Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern des mj. Gernot P***, geboren am 27.Februar 1980, und der mj. Iris P***, geboren am 19.Februar 1977, wurde am 13. Oktober 1986 aus dem überwiegenden Verschulden der Ehefrau geschieden. Hinsichtlich der mj. Iris wurden die Elternrechte und Pflichten über Antrag der Mutter dieser zuerkannt.
Hinsichtlich des mj. Gernot stellten beide Elternteile den Antrag, ihnen diese Rechte und Pflichten zuzuweisen.
Mit Beschluß ON 24 gab das Erstgericht dem Antrag des Vaters statt und wies jenen der Mutter ab.
Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und erteilte dem Erstgericht mehrfache Ergänzungsaufträge. Mit Beschluß ON 51 übertrug das Erstgericht die elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich des mj. Gernot der Mutter und wies den diesbezüglichen Antrag des Vaters ab. Es stellte auf Grund der Ergebnisse eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens unter besonderer Bedachtnahme auch auf die Gutachten der Sachverständigen Primaria Dr. Fischer, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, fest, daß bei keinem der Elternteile Eigenschaften vorliegen, die eine mangelnde Eignung zur Erziehung des mj. Gernot zur Folge haben. Beide Elternteile sind berufstätig und kommen täglich zwischen 16 Uhr und 17 Uhr nach Hause. Während der Zeit ihrer berufsbedingten Abwesenheit würden jeweils die väterlichen Großeltern bzw. die mütterliche Großmutter die Betreuung des Minderjährigen übernehmen. Auch alle Großelternteile sind hiezu grundsätzlich geeignet. Der mj. Gernot wohnt seit 5.Juli 1986, als die Mutter mit der mj. Iris die Ehewohnung in Weiz verließ, weiterhin bei seinem Vater, dessen Haushalt von seiner Mutter geführt wird. Die väterlichen Großeltern wohnen in ihrem nebenan gelegenen Haus. Der Vater bemüht sich sehr um die Betreuung des Buben. Die Mutter wohnt mit ihrem Lebensgefährten und der mj. Iris in einem eigenen, großzügig gebauten Haus in Weinitzen. Während ihrer berufsbedingten Abwesenheit führt ihre ebenfalls dort wohnhafte Mutter den Haushalt. Der Lebensgefährte der Mutter ist an den Kindern interessiert. Das Rekursgericht hielt den gegen die erstgerichtliche Entscheidung gerichteten Rekurs des Vaters nicht für gerechtfertigt. Es stellte ergänzend fest, daß die mj. Iris im Juli 1987 mehr als 14 Tage lang besuchsweise beim Vater und der mj. Gernot zunächst am 27. Juni 1987 und am 4.Juli 1987 und sodann vom 26.Juli 1987 bis 9. August 1987 besuchsweise bei der Mutter war und es dabei zu keinerlei ernsten Schwierigkeiten kam. Die abweisende Einstellung des mj. Gernot gegenüber der Mutter hat sich durch seinen Besuch bei dieser zum Positiven gewendet. Er leidet jedoch nach wie vor unter der Trennung von Mutter und Schwester; er hat ihr Weggehen nicht verstanden, als extrem verletztend erlebt und dadurch zu kompensieren versucht, daß er die Mutter abwertete und ihr mit sehr beleidigendem und kränkendem Verhalten begegnete. Dabei wurde er von seinem Vater und dessen Eltern unterstützt, welche ihr den Ehebruch und das Imstichlassen von Mann und Kind vorwarfen. Das aggressive Verhalten gegenüber seiner Mutter wählte der Minderjährige, um mit diesen Belastungen und seiner persönlichen Kränkung durch das Verlassenwerden fertig zu werden. Er lehnt die Mutter vordergründig massiv ab, in den tiefsten Schichten seiner Persönlichkeit fühlt er sich aber sehr zu ihr hingezogen. Aus diesem Grunde ist der zweiwöchige Besuch bei seiner Mutter auch sehr erfreulich verlaufen. Die Sehnsucht des mj. Gernot nach der Zuneigung seiner Mutter zeigte sich vor allem darin, daß er bei ihr schlafen wollte. Er wird vom Vater und dessen Eltern gegen die Mutter "verhetzt". Die Sachverständige Dr. Fischer befürwortete die Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich des mj. Gernot an die Mutter. Für seine weitere Entwicklung sind die Mutter (Sehnsucht und Geborgenheit), seine Schwester (soziales Verständnis und Teilenkönnen) und ein geregeltes Familienleben (Kontinuität, Harmonie) wichtig. Auch die zuständige Jugendwohlfahrtsbehörde hat sich für die Unterbringung des mj. Gernot bei der Mutter ausgesprochen.
In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Rekursgericht auf die bereits in seinem Aufhebungsbeschluß dargelegten, bei der gemäß den §§ 144, 177 Abs2 und 178 a ABGB vorzunehmenden Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten geltenden Grundsätze, insbesondere das für die Entscheidung in erster Linie maßgebende Kindeswohl, die nur ausnahmsweise Erheblichkeit von Eheverfehlungen eines Elternteiles sowie den Umstand, daß bei der erstmaligen Entscheidung über die elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich eines Kindes ein durch die Zuteilung erforderlicher Wechsel im Aufenthalt des Kindes dieser Zuteilung grundsätzlich nicht entgegenstehe. Der Vorwurf des Rekurswerbers, die Sachverständige habe in ihrem ersten Gutachten eine Zuweisung der elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich des mj. Gernot an den Vater befürwortet, sodaß ihr zweites gegenteiliges Gutachten hiezu in Widerspruch stehe, sei nicht gerechtfertigt. Die Sachverständige habe schon seinerzeit vor Gutachtenerstattung eine probeweise Besuchsrechtsausübung gefordert und nur mangels Zustandekommens einer solchen ihr Gutachten ohne diesbezügliche Entscheidungshilfe erstellt. Die positiven Erfahrungen mit der nunmehrigen probeweisen Besuchsausübung stellten neue Erkenntnisse für ihre Begutachtung dar. Unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Falles komme das Rekursgericht somit in Übereinstimmung mit dem Erstgericht zur Ansicht, daß die Zuweisung der elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich des mj. Gernot an die Mutter dem Wohle des Kindes besser entspreche. Im Vordergrund dieser Beurteilung stehe die Möglichkeit, daß der mj. Gernot zusammen mit seiner nur drei Jahre älteren Schwester Iris aufwachsen und dadurch auch lernen könne, sich einzuordnen und teilen zu müssen. Weiters, daß er bei seiner Mutter und Schwester das Gefühl der Geborgenheit besser erleben könne und aus einem von Ablehnung, wenn nicht Haß gegenüber seiner Mutter geprägten, von Erwachsenen beherrschten Umfeld in ein viel "kindergerechteres" komme. Nach dem bei den Besuchen gezeigten Verhalten des Minderjährigen könne ihn der Wechsel im Milieu nur vorübergehend belasten.
Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung erhebt der Vater einen auf die Beschwerdegründe der Nichtigkeit, offenbaren Gesetzwidrigkeit und Aktenwidrigkeit gestützten Revisionsrekurs gemäß § 16 AußStrG mit dem Antrage auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Stattgebung seines Antrages auf Zuweisung der elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich des mj. Gernot an ihn; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Unter Hinweis auf den vom Rekursgericht seinerzeit gefaßten Aufhebungsbeschluß vertritt er jedoch gleichzeitig die Ansicht, daß mangels eines diesem Aufhebungsbeschluß beigesetzten "Rechtskraftvorbehaltes" die Bekämpfung der nunmehrigen, den erstgerichtlichen Beschluß bestätigenden rekursgerichtlichen Entscheidung "primär" ohne die Beschränkung auf die Beschwerdegründe des § 16 AußStrG zulässig sei. Diese Ansicht ist unrichtig. Anders als im Rekursverfahren nach der Zivilprozeßordnung in der Fassung der Zivilprozeßnovelle 1983 (§ 528 Abs1 Z 1 mit dem Klammerzitat des § 502 Abs3 ZPO) gilt im Außerstreitverfahren eine den erstgerichtlichen Beschluß bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes auch dann als eine solche nach § 16 AußStrG, wenn der angefochtenen erstgerichtlichen Entscheidung ein rekursgerichtlicher Aufhebungsbeschluß vorausgegangen war:
Rechtliche Beurteilung
Eine Rechtsmittelbeschränkung für Aufhebungsbeschlüsse und die Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes ist im Außerstreitgesetz nicht vorgesehen. Solche Beschlüsse sind seit dem Judikat 203 (GlUNF 6486) nach der ständigen Judikatur grundsätzlich in dritter Instanz anfechtbar; die dem Erstgericht überbundenen rekursgerichtlichen Rechtsansichten sind dabei voll überprüfbar. Demgemäß ist aber eine den auf Grund des Aufhebungsbeschlusses ergangenen erstgerichtlichen Beschluß bestätigende rekursgerichtliche Entscheidung, wie sie hier vorliegt, nur mehr gemäß § 16 AußStrG anfechtbar.
Unter dem Beschwerdegrund der Aktenwidrigkeit macht der Rekurswerber geltend, das Rekursgericht habe aktenwidrigerweise festgestellt, daß der Vater den mj. Gernot gegen die Mutter "verhetze". Dem ist zu entgegnen, daß das Rekursgericht diese Feststellung auf der Grundlage der von ihm dargestellten Verfahrensergebnisse als tatsächliche Schlußfolgerung traf. Tatsächliche und rechtliche Schlußfolgerungen stellen nach ständiger Rechtsprechung aber grundsätzlich keine Aktenwidrigkeit dar (siehe die in Verfahren Außerstreitsachen MGA2 zu § 16 unter 126 abgedruckten E). Der behauptete Beschwerdegrund liegt somit nicht vor. Als Verfahrensmangel vom Gewichte einer Nichtigkeit zufolge unzureichender Stoffsammlung rügt der Revisionswerber, daß seinem Antrag auf Zuziehung eines weiteren Sachverständigen nicht entsprochen worden sei, er auch nicht Gelegenheit gehabt habe, zu den "divergierenden Gutachten" der Sachverständigen Dr. Fischer wenigstens anläßlich einer mündlichen Erörterung Stellung zu nehmen und sich diese Sachverständige mit den Wünschen und dem tatsächlichen Willen des Minderjährigen, beim Vater zu bleiben, sowie auch mit der Vater-Kind-Beziehung nur in untergeordnetem Maße auseinandergesetzt habe.
Auch dieser Beschwerdegrund ist nicht gegeben.
Von einem Verfahrensverstoß im Gewichte einer Nullität könnte nur dann gesprochen werden, wenn die dem Gericht gemäß § 2 Abs2 Z 5 AußStrG obliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben wäre, daß dadurch Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens, wie das Wohl des Kindes, vollkommen außer acht gelassen worden wären. Davon kann vorliegendenfalls aber im Hinblick auf die zweifache und ausführliche, auf der Grundlage der Vernehmung aller Beteiligten und unter Bedachtnahme auf die weitere Entwicklung des Verhältnisses des mj. Gernot zu seiner Mutter erfolgte Begutachtung durch die Sachverständige nicht die Rede sein. In der Unterlassung der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens liegt im übrigen schon grundsätzlich kein Verfahrensmangel vom Gewichte einer Nichtigkeit (8 Ob 501/80, 1 Ob 733/81, 2 Ob 587/86 ua); vielmehr handelt es sich dabei in Wahrheit um ein Problem der Beweiswürdigung, das auch im außerstreitigen Verfahren nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann. Selbst dann, wenn die Vorinstanzen der Ansicht sind, eine Entscheidung über die Zuteilung der Elternrechte auch ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilen zu können, liegt keine Nichtigkeit vor (4 Ob 565/80, 1 Ob 764/80, 6 Ob 624/84 ua). Dem Rekursvorbringen über eine unterbliebene mündliche Erörterung des Sachverständigengutachtens ist zu erwidern, daß ein Mangel des rechtlichen Gehörs und eine dadurch bewirkte Nichtigkeit nach ständiger Rechtsprechung schon dann nicht vorliegt, wenn Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten. Der Grundsatz des Parteiengehörs fordert nur, daß der Partei ein Weg eröffnet werde, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt vorbringen kann. Dies ist auch der Fall, wenn sie sich schriftlich äußern konnte (7 Ob 669/78; RZ 1983/62; 6 Ob 648/85 ua). Eine solche Äußerung hat der Vater in seinem Rekurs abgegeben und das Rekursgericht hat sich mit dem Vorbringen auch auseinandergesetzt. Die behauptete offenbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung schließlich erblickt der Rekurswerber darin, daß in dieser nicht auf den Grundsatz der Kontinuität der Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes und auch darauf nicht Bedacht genommen worden sei, daß für Buben mit zunehmendem Alter der Vater zur wesentlicheren Bezugsperson werde. Die im allgemeinen zu wahrende Möglichkeit des gemeinsamen Aufwachsens von Geschwistern stehe ihrer Trennung aus wichtigen Gründen nicht entgegen. Vorliegendenfalls habe der mj. Gernot eine starke Bindung zu seinem Vater, mit der Schwester Iris sei es zu Streitigkeiten gekommen; im Verhältnis zu der beim Vater gegebenen Erziehungs- und Betreuungssituation sei die bei der Mutter zu erwartende Situation keinesfalls besser, sodaß eine Änderung nicht zulässig sei. Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers liegt nach ständiger Rechtsprechung eine offenbare Gesetzwidrigkeit nur vor, wenn das Rekursgericht im Widerspruch zu einer ausdrücklichen und klaren gesetzlichen Regelung entschieden hat. Die Frage, welchem Elternteil nach erfolgter Scheidung der Ehe für die Zukunft die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten (§ 144 ABGB) allein zustehen sollen, ist in den §§ 177 und 178 a ABGB nicht bestimmt gelöst. Es sind nur Kriterien genannt,welche in die Ermessenserwägungen des Gerichtes einzubeziehen sind (3 Ob 617/78, 6 Ob 712/80, 2 Ob 563/86, 7 Ob 590/87 ua). Entscheidendes Grundprinzip für die Beurteilung ist das Wohl des Kindes. Auch der Grundsatz der Kontinuität der Erziehung ist diesem Grundprinzip des Wohles des Kindes insoweit untergeordnet (6 Ob 583/83, 2 Ob 675/85, 7 Ob 619/87 ua), als er nur mit einen Faktor bei der Gesamtbeurteilung des Kindeswohles darstellt.
Im angefochtenen Beschluß wurde eingehend dargelegt, weshalb das Rekursgericht - in Übereinstimmung mit dem Erstgericht, der zuständigen Jugendwohlfahrtsbehörde und der beigezogenen Sachverständigen - trotz des Umstandes, daß der Vater hier grundsätzlich zur Pflege und Erziehung des mj. Gernot gleich wie die Mutter geeignet ist, die Unterbringung des Kindes bei der Mutter dennoch als dessen Wohl besser entsprechend beurteilte. Dabei wurden im Sinne des § 178 a ABGB bei sonst gleichwertigen Verhältnissen die Bedürfnisse und Entwicklungsmöglichkeiten des mj. Gernot insgesamt - hiefür ist nicht nur der Vater als Bezugsperson maßgebend - als entscheidendes Kriterium gewertet. Mangels eines Verstoßes gegen das bei der zu treffenden Ermessensentscheidung nach dem Willen des Gesetzgebers maßgebliche Kriterium des Kindeswohls liegt somit auch nicht die behauptete offenbare Gesetzwidrigkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung vor.
Fehlt es solcherart an jedem Beschwerdegrund des § 16 AußStrG, so ist der Revisionsrekurs unzulässig und zurückzuweisen.
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