bereits vorhandener) Ressourcen rechtlich und tatsächlich möglich gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0058047).
3. Wird das Eigentum an einer Liegenschaft entzogen, sind nach ständiger Rechtsprechung neben dem Verkehrswert auch die angemessenen Wiederbeschaffungskosten zu ersetzen. Dieser Anspruch beruht auf dem Grundsatz, dass der Enteignete das volle Äquivalent für das enteignete Gut erhalten soll. Eine enteignete Liegenschaft schlägt sich im Vermögen des Entreicherten nicht nur im entzogenen Wert nieder. Sein Vermögensstand ist noch nicht wieder ausgeglichen, wenn er über das bloße Geldwertäquivalent verfügt, sondern erst wenn er ein gleichwertiges Grundstück erhält bzw es sich zumindest verschaffen könnte. Der Enteignete ist daher auch für die zur Herstellung der Ersatzlage notwendigen Nebenkosten, wie Grunderwerbssteuer, Vertrags‑ und Verbücherungskosten, zu entschädigen (7 Ob 138/05b; RIS‑Justiz RS0053616).
Darauf, ob er möglicherweise (wegen der Marktlage, Besonderheiten des enteigneten Grundstücks oder aus andere Gründe) zeitnah keinen gleichwertigen Ersatz erlangen kann, ist bei Bemessung der Enteignungsentschädigung keine Rücksicht zu nehmen. Die Entschädigung hat aber so hoch zu sein, dass die Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzgrundstücks, sofern es im Zeitpunkt der Enteignung ein solches gäbe, ermöglicht würde (1 Ob 756/78 = SZ 51/175; 4 Ob 213/10t). Sind die Kosten für eine Wiederbeschaffung konkret nicht angefallen, dann gebührt eine Pauschalentschädigung als Prozentsatz vom Wert der enteigneten Liegenschaft, wofür in der Regel 9 % des Verkehrswerts angemessen sind (vgl RIS‑Justiz RS0121649).
4. Bei Enteignung einer betrieblichen Liegenschaft ist neben der Entschädigung für das verlorene oder beeinträchtigte Eigentum auch jener Schaden zu vergüten, der durch die Nötigung zur Verlegung des Gewerbebetriebs entsteht, also die Verlegungs‑ und Übersiedlungskosten, der Ertragsausfall während der Verlegung, die Anlaufverluste am neuen Standort und allfällige Einbußen wegen des Verlustes von Standortvorteilen.
Ist eine Verlegung in ein Ersatzobjekt nicht möglich oder zumutbar, sodass durch die Enteignung letztlich eine Betriebsaufgabe erzwungen wird, muss der dadurch eingetretene Nachteil im Vermögen des Enteigneten ein Äquivalent in der Vergütung des Werts des Unternehmens haben ( Klicka aaO Rz 26 mwN).
5. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass der Antragsteller allein mit dem Ersatz des merkantilen Minderwerts seines Grundstücks, des Zeitwerts der Glashäuser und der Abbruchkosten nicht adäquat entschädigt wäre. Der Antragsteller hat bis 31. 12. 2009 noch ein lebendes Unternehmen betrieben. Auch im Zeitpunkt der Rechtskraft des ‑ vom Antragsteller nicht bekämpften ‑ Enteignungsbescheids wäre ihm aber eine weitere Nutzung des Gärtnereibetriebs rechtlich und wirtschaftlich möglich gewesen. Aus den Feststellungen geht hervor, dass ein Weiterbetrieb der Gärtnerei nicht von der persönlichen Arbeitskraft des Antragstellers abhing, sondern er die Möglichkeit gehabt hätte, sie auch nach seiner Pensionierung ab 1. 1. 2010 zu einem monatlichen Zins von 2.000 EUR zu verpachten. Der Barwert des Pachtrechts, bezogen auf die Restnutzungsdauer, hätte 280.560 EUR betragen. Die Möglichkeit der Verpachtung wurde dem Antragsteller durch den enteignungsbedingt notwendigen Abriss der Betriebsanlagen entzogen.
Der Nachteil des Antragstellers ging damit über den Substanzwert der abgerissenen Gebäude und die Abbruchkosten hinaus, weil ihm eine konkret bestehende Möglichkeit genommen worden wurde, weitere Einkünfte aus dem Betrieb zu erzielen (RIS‑Justiz RS0058047).
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen und der Antragsgegnerin spielt es auch keine entscheidende Rolle, ob er ohne Dazwischentreten des Enteignungsverfahrens nicht in Pension gegangen wäre und die Gärtnerei selbst weitergeführt, oder ob er den Betrieb verpachtet hätte. Es ist nicht einmal entscheidend (und bedurfte daher keiner Feststellung), ob der Antragsteller die Gärtnerei nach seinem Pensionsantritt tatsächlich verpachten hätte wollen, weil selbst ein freiwilliger Verzicht auf mögliche Einnahmen nur eine Form der nachträglichen Verfügung über eine im Enteignungszeitpunkt vorhandene Vermögensposition gewesen wäre, die den Enteigner nicht entlasten könnte.
6. Der Antragsteller begehrt im vorliegenden Fall ohnehin nicht den Ersatz eines entzogenen Unternehmenswerts, sondern nur die mit 9 % des unstrittigen Verkehrswerts seiner von der Enteignung betroffenen Liegenschaft pauschalierten Nebenkosten der Wiederbeschaffung eines gleichwertigen, zum Betrieb einer Gärtnerei geeigneten Grundstücks. Diese Bemessung ist nachvollziehbar und sachgerecht; erst mit dieser zusätzlichen Entschädigung ist der Antragsteller in seinem Vermögen wieder gleich gestellt wie vor der Enteignung.
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.
7. Die Entscheidung über die Kosten erster Instanz gründet sich auf § 44 EisbEG iVm § 41 ZPO. Der Zuspruch kann nicht über die vom Antragsteller begehrten Kosten hinausgehen.
II.
Antrag gemäß Art 89 Abs 2 B‑VG (Art 140 B‑VG)
1. Rechtsgrundlagen
Die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung sind gemäß § 44 Abs 1 EisbEG, soweit sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen werden, vom Eisenbahnunternehmen zu bestreiten.
Nach § 44 Abs 2 EisbEG iVm § 41 ZPO hat der Enteignete im gerichtlichen Verfahren zur Feststellung der Entschädigung auf der Grundlage des von ihm ersiegten Entschädigungsbetrages Anspruch auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen, durch das Gerichtsverfahren verursachten Kosten seiner rechtsfreundlichen Vertretung und sachverständigen Beratung. Als ersiegter Entschädigungsbetrag ist die Differenz zwischen dem gerichtlich zugesprochenen Entschädigungsbetrag und jenem Betrag anzusehen, den der Enteignungswerber zu leisten offenkundig bereit war.
Die Pauschalgebühren für das Verfahren erster Instanz im gerichtlichen Verfahren über die Ermittlung der Entschädigung in Enteignungs‑ und enteignungsähnlichen Fällen betragen nach Tarifpost 12 lit d Z 2 GGG 1,5 vH vom ermittelten oder verglichenen Entschädigungsbetrag.
Für Rekursverfahren in den unter Tarifpost 12 GGG aufgezählten Verfahrensarten betragen die Pauschalgebühren gemäß Tarifpost 12a lit a GGG idF BGBl I 52/2009 das Doppelte der für das Verfahren erster Instanz vorgesehenen Pauschalgebühren. Für das Verfahren dritter Instanz (Revisionsrekursverfahren) betragen sie nach Tarifpost 12a lit b GGG das Dreifache der für das Verfahren erster Instanz vorgesehenen Pauschalgebühren.
Gemäß Anmerkung 2 zu Tarifpost 12a GGG wird die Pflicht zur Entrichtung der Pauschalgebühr dadurch nicht berührt, dass eine im Verfahren zweiter Instanz ergangene Entscheidung aufgehoben oder abgeändert wird. Die Gebührenpflicht erlischt auch dann nicht, wenn über das Rechtsmittel nicht entschieden wird.
Nach Anmerkung 4 zu Tarifpost 12a GGG sind die darin geregelten Pauschalgebühren ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob es sich um ein ordentliches oder außerordentliches Rechtsmittel handelt. Die Höhe der Pauschalgebühren nach Tarifpost 12a bestimmt sich unabhängig vom Umfang der Anfechtung und unabhängig von der Höhe des Rechtsmittelinteresses.
2. Präjudizialität
Der Oberste Gerichtshof hat bei der Entscheidung über die Höhe des Kostenersatzanspruchs des im Rechtsmittelverfahren obsiegenden Antragstellers gemäß § 44 Abs 1 und 2 EisbEG auch über den Ersatz der Barauslagen und Gerichtsgebühren zu entscheiden und bei deren Bestimmung unter anderem Tarifpost 12a GGG mit ihren Anmerkungen anzuwenden. Diese Bestimmung ist für seine Kostenentscheidung präjudiziell.
3. Bedenken
Die Festlegung der Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren mit einem Vielfachen der für die erste Instanz vorgesehenen Pauschalgebühren erweckt in jenen Fällen verfassungsrechtliche Bedenken, in denen die Gebühren erster Instanz nicht in einem Fixbetrag bestehen, sondern vom Wert des Entscheidungsgegenstandes abhängen.
Die Festlegung der Gebühren für das Rechtsmittelverfahren unabhängig vom Umfang der Anfechtung und unabhängig von der Höhe des Rechtsmittelinteresses führt aus mehreren Gründen zu einer unterschiedlichen Behandlung von Rechtsmittelwerbern.
Durch diese Regelung fallen auch bei einem geringen Rechtsmittelinteresse außerordentlich hohe Pauschalgebühren an.
Im vorliegenden Verfahren betragen die Pauschalgebühren dritter Instanz bei einem Rechtsmittelinteresse von 90.189 EUR nach Tarifpost 12a GGG 56.587 EUR. Im Vergleich dazu belaufen sich die Pauschalgebühren für das Revisionsverfahren in Zivilprozessen nach Tarifpost 3 GGG bei einem Wert des Streitgegenstands von 70.000 bis 140.000 EUR auf 5.450 EUR und damit weniger als ein Zehntel der nach TP 12a GGG zu entrichtenden Gebühren.
Die Pauschalgebühren nach Tarifpost 12a GGG können (besonders in Enteignungsentschädigungsverfahren mit seinen allgemein hohen Streitwerten) ohne weiteres auch das Rechtsmittelinteresse übersteigen, und zwar dann, wenn der Anfechtungsumfang in zweiter Instanz weniger als 3 vH der erstinstanzlich festgelegten Enteignungsentschädigung beträgt.
Bei Anrufung auch der dritten Instanz übersteigen die gesamten Pauschalgebühren nach TP 12a GGG das Rechtsmittelinteresse bereits dann, wenn dieses weniger als 7,5 vH der erstinstanzlichen Bemessungsgrundlage beträgt.
Hinter diesen Prozentsätzen stehen aber keineswegs Bagatellbeträge; im vorliegenden Verfahren entsprechen 7,5 vH der Bemessungsgrundlage immerhin 87.547 EUR.
Die vom Rechtsmittelinteresse unabhängige Höhe der Pauschalgebühren nach TP 12a GGG ist damit geeignet, den Zugang zum Recht zu behindern.
Das gilt für Enteignungswerber, die selbst niemals Kostenersatz erhalten können, aber dem Antragsteller nach der Rechtsprechung bei einem auch nur geringfügigem Rechtsmittelerfolg zum Kostenersatz verpflichtet sind (RIS‑Justiz RS0053546). Während aber die Kosten der anwaltlichen Vertretung des Antragstellers nach § 44 Abs 2 EisbEG nur auf Grundlage des obsiegten Betrags zu ersetzen sind, fallen die Pauschalgebühren des Rechtsmittelverfahrens stets in voller Höhe an.
Selbst eine völlig berechtigte Anfechtung eines erstinstanzlichen Beschlusses ist für einen Enteignungswerber wirtschaftlich nicht vertretbar, wenn das Rechtsmittelinteresse die jedenfalls verlorene Pauschalgebühr nicht deutlich übersteigt. Der gesetzliche Instanzenzug wird dadurch im Ergebnis abgeschnitten und damit auch die Rechtsfortentwicklung behindert.
Für den Antragsteller stellt die Möglichkeit, im Fall eines gänzlich erfolglosen Rechtsmittels nach § 44 Abs 1 EisbEG keinen Kostenersatz zu erhalten, angesichts der extremen Höhe der Pauschalgebühren ebenfalls eine wirtschaftliche Hürde dar, die in ihrer Auswirkung geeignet ist, ihn von der Geltendmachung an sich berechtigter Ansprüche abzuhalten.
Es wird nicht verkannt, dass der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass keine strenge Äquivalenz zwischen Gerichtsgebühren und dem bei Gericht verursachten Aufwand erforderlich ist und dem Gesetzgeber hier ein weiter Gestaltungsspielraum offensteht (VfSlg 11.751/88; 18.070/07 uva).
Eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Festlegung der Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren nach Tarifpost 2 und 3 GGG, deren Höhe vom Rechtsmittelinteresse abhängt, und den keine Differenzierung zulassenden Gebühren nach Tarifpost 12a GGG ist für den Obersten Gerichtshof jedoch nicht zu erkennen.
In den Gesetzesmaterialien zu Tarifpost 12a GGG (ErlRV 113 24. GP 10) wird die Einführung der Gebühr nur damit begründet, dass durch Anpassungen im Gebührenrecht „Mehreinnahmen von etwa 4,5 bzw. 9 Millionen Euro für die Jahre 2009 und 2010 erzielt werden“ sollten. Andere Ziele werden nicht genannt.
Ein fassbarer Unterschied in der Belastung der Rechtsmittelgerichte, der eine höhere Pauschalgebühr nach TP 12a GGG rechtfertigen könnte, besteht nicht. Die im vorliegenden Fall wirksame Erhöhung auf das Zehnfache der Gebühr nach TP 3 GGG ist damit nicht begründbar.
Der Oberste Gerichtshof gelangt zusammengefasst zur Auffassung, dass die Festlegung der Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren nach Tarifpost 12a lit a und b GGG mit dem Doppelten beziehungsweise dem Dreifachen der für das Verfahren erster Instanz vorgesehenen Pauschalgebühren, unabhängig vom Rechtsmittelinteresse, zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von Rechtsmittelwerbern und damit zu einem Verstoß gegen Art 7 Abs 1 B‑VG führt.
4. Anfechtungsumfang
Alle mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen sind zu erfassen. Fälle untrennbaren Zusammenhangs liegen auch vor, wenn die Aufhebung ansonsten zu einer unklaren Rechtslage führen würde oder Schwierigkeiten bezüglich einer anderen, im Rechtsbestand verbleibenden Bestimmung hervorriefe. Es darf nach Aufhebung kein „legislativer Torso“ verbleiben (Rohregger in Korinek/Houlubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 140 B‑VG Rz 215 mwN).
Im Anlassfall ist der gesamte Regelungsumfang der Tarifpost 12a GGG idF BGBl I Nr. 52/2009 einschließlich der Anmerkungen 1 bis 5 nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs präjudiziell und untrennbar, sodass eine lediglich teilweise Aufhebung nicht möglich erscheint. Der Antrag zielt daher primär auf die Aufhebung der gesamten Wortfolge der Bestimmung ab.
Lediglich für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangen sollte, dass der Inhalt der Tarifpost 12a GGG für sich allein einer verfassungskonformen Interpretation dahin zugänglich wäre, dass sich bei nur teilweiser Anfechtung der Entscheidung die „ für das Verfahren erster Instanz vorgesehenen Pauschalgebühren “ nur auf den Prozentsatz von 1,5 nach Tarifpost 12 lit d Z 2 GGG, im Übrigen aber auf das Rechtsmittelinteresse beziehen, wird eventualiter beantragt, in der Anmerkung 4 zu Tarifpost 12a GGG idF BGBl I Nr 52/2009 die Wortfolge: „ Die Höhe der Pauschalgebühren nach Tarifpost 12a bestimmt sich unabhängig vom Umfang der Anfechtung und unabhängig von der Höhe des Rechtsmittelinteresses “ als verfassungswidrig aufzuheben.
Das Erfordernis, mit der Entscheidung im Kostenpunkt bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs innezuhalten, ergibt sich aus § 62 Abs 3 VfGG (vgl 8 Ob 5/12m).
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