Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 8.320,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von 960 S, die Umsatzsteuer von 669,15 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger nahm als erblasserischer Witwer der am 30. Juni 1980 verstorbenen Josefine R***, geborene P***, die Beklagte als mit Testament vom 22. Jänner 1980 für den in Österreich gelegenen Nachlaß (die Hälfte der Liegenschaft EZ 403 KG Reiterndorf) bestimmte Erbin wegen Unwirksamkeit des Testamentes auf Herausgabe dieses Nachlasses (insoweit also mit Erbschaftsklage) in Anspruch. Sein auf den Ehegattenpflichtteil gestütztes hilfsweises Begehren lautete nach Klagseinschränkung und Ausdehnung auf Zuspruch eines Betrages von 190.000 S samt 4 % Zinsen seit 21.November 1981. Nur mehr das Eventualbegehren ist Gegenstand des Revisionsverfahrens. Es komme in Anbetracht des in Österreich gelegenen Nachlasses nicht auf das Personalstatut des Klägers im Sinne des § 28 IPR-Gesetzes, sondern gemäß § 31 IPRG auf das Recht der gelegenen Sache an. Demnach sei auch österreichisches Pflichtteilsrecht (§ 757 bzw. 765 ABGB) anzuwenden; dabei sei das in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gelegene gemeinschaftliche Vermögen der Ehegatten R*** (community property in der besonderen Form der joint tenancy) nicht in Betracht zu ziehen, weil dieses dem Kläger nicht aus einem Erbrechtstitel, sondern als gemeinschaftliches Eigentum angewachsen sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Testament sei gültig. Was aber den Pflichtteilsanspruch bzw. das Eventualbegehren angehe, so habe der Kläger durch die Rechtsnachfolge in das in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gelegene Vermögen der Erblasserin mehr erhalten, als sein Pflichtteil nach österreichischem Recht ausmachen würde. Beim Anteil an der EZ 403 KG Reiterndorf handle es sich um Vermögen, welches aus der Familie der Erblasserin (im weiteren Sinne) stamme und letztlich in dieser habe verbleiben sollen.
Das Erstgericht wies sowohl das Hauptbegehren als auch das Eventualbegehren ab. Es ging von der Echtheit und Wirksamkeit des erblasserischen Testamentes vom 22.Jänner 1980 aus. Als Grundlage für die Entscheidung über das Eventualbegehren (Pflichtteilsanspruch) traf es die weitere Feststellung, daß die Erblasserin gemeinsam mit ihrem Gatten, dem Kläger, über Vermögen in den USA von zusammen 117.400 US-Dollar verfügt habe, sodaß auf ihre Person 58.700 US-Dollar entfallen seien. Dieser Vermögenswert der Erblasserin sei nunmehr dem Kläger zugekommen.
Rechtlich war das Erstgericht zum Eventualbegehren der Ansicht, daß es gemäß § 28 IPRG auf das Personalstatut der Erblasserin ankomme, die Staatsbürgerin der Vereinigten Staaten von Nordamerika gewesen sei. Dabei handle es sich aber im Sinn des § 5 IPRG um eine Gesamtverweisung, die auch das ausländische Konfliktsrecht umfasse. Danach finde eine Rückverweisung auf österreichisches Recht statt, da es nach kalifornischem Recht bei ausländischem Liegenschaftsbesitz auf die Rechtsordnung der gelegenen Sache ankomme. Auf den Pflichtteil des erblasserischen Witwers sei auch das anzurechnen, was er als Rechtsnachfolger nach dem in den Vereinigten Staaten gelegenen Vermögen der Ehegattin erhalten habe. Der Kläger könne nun, nach dem Ableben seiner Ehegattin, über Vermögenswerte von 117.400 US-Dollar frei verfügen, was einen Zuwachs im Ausmaß von 58.700 US-Dollar bedeute.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, daß der durch eine internationale Rechtsbeziehung gekennzeichnete Sachverhalt für das Aufsuchen der Verweisungsnorm zunächst dem Recht des angerufenen Gerichtes zu unterstellen, die auf diesem Wege aufgefundene Sachnorm des ausländischen Rechtes hingegen nach der ausländischen Rechtsordnung zu qualifizieren sei. Im vorliegenden Fall sei vermöge der Rückverweisung (§§ 28 und 31 in Verbindung mit § 5 IPRG) österreichisches Sachrecht (Erbrecht) anzuwenden. Nach dem österreichischen internationalen Privatrecht soll nicht mechanisch nach der Stufenqualifikation vorgegangen werden, wenngleich diese von der Rechtsprechung grundsätzlich angewendet wird, sondern die den beiden Rechtsordnungen gemeinsame Zweckidee verwirklicht werden, was im Sinne einer rechtsvergleichenden autonomen Qualifikation im vorliegenden Fall ein Abgehen von der ausschließlich erbrechtlichen Beurteilung verlange. In diesem Sinn sei bereits entschieden worden, daß bei der Pflichtteilsberechnung sowohl das im Inland wie auch das im Ausland befindliche erblasserische Vermögen heranzuziehen sei. Demgemäß gelange man daher zu dem Ergebnis, daß die ehegüterrechtliche Betrachtung des gemeinsamen Vermögens der Ehegatten R***, welches sie in der Gestalt der joint tenancy besessen haben, nicht Anlaß dafür sein kann, entgegen dem Willen der Erblasserin dem Kläger einen uneingeschränkten Pflichtteil allein auf der Grundlage des österreichischen Sondervermögens der Erblasserin zuzubilligen. Beziehe man aber auch nur das Hälfteeigentum des in den USA gelegenen Vermögens in die Berechnung ein, könne dem Kläger darüber hinaus keine weitere Geldforderung aus dem Titel des Pflichtteils gegen die Beklagte zustehen. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem (Eventual-)Begehren auf Zuspruch von 190.000 S stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger gibt als richtig zu, daß letztlich auf das Pflichtteilsrecht österreichische Sachnormen Anwendung finden. Gemäß § 787 ABGB sei auf den Pflichtteil nur anrechenbar, was der Noterbe "wirklich erhält". Die Anrechnung erfolge durch Abzug des zugewendeten Wertes vom Wert des ermittelten Pflichtteilsanspruches. Der Kläger habe jedoch nichts erhalten, weil das in "joint tenancy" gehaltene Vermögen nicht in ein Nachlaßverfahren einzubeziehen sei.
Dazu war zu erwägen:
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einem Sachverhalt mit Auslandsbeziehung zwischen der Auffindung des anzuwendenden Rechtes und dessen Anwendung zu unterscheiden. In der ersten Stufe der Qualifikation muß jeder Sachverhalt, bei dem es gilt, eine Kollisionsnorm aufzufinden, im System der lex fori eingeordnet werden, welches dann das Anknüpfungsmoment und damit die Verweisung auf das anwendbare Recht bestimmt (Schwind, HdB des österr. IPR, 48; SZ 45/91; EvBl 1977/244 ua). Für den vorliegenden Fall wäre zunächst - da die Erblasserin Staatsbürgerin der Vereinigten Staaten von Amerika ist - gemäß § 28 IPRG deren Personalstatut maßgebend. Da gemäß § 5 IPRG die Verweisung auch das Konfliktrecht des ausländischen Staates umfaßt, ist jedoch zu beachten, daß danach bei testamentarischer Erbfolge in den unbeweglichen Nachlaß grundsätzlich die zur Zeit des Todes maßgebliche "lex rei sitae" Anwendung findet. "The general rule in the United States is that the validity, operation, effect, etc. of a will by which real property is devised is determined by the law of the place where the land is situated" (lex rei sitae - Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht VI, 40/49). Diese weit gefaßte Regelung umfaßt zwanglos auch Pflichtteilsansprüche aus testamentarischer Erbfolge, die nur einen als Nachlaß in Österreich liegenden Liegenschaftsbesitz zum Gegenstand haben und auch allein nach dessen Wert ermittelt werden. Im vorliegenden Fall kommt jedoch dazu, daß dem Kläger darüber hinaus von Todes wegen seiner Ehefrau Josefine R*** aus der unten zu behandelnden community property mit dieser ein Vermögenszuwachs von US-Dollar 58.700 zukam. Bezüglich dieses Nachlaßteiles erfolgt keine Rückverweisung auf österreichisches Recht. Dies führt dazu, daß verschiedene Nachlaßteile letztlich verschiedenen Erbrechten unterliegen (Schwimann in Rummel II zu § 28 IPRG, Rdz 2). Die Zuständigkeit der österreichischen Abhandlungspflege erstreckt sich jedoch nur auf das in Österreich gelegene Vermögen. Vor dem österreichischen Gericht können in einem solchen Fall auch Pflichtteilsansprüche nur hinsichtlich jenes Nachlaßteiles, der der österreichischen Jurisdiktion unterliegt, geltend gemacht werden (Köhler, Internationales Privatrecht 3 137, bei FN 57). Zutreffend gingen daher sowohl die Vorinstanzen als auch die Parteien dieses Rechtsstreites davon aus, daß auf die vorliegende nur den inländischen Liegenschaftsbesitz betreffende Pflichtteilsklage (vgl. hiezu Welser in Rummel, Rdz 14 f zu § 764 ABGB) österreichisches Recht Anwendung zu finden hat. Wenn aber auch infolge der dargestellten Nachlaßspaltung verschiedene Teile des Nachlasses ein und derselben Person infolge der Verschiedenheit des darauf anzuwendenden Rechtes ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben können, weil die im Inland und die im Ausland abgeführte Nachlaßregulierung einander unabhängig gegenüberstehen und keine wechselseitigen Wirkungen äußern (EvBl 1974/188), so bedeutet dies noch nicht, daß das Schicksal des nicht in Österreich abzuhandelnden Nachlasses für die Berechnung eines den in Österreich abzuhandelnden Nachlaß betreffenden Pflichtteiles unbeachtlich ist. Für die nach österreichischem Recht zu beurteilenden Fragen, wie der Pflichtteil den Noterben zu hinterlassen (§ 774 ABGB), wie er auszumessen und zu berechnen (§ 784 ABGB) und was auf ihn anzurechnen ist (§ 787 ABGB), muß auch der Wert des dem Kläger im Ausland zugekommenen beweglichen Nachlasses der Erblasserin und dessen rechtliches Schicksal berücksichtigt werden (vgl. SZ 24/237 und die Glosse von Hoyer zu 2 Ob 515/76 in ZfRV 1977, 296; 3 Ob 603/81; 2 Ob 526/86 ua). Danach steht aber auf Grund der von den Vorinstanzen gepflogenen Erhebungen fest, daß dem Kläger aus dem in den USA gelegenen Nachlaßteil der Erblasserin US-Dollar 58.700 zugekommen sind.
Nach § 787 ABGB ist in den Pflichtteil alles einzurechnen, was die Noterben durch Legate oder andere Verpflichtungen des Erblassers wirklich aus der Erbschaft erhalten. Einrechenbar sind auch erbvertragliche Zuwendungen (Welser in Rummel Rdz 1 zu § 787 ABGB und die dort zitierten weiteren Belegstellen). Die von den Vorinstanzen festgestellte Zuwendung umfaßte einen vermögenswerten Betrag von insgeaamt 58.700 US-Dollar, also ein Vielfaches des vom Kläger als Pflichtteil gegen die Beklagte in Anspruch genommenen Betrages. Dieser von ihm selbst inhaltlich determinierte Vermögenszuwachs erfolgte auf der Grundlage der community property (in der besonderen Form der joint tenancy), die nach Text II Nr. 2 des in Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht VII unter 5 a abgedruckten § 4 der in den Grundzügen auch für Kalifornien geltenden Regelung eine der erbvertraglichen Zuwendung österreichischen Rechtes ähnliche Wirkung entfaltet: "Where a husband and wife have died, .... one-half of all the community property shall pass as if the husband had survived and the other one-half thereof shall pass as if the wife had survived". Güter- und Erbrecht hängen in den einzelnen Staaten der USA ebenso wie nach österreichischem Recht eng zusammen (vgl. Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht VI, 40/16). Genauer umschreibt dies § 201 probate code des Staates Kalifornien, wonach in Ermangelung einer testamentarischen Zuwendung über die zweite Hälfte der community property, diese "goes to the surviving spouse", wie dies nach den getroffenen Feststellungen und den Angaben des Klägers selbst hier der Fall war. Wird auf diesen Sachverhalt das von Schwimann in Rummel unter Rdz 41 vor § 1 IPRG mit Recht aufgestellte Postulat angewandt, wonach gerade in einem solchen Fall wie hier ausschlaggebend sein muß "die Gesamtbewertung aller maßgeblichen Interessen", wodurch die für eine Sachgerechtigkeit erforderliche "Elastizität" erreicht wird, hat die festgestellte Zuwendung der Verstorbenen an den Kläger in Form der wirklich erhaltenen und damit zu seinen Gunsten von Todes wegen liquidierten community property ihre Einrechnung in den Pflichtteil nach den oben dargestellten Grundsätzen notwendigerweise zur Folge. Dies haben die Vorinstanzen teilweise im Ergebnis, teilweise unter unmittelbarem Bezug auf die hier zusammengefaßten Erkenntnisquellen richtig erkannt und das Begehren des Klägers, einen weiteren Betrag als Pflichtteil über die erfolgte Zuwendung in Kalifornien hinaus zu erlangen, mit Recht abgewiesen.
Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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