OGH 2Ob563/86

OGH2Ob563/8622.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Anna S***, geboren am 5. Juni 1974, und Ignaz S***, geboren am 12. November 1978, infolge Revisionsrekurses der Mutter Editha S***, 2102 Bisamberg, Parkring 53a, vertreten durch Dr. Helmut Krenn, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Rekursgerichtes vom 18. Februar 1986, GZ. 5 R 42-44/86-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Korneuburg vom 3. Jänner 1986, GZ. P 101/83-29, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Jeder der beiden Elternteile stellte den Antrag, ihm hinsichtlich der aus der inzwischen rechtskräftig geschiedenen gemeinsamen Ehe stammenden Kinder mj. Anna S***, geboren am 1. Juni 1974, und Ignaz S***, geboren am 12. November 1978, das Recht der Pflege und Erziehung und alle übrigen elterlichen Rechte und Pflichten zu übertragen.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Vaters statt und wies jenen der Mutter ab. Der Rekurs der Mutter hatte keinen Erfolg. Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erhebt die Mutter ein als Rekurs bezeichnetes Rechtsmittel, in welchem sie die Rekursgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Nach der Bestimmung des § 16 AußStrG kann ein Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz, mit welcher ein erstinstanzlicher Beschluß bestätigt wurde, nur aus den Beschwerdegründen der offenbaren Gesetzwidrigkeit, der Aktenwidrigkeit und der Nichtigkeit angefochten werden.

Das Vorliegen der vorgenannten Anfechtungsgründe wird von der Rechtsmittelwerberin nicht behauptet. Die von ihr geltendgemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens stellt grundsätzlich keinen Beschwerdegrund nach § 16 AußStrG dar. Ein Verfahrensverstoß kann nach der Rechtsprechung im Pflegschaftsverfahren nur dann zu einer - von Amts wegen wahrzunehmenden - Nichtigkeit führen, wenn die dem Gerichte gemäß § 2 Abs. 2 Z 5 AußStrG obliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben ist, daß dadurch Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens, insbesondere das Wohl der Kinder, völlig außer acht gelassen wurden (6 Ob 588/77, 2 Ob 527/82, 2 Ob 669/85 u.v.a.). Davon kann aber hier nicht die Rede sein, weil das Erstgericht eine zweifache Untersuchung der Kinder durch einen Sachverständigen der Kinderpsychologie vornehmen ließ und ein darauf bzw. auch auf die Untersuchung beider Elternteile gestütztes, später noch ergänztes Gutachten eingeholt sowie die Kinder und die Eltern auch selbst vernommen hat. Das Gericht zweiter Instanz ergänzte die Beweisaufnahmnen weiters durch Einsichtnahme in den den Vater betreffenden Strafakt 12 d E Vr 798/83 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und traf hieraus zusätzliche Feststellungen. Eine den Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens widerstreitende, weil im Hinblick auf das zu beurteilende Kindeswohl völlig unzureichende Stoffsammlung ist somit keinesfalls gegeben.

In einer, wie hier von der Rechtsmittelwerberin behaupteten, unrichtigen rechtlichen Beurteilung liegt grundsätzlich noch keine offenbare Gesetzwidrigkeit. Diese setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß entgegen einer im Gesetz klar und ausdrücklich erfolgten Regelung entschieden wurde, welche Annahme aber bei einer Ermessensentscheidung schon begrifflich ausscheidet (siehe die bei Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen MGA 2 zu § 16 unter B, E 19 bis 24 abgedruckten Entscheidungen). Die Frage, welchem Elternteil nach erfolgter Scheidung der Ehe die elterlichen Rechte und Pflichten zuzuweisen sind, ist in den diesen Fall regelnden Bestimmungen der §§ 177, 178 a ABGB nicht ausdrücklich gelöst. Das Gesetz stellt lediglich Entscheidungskriterien auf, wobei ausschlaggebend im Sinne des § 178 a ABGB letztlich immer das Wohl des Kindes ist. Die vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung hat daher dieses Wohl in den Vordergrund zu stellen.

Vorliegendenfalls führt die Rechtsmittelwerberin aus, beim mj. Ignaz handle es sich um ein Kleinkind und auch die elfjährige Anna bedürfe gleichermaßen noch der mütterlichen Liebe und Pflege und sei daher vorzüglich der Mutter zuzuweisen, wobei auch die Kontinuität der Pflege und Erziehung entscheidend erscheine. Aus den schweren Eheverfehlungen des Vaters und dem Umstand, daß er die Kinder "gegen die Mutter und durch eingelernte Anworten auch im Testverfahren beeinflußt" habe, müsse überdies auf eine mangelnde Eignung seinerseits zur Betreuung der Kinder geschlossen werden. Mit diesem Vorbringen wird eine offenbare Gesetzwidrigkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung nicht dargetan. Die Unterinstanzen haben ausdrücklich die Frage in den Vordergrund ihrer rechtlichen Erwägungen gestellt, bei welchem Elternteil das Wohl der Kinder - beim mehr als siebenjährigen Ignaz handelt es sich um kein Kleinkind - besser gewährleistet ist. Auch das Rekursgericht kam auf der Grundlage der von ihm ergänzten erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen zum Ergebnis, daß der Vater - trotz seiner strafrechtlichen Verurteilung - als Erziehungsperson wesentlich besser geeignet sei als die Mutter und eine Unterbringung der Kinder beim Vater, bei dem sie sich tatsächlich schon seit mehr als zwei Jahren befinden, deren Wohl besser entspricht. Eine Beeinflussung der Kinder vor der Testvornahme durch den Vater war nach dem Inhalt des Sachverständigengutachtens (AS 94) nicht erweislich.

Somit ist aber auch nicht zu erkennen, daß ein Grundprinzip des Pflegschaftsverfahrens verletzt und dadurch eine offenbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung bewirkt worden sei. Mangels Vorliegens eines der im § 16 AußStrG genannten Beschwerdegründe war der ao. Revisionsrekurs der Mutter daher zurückzuweisen.

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