Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die vorinstanzlichen Beschlüsse werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Mit Beschluß vom 25.11.1986 wurde die Unterhaltsverpflichtung des Vaters der mj. Sabrina Z***** von monatlich S 1.330 ab 1.5.1986 auf monatlich S 1.150 herabgesetzt; dem Beschluß wurde ein Durchschnittseinkommen des Vaters von monatlich S 7.933,33 zugrundegelegt.
Am 20.3.1990 beantragte der Unterhaltssachwalter, den Vater zu einem Unterhaltsbeitrag von S 2.000 monatlich zu verpflichten. Das Jugendamt brachte vor, der Vater erziele ein Nettoeinkommen von 12.000 S monatlich; die mit Beschluß vom 25.11.1986 festgelegte Unterhaltsverpflichtung von 1.150 S entspreche nicht mehr den Bedürfnissen des Kindes und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Vaters. Dieser Antrag wurde dem Vater unter Androhung der Säumnisfolgen des § 185 Abs. 3 AußStrG mit der Aufforderung zur Stellungnahme zugestellt. Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.
Mit Beschluß vom 13.11.1990 verpflichtete das Erstgericht den Vater, ab 1.4.1990 einen Unterhaltsbeitrag von 2.000 S monatlich zu bezahlen. Es ging dabei im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Die Minderjährige befindet sich in der Obsorge ihrer Mutter. Der Vater war in der Zeit vom 8.1.1990 bis 13.3.1990 bei der Firma ***** O***** als Bauhelfer beschäftigt und verdiente in dieser Zeit insgesamt S 28.960. Seit 30.3.1990 bezieht er Arbeitslosenunterstützung von zuletzt täglich S 260,30 einschließlich Familienzuschlag. Laut Auskunft des Arbeitgebers wurde er gekündigt, da er unzuverlässig war und ständig unbegründet dem Dienst ferngeblieben ist. Außer für die mj. Sabrina hat der Vater noch für die am 10.3.1977 geborene Martina D***** zu sorgen.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Meinung, dem Vater könne die Erzielung eines Einkommens von 12.500 S monatlich durchaus zugemutet werden. Es stehe ihm zwar frei, die Art seiner Tätigkeit zu wählen, er sei jedoch verpflichtet, unter Anspannung all seiner Kräfte zum Unterhalt seines Kindes beizutragen. Da er die Kündigung selbst verschuldet habe, könne bei der Unterhaltsbemessung nicht vom Arbeitslosengeld ausgegangen werden.
Wegen unbekannten Aufenthaltes des Vaters bestellte das Erstgericht für ihn mit Beschluß vom 17.12.1990 Rechtsanwalt Dr. N***** gemäß § 116 ZPO zum Prozeßkurator. Dem Rekurs des durch diesen Kurator vertretenen Vaters gab das Rekursgericht Folge und wies den Unterhaltserhöhungsantrag der Minderjährigen ab; der ordentliche Revisionsrekurs wurde nicht für zulässig erklärt.
Das Rekursgericht stellte ergänzend fest, der Vater habe in der Zeit vom 31.10.1989 bis 7.1.1990 Notstandshilfe bezogen. Nach dem schuldhaften Verlust seines Arbeitsplatzes sei er wieder als arbeitssuchend gemeldet.
Zur Rechtsfrage führte das Rekursgericht aus, der schuldhafte Verlust des Arbeitsplatzes rechtfertige noch nicht die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes. Maßgeblich dafür sei lediglich, ob der Unterhaltspflichtige bei vollem Einsatz seiner Kräfte nicht in der Lage sei, ein entsprechendes Einkommen zu erzielen. Die erfolglose Meldung zur Arbeitsvermittlung widerspreche grundsätzlich einer solchen Annahme. Ein diesbezüglich atypischer Sachverhalt sei nicht behauptet worden. Ausgehend vom festgestellten Arbeitslosengeld sei eine höhere Unterhaltsverpflichtung als jene von monatlich S 1.150 wirtschaftlich nicht zumutbar.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung abzuändern und den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen. Zur Begründung wird ausgeführt:
Der vorliegende Fall stelle ein klassisches Beispiel für einen Unterhaltsschuldner dar, der sich seiner Unterhaltspflicht zu entziehen suche. Dies ergebe sich aus seinem unbekannten Aufenthalt, dem unzureichenden Einsatz seiner Kräfte bei der Arbeitsfindung und der Unterlassung der Herstellung eines Kontaktes mit dem Sachwalter des Kindes. Bei ernsthaften Bemühungen müsse es dem Vater möglich sein, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden; aufgrund des zeitweise unbekannten Aufenthaltes sei eine Vermittlung durch das Arbeitsamt aber gar nicht möglich. Es sei auch auf die altersbedingt gestiegenen Bedürfnisse der Minderjährigen Bedacht zu nehmen, zumal die Unterhaltsverpflichtung weit unter dem Durchschnittsbedarf liege.
Der Rekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung zur Frage der Beweislast bei Anwendung der Grundsätze der Anspannungstheorie abgewichen ist und somit die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt (§ 14 Abs. 1 AußStrG).
Das zulässige Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend haben die Vorinstanzen ausgeführt, daß der gemäß § 140 Abs. 1 ABGB zur Deckung der angemessenen Bedürfnisse seines mj. Kindes "nach seinen Kräften" beitragspflichtige Vater, dem seine Unterhaltsverpflichtung bekannt ist, ungeachtet seines unbekannten Aufenthaltes im Sinne der sogenannten Anspannungstheorie (siehe dazu Pichler in ÖA 1976, 53 ff; EFSlg. 55.560, 55.561; 8 Ob 543/90) zur Unterhaltsleistung verpflichtet werden kann. Die fristlose Entlassung oder schuldhaft herbeigeführte Kündigung des Dienstverhältnisses rechtfertigt für sich allein noch nicht, gegen ihn nach den Grundsätzen der Anspannungstheorie vorzugehen. Wenn die Entlassung oder Kündigung in der Absicht herbeigeführt wurde, sich der Unterhaltspflicht zu entziehen, ist die mangelnde Anspannung des Verpflichteten, den Unterhalt nach seinen Kräften zu leisten, zwar augenscheinlich, dennoch kommt es auch diesfalls darauf an, ob er sich hernach über die bloße Anmeldung als Arbeitssuchender hinaus in jeder ihm zumutbaren Weise um die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes tatkräftig bemüht hat. Die bloße Feststellung, daß der Unterhaltsschuldner gekündigt wurde und in der Folge Arbeitslosenunterstützung bezog, reicht noch nicht aus, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anspannung des Unterhaltspflichtigen in der Weise zu bejahen, daß er weiterhin den bisher festgesetzten oder gar einen höheren Unterhalt zu leisten hätte (6 Ob 655/90; 8 Ob 509/91).
Ob sich der Unterhaltsschuldner im vorliegenden Fall in jeder ihm zumutbaren Weise um die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes tatkräftig bemüht hat, steht nicht fest. Weitere Erhebungen konnten auch nicht durchgeführt werden, da er unbekannten Aufenthaltes war.
Auch in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Außerstreitverfahren sind die allgemeinen Beweislastregeln von Bedeutung, wenngleich die subjektive Beweislast durch die Verpflichtung des Gerichts ergänzt wird, auch ohne entsprechende Behauptungen der Parteien die zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen zu erheben. Wird aber trotz des Untersuchungsgrundsatzes der Beweis für erhebliche Tatsachen nicht erbracht, so richtet sich nach den allgemeinen Beweislastregeln, zu wessen Lasten die Unmöglichkeit der Beweisführung geht (SZ 53/54; ÖA 1982, 67; EvBl. 1991/69; 7 Ob 620, 621/90). Im Unterhaltsverfahren hat demnach der Unterhaltsberechtigte die Abstammung, das Wissen des Unterhaltspflichtigen von seiner Unterhaltsverpflichtung und seinen Unterhaltsbedarf, der Unterhaltspflichtige hingegen seine Unfähigkeit zur Leistung der vollen gesetzlichen Verpflichtung trotz Anspannung seiner Kräfte zu beweisen (8 Ob 543/90). Der dem Unterhaltspflichtigen obliegende Beweis wurde im vorliegenden Fall nicht erbracht, sodaß, entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes, grundsätzlich die Voraussetzungen für die Anwendung der Anspannungstheorie gegeben sind. Da sich aber auch die im Unterhaltserhöhungsantrag aufgestellte Behauptung, der Unterhaltspflichtige beziehe nunmehr ein monatliches Nettoeinkommen von 12.000 S, als unrichtig erwiesen hat, ist zunächst von jenen Verhältnissen auszugehen, die der vorangehenden Festsetzung des Unterhaltes zugrundelagen (SZ 53/54). Die Minderjährige hat ihren Unterhaltserhöhungsantrag aber nicht nur auf die (unrichtige) Behauptung eines Einkommens des Unterhaltspflichtigen von 12.000 S monatlich gestützt, sondern auch darauf, daß der bisherige monatliche Unterhaltsbeitrag von S 1.150 nicht mehr ihren Bedürfnissen entspreche. Mit dieser Tatfrage haben sich die Vorinstanzen aber nicht auseinandergesetzt; das Erstgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Auch wenn der Vater auf den ihm zugestellten Unterhaltserhöhungsantrag nicht reagiert hat, können dennoch die Rechtsfolgen des § 185 Abs 3 AußStrG nicht eintreten, weil eine im Hinblick auf das Wohl der Minderjährigen besonders dringliche Erledigung nicht geboten war. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, daß aufgrund der Geldentwertung und des höheren Alters der Minderjährigen deren Bedürfnisse um rund 74 % (Verhältnis von S 1.150 zu S 2.000) gestiegen sind, so wird dem Unterhaltserhöhungsantrag zur Gänze stattzugeben sein. Eine geringere Erhöhung der Bedürfnisse wird zu einer entsprechenden Erhöhung des Unterhaltsbeitrages führen müssen.
Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, daß nach den Behauptungen im Revisionsrekurs der Unterhaltsschuldner in *****, aufrecht gemeldet ist.
Es wird daher, wenn diese Behauptung zutrifft, auch möglich sein, ihn insbesonders zur Frage der Suche nach einem Arbeitsplatz zu vernehmen. Dies könnte dazu führen, daß die oben angeführten Beweislastregeln dann nicht anzuwenden sind.
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