Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die am 31.12.1979 geborene Ingrid L*** entstammt der Ehe der Ruth L*** mit Ing. Gerhard L***. Die Ehe wurde am 4.12.1986 rechtskräftig geschieden. Nachdem die Mutter mit dem Kind bereits am 10.4.1985 die eheliche Wohnung verlassen hatte, einigten sich die Eltern in einer Scheidungsverhandlung am 24.9.1985 dahin, daß es dem Vater freistehe, die Tochter zu bestimmten Zeiten zu sich zu nehmen. Am 8.1.1986 hat der Vater in Ausübung des anläßlich des Scheidungsverfahrens vereinbarten Besuchsrechtes das Kind zu sich genommen und verweigert seither die Rückführung zur Mutter. Während das Erstgericht alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen den Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten im Sinne des § 144 ABGB dem Vater zugesprochen und ein Besuchsrecht für die Mutter festgesetzt hat, hat das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß die erwähnten Rechte der Mutter zugesprochen und die erstgerichtliche Entscheidung bezüglich des Besuchsrechtes aufgehoben. Den Antrag des Vaters, ihm die Rechte zu übertragen, hat es abgewiesen.
Bei ihrer Entscheidung gingen die Vorinstanzen im wesentlichen davon aus, daß beide Elternteile für die Erziehung des Kindes geeignet wären. Auch die räumlichen und persönlichen Verhältnisse bei beiden Eltern seien für das Wohl des Kindes günstig. Ebenso bestünden gute persönliche Kontakte des Kindes zum jeweiligen Elternteil und seinen mit ihm zusammenlebenden Angehörigen (im übrigen kann auf die detaillierten Wiedergaben des Rekursgerichtes auf den Seiten 194 f des Aktes verwiesen werden).
In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht im wesentlichen aus, bei Kindern im Alter der Minderjährigen sei im allgemeinen bei sonst gleichen Voraussetzungen eine Erziehung und Betreuung durch die Mutter vorzuziehen. Hiezu komme, daß der Vater das Kind eigenmächtig an sich genommen und lange Zeit den Kontakt zur Mutter unterbunden habe. Die erstgerichtliche Entscheidung würde daher eine Sanktionierung des rechtswidrigen Vorgehens des Vaters bewirken. Im Hinblick auf die Änderung der Zuteilung der Rechte nach § 144 ABGB müsse eine Neuregelung des Besuchsrechtes erfolgen. Der vom Vater gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.
Richtig erkannt haben beide Vorinstanzen, daß bei der Entscheidung über die Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten nach § 144 ABGB grundsätzlich vom Wohl des Kindes auszugehen ist. Die Forderung nach einer Kontinuität der Erziehung des Kindes entspringt dem Gedanken des Kindeswohles, weil nach der Lebenserfahrung die Stetigkeit und Dauer Grundbedingungen für eine erfolgreiche und damit dem Wohl des Kindes dienende Erziehung sind. Aus diesem Grund darf aber auch der Grundsatz der Kontinuität der Erziehung nicht um seiner selbstwillen aufrecht erhalten werden, sondern ist dem Wohl des Kindes unterzuordnen (7 Ob 536/87, 6 Ob 583/83 u.a.).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist insoweit nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, als er von anderen als den festgestellten Tatsachen ausgeht. Nach den getroffenen Feststellungen sind sowohl die örtlichen als auch die räumlichen Verhältnisse bei beiden Elternteilen dem Wohl des Kindes gleich zuträglich. Ferner steht fest, daß der Vater das Kind unter Mißbrauch seines Besuchsrechtes rechtswidrig an sich gebracht hat. Geht man von diesen Feststellungen aus, erweist sich die Entscheidung des Rekursgerichtes als richtig.
Vorerst muß dem Rekursgericht dahin beigepflichtet werden, daß im allgemeinen für Kleinkinder die Erziehung durch die Mutter wichtiger und zielführender ist als die Betreuung durch den Vater. Daß hier ein Ausnahmsfall vorläge, der eine andere Beurteilung zuließe, kann den getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden. Darüber hinaus hat aber das Rekursgricht auch mit Recht das Verhalten des Vaters im Zusammenhang mit dem nunmehrigen Verbleib des Kindes berücksichtigt. Selbstverständlich muß auch ein rechtsmißbräuchliches Ansichbringen eines Kindes nicht grundsätzlich dazu führen, daß dem anderen Elternteil die Rechte des § 144 ABGB zuerkannt werden müssen, weil immer nur das Wohl des Kindes für eine diesbezügliche Entscheidung maßgeblich ist und daher das Wohl des Kindes Vorrang vor einer negativen Beruteilung eines rechtswidrigen Verhalten eines Elternteiles genießt. Immerhin können aber aus einem solchen Verhalten Schlüsse im Hinblick auf das Wohl des Kindes gezogen werden. Es muß bezweifelt werden, ob eine Person, die sich ohne weiters über Rechtsgrundsätze hinwegsetzt, für die Erziehung eines Kindes bestens geeignet ist. Dazu kommt, daß der Vater nach den getroffenen Feststellungen monatelang den Kontakt der Minderjährigen zu der Mutter unterbunden oder zumindest nicht ermöglich hat. Er hat damit das Kind der Gefahr des Verlustes einer für Kleinkinder besonders wichtigen Bezugsperson ausgesetzt. Ein solches Verhalten kann nicht im Interesse des Kindes liegen. Selbst wenn man dem Vater hier zubilligt, er sei subjektiv der Meinung gewesen, im Interesse des Kindes zu handeln, würde dies nicht für ihn sprechen, sondern nur dartun, daß er dazu neigt, seine eigenen Interessen und Sympathien mit den Interessen des Kindes zu verwechseln. Wer dazu neigt, im Streit mit seinem geschiedenen Ehegatten Maßnahmen zu setzen, die sich nachteilig auf die gemeinsamen Kinder auswirken können, wird im allgemeinen nicht der geeignetste Erzieher der Kinder sein.
Der Oberste Gerichtshof schließt sich daher der Rechtsansicht des Rekursgerichtes an.
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