Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 7.072,32 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von 642,57 S) und die mit 4.897,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von 308,85 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am ***** vor dem Standesamt L***** die Ehe geschlossen. Dieser entstammen drei Kinder, nämlich die am ***** geborene V*****, der am ***** geborene S***** und die am ***** geborene M*****. Der letzte gemeinsame eheliche Haushalt wurde im Haus ***** in R***** geführt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Imst vom 25. 11. 1986, F 9/86-11, wurde der Klägerin die gesonderte Wohnungsnahme gestattet.
Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Sie brachte dazu im wesentlichen vor, dass der Beklagte im Frühjahr 1983 die geschlechtlichen Beziehungen zu ihr abgebrochen und sie seither ignoriert und vernachlässigt habe. Dies habe zu einer stetigen Verschlechterung der ehelichen Beziehungen geführt. Ab Herbst 1984 sei es zunehmend zu Streitigkeiten gekommen. Der Beklagte habe damals angedeutet, dass er inzwischen „jedenfalls seelische Beziehungen“ zu einer anderen Frau aufgenommen habe. Schließlich habe der Beklagte in den letzten Monaten geradezu eine feindselige Haltung gegen die Klägerin eingenommen und diese am 22. 6. 1985 derart geohrfeigt, dass sie eine Verletzung des Trommelfells und Prellungen erlitten habe. Seit Herbst 1985 habe der Beklagte wiederholt mit B***** H***** und S***** R***** ehebrecherische Beziehungen gepflogen. Seit dem Frühsommer 1986 halte sich der Beklagte häufig im Hause der S***** R***** auf und habe dort auch mehrere Nächte hintereinander zugebracht. Zu einer Entfremdung der Streitteile sei es schon seit spätestens 1980 gekommen, weil der Beklagte selten zu Hause gewesen sei und sich wenig um die Familie gekümmert habe. Die Klägerin habe deshalb im Jahre 1982 eine Anstellung als Gebietsvertreterin der A*****-Versicherungen aufgenommen, die es ihr ermöglichte, weiterhin genügend Zeit für Familie und Haushalt aufzubringen. Der Beklagte habe auch Telefongespräche der Klägerin unter Verwendung eines an der Telefonleitung angebrachten Abhörgerätes abgehört.
Der Beklagte beantragte zunächst die Abweisung des Klagebegehrens und wendete in der Folge ein, dass die Klägerin das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe. Die Klägerin habe sich seit dem Jahre 1982 in ihrem neuen Tätigkeitsbereich als Gebietsvertreterin der A***** Versicherung sehr stark engagiert, so dass ihr wenig Zeit für Familie und Haushalt blieb. Auch für den Beklagten habe die Klägerin nur mehr wenig Zeit gehabt, sie habe sich von ihm abgewendet. Bei Kursen in K***** habe die Klägerin mit einem Kollegen in dessen Zimmer geschlafen. Die Klägerin sei immer unzufriedener, launischer und gereizter geworden und es sei zu heftigen Diskussionen gekommen, weil die Klägerin die „persönliche Freiheit“ gesucht habe. Sie habe den Beklagten durch Jahre hindurch betrogen und hintergangen, wobei sie den Umstand ausgenützt habe, dass der Beklagte beruflich tagsüber unter der Woche nicht zu Hause war. Ende März 1985 habe die Klägerin vom gemeinsamen Konto ohne Verständigung des Beklagten 25.596 S abgehoben. In der Folge habe sie gemeinsame Wertpapiere im Wert von 106.000 S auf ihr eigenes Konto gelegt.
Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile und sprach aus, dass die Klägerin ein gleichteiliges Verschulden treffe. Es ging dabei von folgenden Feststellungen aus:
Etwa bis in das Jahr 1982 gab es in der Ehe der Streitteile keine wesentlichen Differenzen. Der Beklagte ging seinem Beruf nach, zunächst auf verschiedenen Baustellen, dann in Innsbruck und schließlich als Vorstand der ***** AG in E*****. Die Klägerin war vorerst nicht berufstätig, sondern führte den Haushalt und versorgte die Kinder. Im Jahre 1982 verbrachten die Streitteile noch einen gemeinsamen Urlaub in Schweden. Bereits damals gab es Streitigkeiten, weil nach dem Wunsch des Beklagten die Tochter V*****, die zuvor die Matura nicht geschafft hatte, in diesem Urlaub mitfahren sollte, während die Tochter die Maturareise mitmachen wollte, was ihr der Beklagte untersagt hatte. Letztlich setzte sich die Tochter durch und dies führte dazu, dass sie vom Beklagten aus dem Haus gewiesen wurde.
Als die Kinder der elterlichen Obsorge entwuchsen, suchte die Klägerin nach einem neuen Aufgabenkreis und fand diesen in einer Anstellung als Gebietsvertreterin bei der A***** Versicherung. Seit dieser Zeit erfuhren die Beziehungen der Ehegatten eine zunehmende Entfremdung, die so weit führte, dass beide Gatten die eheliche Treue gebrochen haben.
Die Klägerin widmete sich ihrer neuen Tätigkeit mit großer Hingabe. Es dauerte nicht lange, bis der Beklagte nicht nur den beruflichen Erfolg seiner Gattin zur Kenntnis nehmen musste, sondern auch vermutete, dass sie Männerbekanntschaften habe. Diese Mutmaßung wurde dadurch geschürt, dass dem Beklagten anonym gehaltene Schreiben zugingen, in welchen solche Beziehungen behauptet wurden. Diese Angelegenheit wurde zwischen den Eheleuten damals besprochen und die Klägerin konnte die Vorwürfe des Beklagten zunächst zerstreuen. Es ist nicht erwiesen, dass die Klägerin im Rahmen eines Seminars in K***** mit einem Berufskollegen in einem Zimmer genächtigt hätte.
Im Sommer 1983 verbrachte die Klägerin mit ihrer Tochter einen Urlaub auf Korsika, wo sie einen Italiener mit Namen „R*****“ kennenlernte. Diese Beziehung wurde brieflich und telefonisch bis in das Jahr 1985 aufrechterhalten. Die Klägerin traf mit „R*****“ auch anlässlich einer Urlaubsreise mit ihrem Sohn S***** nach Italien im Herbst 1984 zusammen. Diese Beziehung hat sich auch nicht auf einen „Flirt“ beschränkt. Die Klägerin hat mit „R*****“ irgendwann zwischen Sommer 1983 und Herbst 1984 auch geschlechtlich verkehrt.
Nicht erwiesen ist eine vom Beklagten behauptete ehebrecherische Beziehung der Klägerin zu einem Mann namens „E*****“, den sie anlässlich eines Schiurlaubs im Februar 1984 in Ischgl kennen gelernt hatte. Diesen Schiurlaub verbrachte die Klägerin gemeinsam mit ihrer Freundin G***** P*****, mit der sie sich ein Hotelzimmer teilte. Die beiden Frauen machten damals die Bekanntschaft von drei Männern. Es ergab sich, dass damals von den Behörden die Aufforderung erging, die Unterkünfte wegen Lawinengefahr im Ort nicht zu verlassen. Während jedoch G***** P***** in das gemeinsame Hotelzimmer zur Übernachtung zurückkehrte, übernachtete die Klägerin mit den drei Herren in deren Hotelzimmer. Tags darauf wurde sehr lange gezecht und G***** P***** verbrachte den Rest der Nacht schließlich gemeinsam mit einem dieser drei Herren im Hotelzimmer der Freundin, während die Klägerin die beiden anderen Männer in deren Hotelzimmer begleitete und dort nächtigte. Ob die Klägerin damals mit einem dieser Herren eine sexuelle Beziehung hatte, steht nicht fest.
G***** P***** war eine Freundin der Klägerin aus ihren Jugendtagen in der Steiermark. Auch der Beklagte kannte G***** P***** bereits seit 1959. Der Beklagte hat G***** P***** schließlich eine Anstellung als Sekretärin bei der T***** AG in E***** verschafft. Dabei ergab es sich, dass G***** P***** zeitweise mit dem Beklagten gemeinsam dessen Betriebswohnung in E***** in Anspruch nahm. Ob es während dieser Zeit zu sexuellen Kontakten zwischen dem Beklagten und G***** P***** gekommen ist, ist nicht erwiesen.
Ende des Jahres 1984/Anfang 1985 spitzte sich die kritische Situation in der Ehe der Streitteile zu. Dem Beklagten war insbesondere die Beziehung seiner Gattin zu ihrem Berufskollegen G***** M***** ein Dorn im Auge. Als die Klägerin im Mai 1985 zu einem Kuraufenthalt nach Italien gefahren war, brachte der Beklagte in Erfahrung, dass sich auch M***** zu dieser Zeit in Italien aufhielt. Der Beklagte war überzeugt, dass sich die beiden in Italien trafen, weshalb er der Ehegattin eröffnete, dass ihr Mann ein Verhältnis mit der Klägerin habe und die beiden gemeinsam in Italien seien. Dies führte schließlich zu einer vorzeitigen Rückreise M*****s und zu Problemen auch in dessen Ehe. Nach seiner Rückkehr gab der Beklagte M***** zu verstehen, dass er dessen Kontakte zur Klägerin nicht wünsche und forderte ihn auf, alle Beziehungen zur Klägerin abzubrechen. Wiewohl sich die Kontakte zwischen G***** M***** und der Klägerin nicht auf rein berufliche Zusammenarbeit beschränkten, sondern sie zumindest eine freundschaftliche Beziehung verbindet, hielten sich weder G***** M***** noch die Klägerin an diese Aufforderung des Beklagten. Es ist jedoch nicht erwiesen, dass die Klägerin zu G***** M***** auch ein geschlechtliches Verhältnis angeknüpft hat.
Als die Klägerin im Mai 1985 auf Kuraufenthalt in Italien weilte, wandte sich der Beklagte einer früheren Bekannten namens B***** H***** zu, einer in der K***** in I***** wohnhaften, ***** geborenen Studentin. Mit dieser Frau nahm der Beklagte vorübergehend ebenso Geschlechtsverkehr auf wie in der Folge mit S***** R*****, einer ***** geborenen Hausfrau und Trafikantin, die der Beklagte im Frühjahr 1986 kennen und schätzen gelernt hatte. Diese Beziehung dauert heute noch an. Seine sexuellen Beziehungen zu seiner Ehegattin hingegen hatte der Beklagte bereits im Jahre 1983 abgebrochen.
Die Eheleute verfügten zunächst stets über ein gemeinsames Konto, über welches auch die Klägerin zeichnungsberechtigt war und auf welches die Gehaltszahlungen beider Eheleute eingingen. Im März 1985 hob die Klägerin einen Betrag von etwa 25.000 S von diesem gemeinsamen Konto ab, um damit den Ankauf eines Fahrzeuges zu finanzieren. Sie ließ diesen Betrag auf ein neu eröffnetes, für sie allein geführtes Konto gutbuchen. Als der Beklagte dessen gewahr wurde, nahm er dies zum Anlass, die Zeichnungsberechtigung der Klägerin für das gemeinsame Konto zu widerrufen. Die Klägerin entnahm auch gemeinsam angelegte Wertpapiere zum Nominale von 108.000 S aus dem Depot und legte sie auf ein gesondertes Depot.
Die fortgesetzten Zwistigkeiten der Eheleute im Rahmen des Scheidungsverfahrens gingen auch so weit, dass der Beklagte den Strombezug für das Haus in R*****, in welchem seinerzeit noch die Klägerin mit ihrer Tochter M***** wohnte, abmeldete. Im Verfahren C 44/86 wurde der Beklagte von der G***** GesmbH & Co KG aus Innsbruck wegen einer Heizöllieferung für das Haus in R***** in Anspruch genommen. Der Beklagte bestritt seine Zahlungsverpflichtung mit der Begründung, die Heizöllieferung sei nicht aufgrund seiner Bestellung, sondern aufgrund einer Bestellung seiner Gattin erfolgt. Das Bezirksgericht Silz konnte nach durchgeführtem Beweisverfahren nicht zweifelsfrei feststellen, ob die Heizöllieferung auf einer nicht stornierten Bestellung des Beklagten oder auf einer ausdrücklichen, auf Rechnung des Beklagten lautenden Bestellung der Klägerin beruhte. Unter Anwendung der Bestimmung des § 1029 ABGB wurde der Beklagte im Verfahren C 44/86 des Bezirksgerichts Silz rechtskräftig zur Zahlung des eingeklagten Betrags verpflichtet. Der Beklagte nahm dies zum Anlass, von der Klägerin diesen Betrag im Verfahren 16 C 1058/87 des Bezirksgerichts Innsbruck zurückzuverlangen, weil er für die Klägerin nicht unterhaltspflichtig sei. Dieses Verfahren wurde mit einem gerichtlichen Vergleich beendet, in dem sich die Klägerin zur Zahlung eines Betrags von 12.000 S in monatlichen Raten an den Beklagten verpflichtete.
Zwischen der Klägerin und „R*****“ bestand nach wie vor telefonischer Kontakt. Dies war auch dem Beklagten nicht verborgen geblieben, weshalb er sich veranlasst sah, an der Telefonanlage im Hause in R***** eine Abhöranlage zu installieren. Am 26. 6. 1986 gewahrte die Klägerin an der Telefonanlage ein radioähnliches Gerät und ließ dieses auf den Boden fallen. Dies bemerkte der Beklagte und versetzte seiner Gattin aus Wut zwei Schläge gegen den Kopf, wodurch diese eine leichte Schädelprellung und über einige Tage eine Hörverminderung erlitt. Wegen dieses Vorfalles wurde zu U 892/85 des Bezirksgerichtes Silz wegen Verdachts des Vergehens der Körperverletzung ein Strafverfahren eingeleitet. Von diesem Vorwurf wurde der Beklagte mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Silz vom 27. 9. 1985 gemäß § 259 Z 4 StPO freigesprochen, weil das Gericht die erwiesene Tat nicht für strafwürdig erachtete. In diesem Zusammenhang erhob die Klägerin gegen den Beklagten eine Privatanklage wegen Vergehens nach § 120 Abs 1 StGB. Dieses Verfahren wurde gemäß § 46 Abs 3 StPO eingestellt, nachdem der Beklagte mit Bedauern erklärt hatte, dass er durch das Anbringen einer Abhörvorrichtung rechtswidrig im Sinne des Strafgesetzbuches gehandelt habe, und sich verpflichtet hatte, derartige Handlungen in Zukunft zu unterlassen und die Prozesskosten zu ersetzen.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass der Einwand des Beklagten, die Klägerin sei an der Zerrüttung der Ehe überwiegend schuld, als Mitschuldantrag im Sinne des § 60 Abs 3 EheG zu werten sei. Schwere Eheverfehlungen seien in besonderem Maße die Beziehungen der Klägerin zu „R*****“ und jene des Beklagten zu B***** H***** und S***** R*****. Beide Ehegatten hätten sich eines Ehebruches schuldig gemacht. Ein überwiegender Anteil eines der beiden an der Zerrüttung der Ehe könne jedoch nicht angenommen werden. Der Beklagte habe seine Verbindungen zu B***** H***** und S***** R***** erst später aufgenommen. Die Ehe sei jedoch schon seit 1983, als die Streitteile ihre geschlechtlichen Beziehungen aufgegeben hätten, unheilbar zerrüttet. Dem Umstand, dass der Beklagte kurz vor Einreichung der Scheidungsklage gegen die Klägerin tätlich vorgegangen sei und er an der Telefonanlage eine Abhöreinrichtung installiert habe, könne nicht solche Gewichtung beigemessen werden, dass dem Beklagten ein überwiegendes Verschulden an der Zerrüttung der Ehe zuzuweisen sei. Zu dieser Zeit sei das gegenseitige Verhältnis bereits in erheblichem Ausmaß erschüttert gewesen und komme diesem Verhalten des Beklagten keine ausschlaggebende Bedeutung für die Zerrüttung zu. Dies gelte andererseits auch für die vom Beklagten als Vertrauensbruch gewerteten finanziellen Transaktionen der Klägerin, die im Übrigen nicht als besonders schwere Eheverfehlung gewertet werden könnten. Zusammenfassend erachte das Gericht, dass beide Streitteile durch schuldhaftes Fehlverhalten in gleichem Maße zur Zerrüttung ihrer Ehe beigetragen hätten, so dass die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten zu scheiden, gleichzeitig jedoch auszusprechen sei, dass die Klägerin ein gleichteiliges Mitverschulden treffe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass es das überwiegende Verschulden des Beklagten aussprach. Das Gericht zweiter Instanz nahm eine Beweisergänzung vor und traf noch folgende weitere Feststellungen:
Die Klägerin hat im Jahre 1982 eine Erwerbstätigkeit als Gebietsvertreterin der A*****-Versicherung aufgenommen. Der Beklagte hat der Aufnahme dieser Tätigkeit zwar zugestimmt, war aber der Meinung, dass dies nicht notwendig gewesen wäre, weil sein Einkommen ausreichte. Auch die Klägerin hatte in der Folge das Gefühl, dass dem Beklagten ihre berufliche Tätigkeit nicht recht war. Dem Beklagten schien seine Ehefrau seit Aufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit verändert, sie war nun eine erfolgreiche Geschäftsfrau, hatte dadurch an Selbstbewusstsein und Selbständigkeit gewonnen und behielt bei Gesprächen immer die Oberhand.
Im Herbst 1982 erhielt der Beklagte einen anonymen Brief mit der Mitteilung, dass die Klägerin eine Beziehung zu einem anderen Mann unterhalte. Diesem Brief hat der Beklagte keine besondere Bedeutung beigemessen. Die Angelegenheit wurde zwischen den Eheleuten besprochen und die Klägerin konnte einen allfälligen Verdacht des Beklagten zerstreuen. Allerdings gewann der Beklagte allmählich den Eindruck, dass das Familienleben durch die Erwerbstätigkeit der Klägerin beeinträchtigt wurde. Er fühlte sich zurückgesetzt, wozu auch der Umstand beitrug, dass die Klägerin bei Meinungsverschiedenheiten mit der Tochter M***** nicht seinen Standpunkt unterstützte und ihn auch über einen Schwangerschaftsabbruch der Tochter längere Zeit nicht informierte.
Schließlich kam es dazu, dass der Beklagte anlässlich einer Auseinandersetzung im April 1983 wegen eines nichtigen Anlasses der Klägerin erklärte, dass er mit ihr nichts mehr zu tun haben wolle. Tatsächlich hat der Beklagte ab dieser Auseinandersetzung im April 1983 seine sexuellen Beziehungen zur Klägerin zur Gänze und auf Dauer abgebrochen und seit diesem Zeitpunkt jede Annäherung der Klägerin abgelehnt. Eine Begründung dafür gab der Beklagte der Klägerin trotz deren Fragen nicht.
Der Beklagte hat aber seit dem Frühjahr 1983 nicht nur jeden sexuellen Kontakt mit der Klägerin abgelehnt, sondern sich seither insgesamt von der Klägerin zurückgezogen, mit dieser kaum noch gesprochen, ihr auch nicht gesagt, wann er von seinem Dienst in E***** jeweils wieder nach Hause zurückkomme und alle Annäherungsversuche der Klägerin abgewiesen. Es bestand daher zwischen den Streitteilen seit April 1983 keine Gesprächsbasis mehr, obwohl die Klägerin immer wieder versuchte, im Rahmen von Gesprächen die Probleme zu ergründen. Der Beklagte wich ihr dabei jedoch stets aus.
Dieser Abbruch der Beziehungen zur Klägerin durch den Beklagten im Frühjahr 1983 war keine Reaktion auf schwere Eheverfehlungen der Klägerin. Den Italiener R***** hat die Klägerin erst im Sommer oder Herbst 1983 bei einem Urlaub in Korsika kennen gelernt. Der Beklagte hat davon zwar erstmals schon im Herbst 1983 durch eine Erwähnung durch die Tochter M***** erfahren, damals aber noch keine Bedenken gehabt, dass dies eine nähere Beziehung sein könnte. Erst als auch nach einem Urlaub in Italien im Herbst 1983 neuerlich der Name R***** fiel, in der Folge öfters Telefonanrufe aus Italien kamen, der Beklagte im September 1984 einen von seiner Frau in italienischer Sprache geschriebenen Brief fand, den er jedoch nicht entziffern konnte und nachdem der Beklagte schließlich im Frühjahr 1985 im Klavier versteckt mehrere Briefe R*****s fand, schöpfte er Verdacht und ließ die Briefe übersetzen.
Dass die Klägerin häufig ihre Mitarbeiter der A*****-Versicherung, und zwar zunächst Herrn K***** und später Herrn M*****, im Hause des Klägers empfing, um Kundenbesuche zu besprechen oder vorzubereiten, hat dem Beklagten zwar schon seit dem Frühjahr 1983 missfallen. Dass die Kontakte der Klägerin zu M***** intensiver wurden, als es seiner Meinung nach beruflich nötig war, bemerkte der Beklagte aber ebenfalls erst anfangs 1985. Sein Verdacht, dass die Klägerin zum Kollegen M***** ehewidrige Beziehungen unterhielt, verstärkte sich dann, als der Beklagte im Mai 1985 erfuhr, dass sich beide zur selben Zeit zu einem Kuraufenthalt in Italien befanden.
Von den im Ersturteil festgestellten Erlebnissen der Klägerin anlässlich des Schiurlaubs im Februar 1984 in Ischgl erfuhr der Beklagte überhaupt erst nach Einbringung der Klage.
Im Herbst 1984, also etwa 1 1/2 Jahre nach dem Abbruch seiner Beziehungen zur Klägerin, erklärte der Beklagte ihr, sie solle sich innerhalb von zwei Monaten so ändern, dass er mit ihr leben könne, weil er sonst eine andere Verbindung eingehe. Die Klägerin hatte den Eindruck, dass sich eine solche Verbindung offenbar zu diesem Zeitpunkt bereits angebahnt hatte. Dass dies tatsächlich zutrifft, konnte nicht festgestellt werden.
In seiner rechtlichen Beurteilung verwarf das Gericht zweiter Instanz die von der Klägerin erhobene Mängelrüge, wonach kein ordnungsgemäßer Mitschuldantrag gestellt worden sei. Es vertrat aber im Gegensatz zum Erstgericht die Auffassung, dass insbesondere unter Bedachtnahme auf die Ursächlichkeit der beiderseitigen Verfehlungen für die Zerrüttung der Ehe der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Beklagten gerechtfertigt sei. Die den Parteien angelasteten Ehebrüche seien erst erfolgt, nachdem die Ehe aufgrund schwerer Eheverfehlungen des Beklagten bereits tiefgreifend zerrüttet war: Der Beklagte habe nämlich im April 1983 aus einem nichtigen Anlass und ohne gerechtfertigte Ursache die persönlichen Beziehungen zur Klägerin weitgehend abgebrochen und sich von der Klägerin zurückgezogen. Er habe seither nicht nur jeden sexuellen Kontakt mit der Klägerin verweigert und jede Annäherung von ihrer Seite abgelehnt, sondern sich auch ihren Versuchen, mit ihm wieder ins Gespräch zu kommen, weitgehend entzogen. Ein derartiger Abbruch ehelicher Kontakte im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung der Ehegatten mag zwar kurzfristig verständlich sein, die Verweigerung des Beklagten sei aber nicht nur vorübergehend gewesen, sondern habe trotz der Annäherungsversuche der Klägerin seither ohne Unterbrechung angehalten. Ein solches durch lange Zeit fortgesetztes Verhalten könne aber durch eine Verstimmung aus Anlass einer heftigen Auseinandersetzung nicht mehr entschuldigt werden; es stelle einen groben Verstoß gegen die Verpflichtung der Ehegatten zur anständigen Begegnung und zum Beistand (§ 90 EheG) und somit eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG dar.
Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden des Beklagten geschieden werde, wobei jedoch die Klägerin ein gleichteiliges Mitverschulden treffe.
Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Beklagte stellt in den Vordergrund seiner Ausführungen, dass die Abkühlung der Beziehungen der Streitteile seit dem Jahr 1982 bis zur gänzlichen Einstellung des sexuellen Kontaktes im April 1983 eine Folge des neu gewonnenen „Lebensgefühles“ der Klägerin infolge ihrer erfolgreichen beruflichen Betätigung als Gebietsvertreterin der A***** Versicherung gewesen sei. Nicht er, sondern sie sei nicht gesprächsbereit gewesen und habe kein Interesse gezeigt, sich in irgendeiner Weise den Wünschen des Beklagten anzupassen. Er habe sich damit nicht abfinden können und daher „vorerst“ den sexuellen Kontakt mit der Klägerin gemieden. Ein solcher hätte jedoch bei entsprechender Verständigungsbereitschaft der Klägerin durchaus wieder aufgenommen werden können.
Dem stehen jedoch die vom Berufungsgericht getroffenen ergänzenden Feststellungen entgegen, wonach der Beklagte seit April 1983 jede Annäherung der Klägerin ablehnte, obwohl sie immer wieder versuchte, im Rahmen von Gesprächen die Probleme zu ergründen. Allerdings kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden, dass die Ehe der Streitteile im Wesentlichen allein durch diese Vorgangsweise des Beklagten tiefgreifend zerrüttet wurde. Hiezu hat vielmehr auch das Gesamtverhalten der Klägerin in durchaus gravierender Weise beigetragen:
Es ist zwar richtig, dass der Klägerin daraus kein Vorwurf gemacht werden kann, sich beruflich in erfolgreicher Weise engagiert zu haben. Es ist aber bezeichnend für die allmählich in Schwierigkeiten geratende eheliche Situation der Streitteile, dass die Klägerin bei Gesprächen immer die Oberhand behielt, Aufklärung über ehewidrige Beziehungen zu einem anderen Mann geben musste, das Familienleben nicht mehr richtig funktionierte und die Klägerin sich bei Meinungsverschiedenheiten des Beklagten mit der Tochter auf deren Seite stellte. Auch dass die Klägerin den Beklagten über einen Schwangerschaftsabbruch der Tochter längere Zeit nicht informierte, weist auf die schon in dieser Zeitspanne beginnende Ehekrise der Parteien hin.
Unter diesem Aspekt betrachtet, ist dem dargelegten Verhalten des Beklagten zumindest in seinen ersten Ansätzen nicht ein derartiges Gewicht beizumessen, dass allen weiteren ehezerrüttenden Vorkommnissen nur mehr geringere Bedeutung zuerkannt wird. Schon im Sommer oder Herbst 1983 lernte nämlich die Klägerin den Italiener R***** kennen, mit welchem sie nach den Feststellungen des Erstgerichts „irgendwann zwischen Sommer 1983 und Herbst 1984 auch geschlechtlich verkehrte“. Dass der Beklagte den Ehebruch der Klägerin auch noch im Frühjahr 1985, als er das erste Mal Verdacht schöpfte (S 18 des Berufungsurteils), als ehezerstörend empfand, zeigt seine Reaktion auf eine weitere Beziehung der Klägerin zu einem anderen Mann, ihrem Berufskollegen G***** M*****. Dieses Verhältnis war dem Beklagten „ein Dorn im Auge“. Er brachte im Mai 1985 in Erfahrung, dass sich die beiden gemeinsam in Italien aufhielten und forderte M***** nach dessen Rückkehr auf, alle Beziehungen zur Klägerin abzubrechen; doch weder M***** noch die Klägerin hielten sich daran. Wenngleich der Klägerin diesfalls und auch anlässlich eines früheren Schiurlaubs im Februar 1984 in Ischgl kein weiterer Ehebruch nachgewiesen wurde, zeigt doch ihr dabei festgestelltes Verhalten ein beträchtliches Maß an Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Ehe, die sie auch dem äußeren Schein nach nicht mehr für berücksichtigungswert erachtete. Nur so ist es zu verstehen, dass die Klägerin nach einer durchzechten Nacht mit zwei Männern das Zimmer teilte.
Nach ständiger Rechtsprechung ist das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe nur dort anzunehmen, wo der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile derart augenscheinlich hervortritt, dass neben dem eindeutigen Verschulden des einen Teiles das Verschulden des anderen Teiles fast völlig in den Hintergrund tritt (vgl Schwind 2 251; Schwind in Klang 2 1/1 837; EFSlg 43.692; 1 Ob 193,194/75; 7 Ob 594/87; 8 Ob 636/87 uza). Davon kann unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Es ist zwar richtig, dass der Beklagte durch den einseitigen Abbruch der sexuellen Kontakte mit der Klägerin, je länger dieser Zustand dauerte, sich desto mehr in ein ehewidriges Verhalten verstrickte; es darf aber hiebei weder die dazu führende Ausgangslage noch der Umstand übersehen werden, dass die Klägerin als erste auf die fortschreitende Ehekrise mit offensichtlich ehewidrigen Beziehungen und schließlich auch als erste mit Ehebruch reagierte. Ehebruch ist aber eine der schwersten Eheverfehlungen, weil der darin gelegene Treuebruch regelmäßig die Vertrauensgrundlagen der ehelichen Gemeinschaft tiefgreifend und nachhaltig erschüttert. Ohne dass noch auf die beiderseitigen weiteren Eheverfehlungen in finanziellen Belangen eingegangen zu werden braucht, erweisen sich die dargelegten Eheverstöße der Klägerin jedenfalls als derart gravierend, dass von einem augenscheinlichen Zurücktreten ihrer eigenen Eheverfehlungen bei Beurteilung ihres Gesamtverhaltens im Verlaufe der Ehekrise nicht gesprochen werden kann.
Aus diesen Erwägungen muss die Entscheidung des Berufungsgerichts abgeändert und jene des Erstgerichts wiederhergestellt werden. Dass die Einwendung des Beklagten, die Klägerin treffe ein Mitverschulden an der Zerrüttung der Ehe, im Zweifel zur Annahme eines Mitverschuldensantrags ausreicht, hat das Berufungsgericht bereits eingehend dargelegt (vgl auch JBl 1951, 264 ua). Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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