OGH 8Ob58/22w

OGH8Ob58/22w25.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z* U* I* GmbH *, vertreten durch die Kneissl Tuncer Ebermayer Rechtsanwälte GmbH in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei V* E* P* GmbH & Co KG *, vertreten durch Dr. Michael Hohenauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 253.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. März 2022, GZ 3 R 172/21z‑34, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00058.22W.0525.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist eine reine Projektgesellschaft. Mit Ausnahme der Geschäftsführung waren bei ihr im Jahr 2018 keine Mitarbeiter beschäftigt. Die Z* W* P* GmbH, eine Gesellschafterin der Klägerin, stellte ihr für die Abwicklung von Projekten die Personalressourcen zur Verfügung.

[2] Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der V* E* P* GmbH, welche vormals als B* P* GmbH firmierte und deren Geschäftsführer T* K* war. Dieser bestätigte mit E‑Mail vom 20. 7. 2018 an die für das Projekt zuständige Mitarbeiterin der Z* W* P* GmbH, Mag. M*, unter Nennung eines Kaufpreises von 1,8 Millionen EUR „unser verbindliches Kaufanbot für das ua baubewilligte Projekt * in K*“. In der E‑Mail-Signatur war als Absender „T* K* CFO – kfm Leitung V* E* GmbH, *“ angeführt. Die „V* E* GmbH“ wurde nie gegründet bzw in das Firmenbuch eingetragen.

[3] Für die Beteiligten war klar, dass das Projekt nicht persönlich von T* K*, sondern einer erst namhaft zu machenden Gesellschaft erworben werden sollte. Am 23. 7. 2020 wurde T* K* von Mag. M* mitgeteilt, dass das Projekt nicht von der Z* W* P* GmbH, sondern von der Klägerin verkauft werde und dass der Geschäftsführer der Klägerin erklärt habe, das Angebot vom 20. 7. 2020 anzunehmen.

[4] Mit in Kopie an die Klägerin ergangenem E‑Mail vom 25. 7. 2018 teilte T* K* dem als Vertragserrichter vorgesehenen Rechtsanwalt mit, dass „das fertig projektierte Grundstück […] von der [Klägerin] zu einem Gesamtpreis von € 1,8 Mio von der B* P* GmbH erworben [wird]“.

[5] T* K* hatte sich vor Abgabe des Anbots vom 20. 7. 2018 erkundigt, um welchen Quadratmeterpreis die Wohnungen bei einem vorherigen Projekt veräußert worden seien. Was ihm Mag. M* zur Antwort gab, steht ebensowenig fest wie ob T* K* erwähnte, dass für ihn die beim vorherigen Projekt erzielten Verkaufspreise Grundlage für seine Entscheidung in Bezug auf den Ankauf des nunmehrigen Projekts seien.

[6] Die Vorinstanzen gaben der auf Schadenersatz wegen Nichteinhaltung des geschlossenen Vertrags gerichteten Klage statt.

[7] In der außerordentlichen Revision wird keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität dargelegt.

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Zum Zustandekommen eines Kaufvertrags genügt grundsätzlich die Einigung über Kaufpreis und Kaufgegenstand. Dass Nebenpunkte nicht besprochen wurden, steht der Annahme des Zustandekommens eines Kaufvertrags nicht entgegen. Die fehlenden Punkte sind vielmehr aus dem Willen der Parteien zu erschließen oder aus dem Gesetz zu ergänzen (RIS‑Justiz RS0013973; vgl auch 8 Ob 137/21m [Rz 2]). War allerdings eine Vereinbarung über offen gebliebene Punkte vorbehalten, kommt der Vertrag erst zustande, wenn sich die Parteien auch darüber geeinigt haben (RS0013973 [T18]). Ein solcher Vorbehalt ist dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen.

[9] 2. Die Ansicht der Vorinstanzen, der Beklagten sei als Rechtsnachfolgerin der B* P* GmbH die Erklärung von deren Geschäftsführer, T* K*, dass die B* P* GmbH die Liegenschaft kaufe, zuzurechnen, und dass folglich nicht nur hinsichtlich des Kaufobjekts und des Kaufpreises sondern auch der Frage, wer Verkäufer (nämlich die Klägerin) und wer Käufer (nämlich die Rechtsvorgängerin der Beklagten) sei, Konsens bestanden habe, bedarf keiner höchstgerichtlichen Korrektur.

[10] 3. Jeder Geschäftspartner trägt das Risiko richtiger Kalkulation selbst, ein Irrtum über die Kalkulation ist grundsätzlich ein unbeachtlicher Motivirrtum. Anderes gilt, wenn die Kalkulation als solche zum entscheidenden Gegenstand der Vertragsverhandlung oder Inhalt des Geschäfts gemacht wurde, was Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen und Einvernehmen darüber voraussetzt, dass das Geschäft zu diesen Bedingungen auf der Basis dieser Kalkulation erfolge (vgl RS0014904; RS0014894; RS0014927; vgl auch Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 871 Rz 17 ABGB). Aufgrund der getroffenen negativen Feststellungen ist die Beurteilung der Vorinstanzen, es liege ein (unberechtigter) Rücktritt wegen eines unbeachtlichen Kalkulationsirrtums vor, nicht zu beanstanden.

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