Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit 10.633 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 716,50 S USt und 960 S Barauslagen) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 27. 2. 1977 verstarb Gertrud G*****, die Mutter beider Streitteile. Am 20. 1. 1978 verstarb Johann G*****, der Vater beider Streitteile. Die beiden Eltern der Streitteile waren deutsche Staatsangehörige. Am 19. 6. 1974 hatten sie ein von Johann G***** eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes und ein von Gertrud G***** eigenhändig unterschriebenes Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zum alleinigen Erben einsetzten und verfügten, dass der überlebende Teil an niemand etwas hinauszugeben oder hinauszuzahlen habe und über das Vermögen frei verfügungsberechtigt sein solle, dies trotz der Regelung, dass der Überlebende die beiden Streitteile zu seinen Erben einsetze, wobei beide Töchter die in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Häuser in K***** und L***** zu gleichen Teilen, die Beklagte allein aber das in Österreich gelegene Haus in V***** erhalten sollten.
Der Nachlass nach Gertrud G***** bestand dabei aus der Liegenschaft in L***** im Wert von 165.000 DM und dem Hälfteanteil an der Liegenschaft in K***** im Wert von 56.000 DM, welche Liegenschaften zum Todestag ungerechnet in Schilling ein Wert von 1.570.315,50 S darstellten, sowie aus der Liegenschaft in V***** im Wert von 1.007.614 S, was zusammen 2.577.929,50 S ergibt. Hinsichtlich ihres in Deutschland gelegenen Nachlasses wurde sie aufgrund des oben erwähnten Testaments von Johann G***** allein beerbt (Erbschein bei ON 7). Ihr in Österreich gelegener Nachlass wurde aufgrund desselben Testaments zur Gänze ebenfalls Johann G***** eingeantwortet, der sich unbedingt zum Erben erklärt hatte (A 86/77 des Bezirksgerichts Reutte).
Der Nachlass nach Johann G***** bestand aus den angeführten drei Liegenschaften, wobei die in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Liegenschaften einen Wert von zusammen 277.000 DM oder 1.968.223,50 S (umgerechnet zum Kurs am Todestag) und die Liegenschaft in V***** den schon genannten Wert von 1.007.614 S hatte, was zusammen 2.975.837 S ergibt. Hinsichtlich seines in Deutschland gelegenen Nachlasses wurde er aufgrund des oben erwähnten Testaments von den beiden Streitteilen je zur Hälfte beerbt (Erbschaft ON 3 in A 189/73 des Bezirksgerichts Reutte). Der in Österreich gelegene Nachlass bestehend aus der Liegenschaft in V***** wurde zur Gänze der Beklagten eingeantwortet (A 189/79 des Bezirksgerichts Reutte).
Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage geltend, dass ihr nach ihrer Mutter Gertrud G***** ein Pflichtteil in Höhe von 3/16 ihres Nachlasses zustehe. Da die Klägerin die Liegenschaft in V***** nicht mit dem im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen Schätzwert von 1.007.614 S, sondern ursprünglich mit 100.000 DM bewertete, gelangte sie zur Berechnung, dass 3/16 des Nachlasses ihrer Mutter einen Wert von 60.187,50 DM oder 451.406 S darstellen. Sie begehrte diesen Betrag samt 4 % Zinsen seit dem Tag der Klagseinbringung (18. 2. 1980), weil der in Österreich gelegene Nachlass des Johann G***** der Beklagten aufgrund ihrer unbedingten Erbserklärung allein eingeantwortet worden sei, sodass sie als Alleinerbin auch für die Erfüllung der Pflichtteilsforderung der Klägerin hafte.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie verweis vor allem auf die Bestimmungen des Testaments vom 19. 6. 1974, wonach beide Streitteile von ihren beiden Eltern mit bestimmten Erbquoten bedacht worden seien. Dadurch, dass die Klägerin das in der Bundesrepublik Deutschland gelegene Vermögen ihrer Mutter und dann ihres Vaters zur Hälfte geerbt habe, sei ihr Pflichtteilsanspruch befriedigt. Der Gesamtnachlass der Eltern beider Streitteile habe nämlich einen Wert von 377.000 DM dargestellt (das sind die von der Klägerin in ihrer Klage ursprünglich zugrunde gelegten Werte), wovon sie Vermögen im Wert von 138.500 DM erhalten habe, während ihr Pflichtteilsanspruch zur ¼ des Gesamtvermögens, nämlich 94.250 DM ausgemacht hätte. Es gehe aber auch nicht an, die Beklagte für den gesamten Pflichtteilsanspruch der Klägerin haften zu lassen, da ja auch die Klägerin selbst ihren Vater beerbt habe.
Das Erstgericht gab der Klage mit 323.514,03 S samt 4 % Zinsen seit 10. 4. 1980 (gemeint aber 10. 3. 1980, das ist der Tag der Klagszustellung) statt und wies das Mehrbegehren von 127.891,97 S samt Anhang ab.
Es bejahte den Pflichtteilsanspruch der Klägerin und errechnete ihn mit 3/16 des Werts des Nachlasses nach Gertrud G***** (2.577.929,50 S), nämlich mit 483.361,77 S. Da die Klägerin ihren Vater zu 33,07 % (1/2 des Werts der in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Liegenschaften in Höhe von 984.111,75 S) die Beklagte aber zu 66,93 % (1/2 des Werts der in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Liegenschaften, das sind obige 984.111,75 S zuzüglich Wert der Liegenschaft in V***** von 1.007.614 S zusammen 1.991.725,75 S) beerbt habe, müsse die Beklagte als Erbin nach ihrem Vater der Klägerin nur 66,93 % ihres Pflichtteilsanspruch von 483.361,77 S nämlich 323.514,03 S leisten. Das Erstgericht vertrat die Auffassung, dass sich die Klägerin das Erbe nach ihrem Vater auf den Pflichtteilsanspruch nach ihrer Mutter, den sie allein geltend mache, nicht anrechnen lassen müsse.
Der abweisende Teil des Urteils der ersten Instanz erwuchs mangels Anfechtung in Rechtskraft.
Infolge Berufung der Beklagten gegen den stattgebenden Teil des Ersturteils änderte das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz diesbezüglich dahin ab, dass die Klage zur Gänze abgewiesen wurde.
Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass auf den noch vor Inkrafttreten des IPR-Gesetzes entstandenen Pflichtteilsanspruch der Klägerin gemäß den Bestimmungen der §§ 21 bis 25 AußStrG idF bis zum 1. 1. 1979 materielles österreichisches Erbrecht anzuwenden war, weil auch in Österreich eine Abhandlung stattzufinden hatte. Die Klägerin sei daher an sich der vom Erstgericht richtig berechnete Pflichtteilsanspruch gegen ihren Vater zugestanden.
Das Testament vom 19. 6. 1974 sei zwar hinsichtlich seiner Formerfordernisse gemäß Art 1 des Haager Testamentsübereinkommens nach deutschem Recht, in der Anwendung und Auslegung aber gleichfalls nach österreichischem Recht zu beurteilen. Die Bestimmungen über die Einsetzung der beiden Streitteile müssten danach als eine angeordnete Nacherbschaft aufgefasst werden. Gemäß § 787 ABGB müsse sich daher die Klägerin auf den ihr gegenüber dem Vorerben bzw dessen Rechtsnachfolger zustehenden Pflichtteilsanspruch alles anrechnen lassen, was sie aufgrund der angeordneten Nacherbschaft aus der Verlassenschaft nach ihrer Mutter bereits erhalten habe. Da der Wert des halben in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Nachlassvermögens ihrer Mutter den Wert ihres Pflichtteilsanspruchs übersteige, stehe ihr daher kein Pflichtteilsanspruch mehr zu.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung des Urteils erster Instanz abzuändern oder es aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Gemäß § 22 AußStrG kommt die Abhandlung über die innerhalb des österreichischen Staats liegenden unbeweglichen Güter eines verstorbenen Ausländers dem zuständigen österreichischen Gericht im vollen Umfange zu, sofern nicht durch Staatsverträge ein anderes Übereinkommen getroffen wird, was für das Verhältnis zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland nicht zutrifft. Das inländische Liegenschaftsvermögen der Gertrud G***** war daher vom österreichischen Gericht abzuhandeln, das dabei auf die Rechte aller Beteiligten aufgrund der vor Inkrafttreten des IPR-Gesetzes gegebenen Rechtslage österreichisches materielles Erbrecht anzuwenden hatte. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gehörte dazu unter anderem vor allem auch die Beurteilung, wer und in welchem Ausmaß gesetzlicher testamentarischer oder Noterbe, Vorerbe, Nacherbe oder Ersatzerbe ist, sowie die Frage, wie und in welchem Umfang der Pflichtteil zu leisten und was darauf an- oder darin einzurechnen ist (Schwind, Handbuch des österreichischen Internationalen Privatrechtes S 255, 256, EvBl 1964/54; JBl 1969, 42; EvBl 1975/278, NZ 1979, 143, SZ 49/118).
Wenn sich wie im vorliegenden Fall unbewegliches Nachlassvermögen im Inland und im Ausland befindet, so erstreckt sich die Zuständigkeit der österreichischen Abhandlungspflege nur auf das in Österreich gelegene Vermögen der Erblasserin und vor dem österreichischen Gericht können Pflichtteilsansprüche nicht hinsichtlich des gesamten Nachlasses, sondern nur hinsichtlich jenes Nachlasses, der der österreichischen Jurisdiktion unterliegt, geltend gemacht werden, während Pflichtteilsansprüche auf jenes Vermögen, das der österreichischen Verlassenschaftsabhandlung nicht unterliegt, bei dem für dieses Vermögen international zuständigen Gericht geltend zu machen sind (Köhler, Internationales Privatrecht³ 137, siehe auch die Entscheidung 3 Ob 237/57 veröffentlich in ÖHInt 1957, 118).
Wenn aber infolge der so eintretenden Nachlassspaltung auch verschiedene Teile des Nachlasses ein und derselben Person infolge der Verschiedenheit des darauf anzuwendenden Rechts ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben können, weil die im Inland und die im Ausland abgeführte Nachlassregulierung einander unabhängig gegenüber stehen und keine wechselseitigen Wirkungen äußern (EvBl 1974/188), so bedeutet dies doch nicht, dass das Schicksal des nicht in Österreich abzuhandelnden Nachlasses für die Berechnung eines den in Österreich abzuhandelnden Nachlass betreffenden Pflichtteils unbeachtlich ist. Für die nach österreichischem Recht zu beurteilenden Fragen, wie der Pflichtteil den Noterben zu hinterlassen ist (§ 774 ABGB) und wie er auszumessen und zu berechnen ist (§ 784 ABGB) und was zu ihn anzurechnen ist (§ 787 ABGB), muss auch der Wert der im Ausland gelegenen Liegenschaften und deren - wenn auch nach ausländischem Recht und von der ausländischen Abhandlungsbehörde verfügtes - rechtliches Schicksal berücksichtigt werden (vgl SZ 24/237 und die Glosse von Hoyer zu 2 Ob 515/76 in ZfRV 1977, 296).
Das Berufungsgericht hat daher, was im Übrigen von der Revision auch gar nicht in Zweifel gezogen wurde, zutreffend berücksichtigt, dass der Klägerin unter Umständen schon aus dem nicht in Österreich gelegenen Teil des unbeweglichen Nachlasses ihrer Mutter so viel zugekommen ist, dass sie auch hinsichtlich des in Österreich gelegenen unbeweglichen Nachlasses nicht verkürzt ist.
Zu Unrecht vertritt die Klägerin in ihrer Revision die Auffassung, in der letztwilligen Verfügung vom 19. 6. 1974 sei keine Nacherbschaft zugunsten der Klägerin enthalten und diese würde im Übrigen nicht geeignet sein, ihren Pflichtteilsanspruch zu schmälern.
Wie schon das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, kann die in der letztwilligen Verfügung vom 19. 6. 1974 enthaltene Klausel: „Das Überlebende von uns setzt zu seinen Erben ein: 1.) ... 2.) ... 3.)." nur als eine Nacherbschaft aufgefasst werden, mag sie auch im Sinne des § 614 ABGB im Zweifel so ausgelegt werden müssen, dass der Vorerbe am mindesten eingeschränkt wird. Wenn die letztwillige Verfügung die freie Verfügungsberechtigung eines Vorerben hervorhebt, so deutet dies nicht gegen die Nachlasserbschaft schlechthin, sondern höchstens für eine Nacherbenschaft auf den Überrest (fideicommissium eius quod supeverit), die nach österreichischer Lehre und Rechtsprechung allgemein anerkannt ist (Weiß in Klang² III, 406, Koziol-Welser5 II, 286; Entscheidungen wie SZ 47/62). Hingegen kann in dieser Klausel nicht auch die Erlaubnis erblickt werden, dass der eingesetzte Erbe auch in dem Sinne frei verfügungsberechtigt sein solle, dass er hinsichtlich des Überrests nach seinem Gutdünken letztwillig verfügen konnte. Würde man nämlich dies annehmen, dann käme der anderen Klausel, dass die beiden Kinder in einer ganz bestimmten Weise vom überlebenden Teil zu Erben eingesetzt werden, keine Bedeutung mehr zu. Die von der Revision zitierte Entscheidung SZ 25/330 unterscheidet sich neben den schon vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umständen vor allem auch dadurch ganz wesentlich vom vorliegenden Fall, dass dort dem Erben ausdrücklich freistand, letztwillig zu verfügen. Irgendwelcher geradezu befehlender Worte muss sich aber eine letztwillige Verfügung nicht bedienen, sondern es genügt, wenn aus ihr erkennbar hervorgeht, dass der Erblasser eine Nacherbschaft anordnen wollte (EvBl 1964/423 ua; hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die Klägerin im inländischen Verlassenschaftsverfahren nach ihrem Vater - A 189/79 des BG Reutte - offenbar selbst von einer Nacherbschaft ausging, da sie keine Erbserklärung aufgrund des Gesetzes abgab).
Das von der Revision ins Treffen geführte Jud 8 bezieht sich im Sinne des § 774 ABGB darauf, dass der Pflichtteil dem Noterben ganz frei bleiben muss und zB unter anderen auch nicht durch eine Nacherbschaft belastet sein darf. Hier geht es aber um die ganz andere Frage, ob sich der Noterbe anrechnen lassen muss, dass er zwar zunächst nicht bedacht wurde, dass er aber als Nacherbe eingesetzt ist. Auch das Revisionsgericht schließt sich jedoch hier gleich dem Berufungsgericht der von Weiß in Klang² III, 864, 922 geäußerten Ansicht an, dass ein zum Nacherben eingesetzter Pflichtteilsberechtigter zwar sofort seinen Pflichtteil fordern kann, dass er aber dann, wenn er später tatsächlich im Rahmen der Nacherbschaft bedacht wird (arg „wirklich" im § 787 Abs 1 ABGB), sich das ihm aus der Nacherbschaft Zugekommene sehr wohl in seinem Pflichtteil anrechnen lassen muss, da jede andere Vorgangsweise zu formalistisch wäre.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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