OGH 1Ob185/50

OGH1Ob185/5022.9.1951

SZ 24/237

Normen

ABGB §34
ABGB §531
ABGB §787
ABGB §951
AußStrG §22
AußStrG §23
ABGB §34
ABGB §531
ABGB §787
ABGB §951
AußStrG §22
AußStrG §23

 

Spruch:

Hat der Erblasser im Auslande befindliches Vermögen hinterlassen, so kann der Noterbe Schenkungen inländischer Vermögensstücke bei Anwendbarkeit des § 951 ABGB. nur anfechten, wenn der ausländische Nachlaß zur Deckung des erhöhten Pflichtteilsanspruches nicht ausreicht.

Entscheidung vom 22. September 1951, 1 Ob 185/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin ficht die Schenkung von fünf Wiener Liegenschaften durch ihren am 31. Jänner 1942 in Budapest verstorbenen Vater Dr. Aladar W. an die Beklagte, die er in zweiter Ehe geheiratet hat, gemäß § 951 ABGB. an.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren mit Urteil vom 7. September 1949 mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe behauptet, ihr Vater hätte auch in der Tschechoslowakei und in Ungarn Vermögen besessen und sie in seinem Testamente übergangen. Die Klägerin habe jedoch nicht angegeben, wie groß das Vermögen des Dr. Aladar W. in diesen Ländern gewesen sei und wer den Nachlaß des Verstorbenen geerbt habe, und habe auch nicht vorgebracht, daß das in der Tschechoslowakei und in Ungarn hinterlassene Vermögen bei Einrechnung der der Beklagten geschenkten Liegenschaften zur Deckung des davon berechneten Pflichtteils der Klägerin nicht ausreiche und ob und inwieweit sie selbst bei den ausländischen Abhandlungen berücksichtigt worden sei. § 951 ABGB. verlange aber von dem Noterben den Nachweis, daß das von dem Verstorbenen hinterlassene Vermögen unter Einrechnung der angefochtenen Schenkung zur Deckung des Pflichtteils nicht ausreichte. Gemäß § 787 ABGB. müsse sich der Noterbe auf seinen Pflichtteil alles anrechnen lassen, was er durch Legate oder andere Verfügungen des Erblassers aus der Verlassenschaft erhalten habe, gleichgültig, ob im In- oder Ausland, es wäre auch sinnlos, bei der Berechnung des Pflichtteils eines Noterben bloß das inländische Nachlaßvermögen zu berücksichtigen, weil der Noterbe ja dann im Auslande mehr als den Pflichtteil erhalten haben könne. Da der Beschenkte nur subsidiär hafte, müßte das Klagebegehren daher abgewiesen werden.

Das Berufungsgericht bestätigte mit dem angefochtenen Urteil die erstgerichtliche Entscheidung, billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters und führte in rechtlicher Hinsicht noch aus, die Bestimmung des § 22 AußstrG. besage nichts darüber, was zu gelten habe, wenn eine Abhandlung im Inlande nicht stattgefunden habe und wenn ein Erb- oder Pflichtteilsanspruch gegen den Nachlaß oder die Erben eines ausländischen Staatsbürgers vor einem österreichischen Gerichte geltend gemacht werde. Aus § 23 AußstrG. ergebe sich aber, daß das österreichische Recht für die Frage der Erbfolgeordnung, der Testierfähigkeit, der Erbfähigkeit und des Pflichtteilsrechtes usw. maßgebend sei. Demnach komme es auf das Erbstatut, das heißt das Recht jenes Landes an, in dem die Abhandlung gepflogen werde. Die Parteien haben nicht vorgebracht, daß andere als österreichische Bestimmungen anzuwenden seien. Nach österreichischem Recht sei zunächst der Begriff der Einheitlichkeit der Verlassenschaft (§ 531 ABGB.) maßgebend. Daraus ergebe sich wieder der Grundsatz der Einheitlichkeit des Pflichtteilsanspruches, der sich auf die als Einheit erfaßten Nachlaßmassen beziehen müsse. Daher sei der gesamte Nachlaß des verstobenen Dr. Aladar W. zu berücksichtigen. Gemäß § 787 ABGB. müsse auch alles, was die Noterbin durch Legate oder andere Verfügung des Erblassers wirklich aus der Verlassenschaft erhalten habe und was ihr vom Erblasser geschenkt worden sei, in Rechnung gebracht werden und sei ein Rückgriff auf Schenkungen zur Deckung des Pflichtteilsanspruches nur möglich, wenn der Nachlaß hiezu nicht ausreiche. Die Klägerin habe nun in erster Instanz die entscheidenden Tatsachen nicht vorgebracht und die erforderlichen Beweise nicht angeboten, daher sei der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Der Oberste Gerichtshof gab der dagegen erhobenen Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin führt im Rahmen des Revisionsgrundes des § 503 Z. 4 ZPO. aus, wenn der Erblasser in Österreich unbewegliche Sachen hinterlassen hätte, wäre eine Abhandlung ohne Rücksicht auf den ausländischen Nachlaß nach österreichischem Recht durchzuführen, der Pflichtteil von dem inländischen Nachlaß zu berechnen gewesen und, wenn der Nachlaß bei Anrechnung der Schenkung zur Deckung des Pflichtteilsanspruches nicht ausgereicht hätte, wäre die Klägerin berechtigt gewesen, die Schenkung gemäß § 951 ABGB. anzufechten. Dies müsse aber auch gelten, wenn der Erblasser im Inlande nichts hinterlassen habe.

Beide Parteien und die Untergerichte gehen davon aus, daß österreichisches Recht anzuwenden sei. Dies kann allerdings keineswegs so ohneweiters angenommen werden. Nach Walker (intern. Privatrecht, 5. Aufl., S. 919 f.) ist für den Anspruch des verkürzten Noterben auf Herausgabe des Geschenkes nach § 951 ABGB. das Erbstatut, also jenes Recht, das für den Nachlaß gilt, maßgebend, demnach bei unbeweglichen Sachen die lex rei sitae. Ehrenzweig (System, I/1, zweite Aufl., S. 121) erachtet dagegen das Recht des Staates für maßgebend, dem der Schenker zur Zeit der Schenkung angehört. Da Dr. Aladar W., wie Klägerin in ONr. 13 vorbrachte, ungarischer Staatsbürger war, in Ungarn am 31. Jänner 1942 gestorben ist, ein Testament hinterlassen hat, in dem die Beklagte übergangen worden sein soll, Dr. W. also offenbar die in Ungarn befindlichen Liegenschaften nicht verschenkt hat und diesbezüglich in Ungarn eine Abhandlung durchgeführt wurde - die Klägerin hat Beischaffung des Verlassenschaftsaktes beantragt -, wäre demnach sowohl nach der Ansicht Walkers wie jener Ehrenzweigs offenbar das ungarische Recht maßgebend. Dessen Regelung stimmte aber bisher zumindest in den hier in Betracht kommenden Punkten im wesentlichen mit den österreichischen Bestimmungen überein (vgl. Anton Almasi, ung. Privatrecht, I, S. 308 ff., II, S. 194 ff.). Daß die Rechtslage in Ungarn sich geändert hatte, wurde von der Klägerin gar nicht behauptet. Hier wie in § 951 ABGB. ist das Anfechtungsrecht bloß subsidiär, nämlich nur dann gegeben, wenn der Nachlaß zur Deckung des erhöhten Pflichtteils nicht ausreicht. Aus dieser Subsidiarität ergibt sich schon, daß der ausländische Nachlaß zu berücksichtigen ist, denn der Zweck des Anfechtungsrechtes ist ja, einer Verkürzung des Noterben durch Geschenke abzuhelfen, nicht aber den Noterben gegenüber dem Beschenkten zu begünstigen oder ihm gar eine mehrfache Befriedigung zu verschaffen oder endlich es in sein Belieben zu stellen, Schenkungen des Erblassers nach dessen Tod unwirksam zu machen. In erster Linie haftet daher für die Erfüllung auch des erhöhten Pflichtteilsanspruches der Nachlaß bzw. der Erbe. Nur wenn der Nachlaß nicht ausreicht, kann der Pflichtteilsberechtigte gegen den Beschenkten im Sinne des § 951 ABGB. vorgehen (vgl. Ehrenzweig, Obligationenrecht, 1928, S. 597 f., Almasi, ung. Privatrecht, I, S. 312). Der Noterbe muß daher seine Verkürzung, nämlich daß der Nachlaß, wenn die Schenkung bei Berechnung des Pflichtteils in Anschlag gebracht wird, zur Deckung des Pflichtteilsanspruches nicht ausreicht, behaupten und beweisen. Die Vorschrift des § 22 AußstrG. findet nur Anwendung, wenn im Inland ein Nachlaß vorhanden gewesen wäre, und kann allerdings dann dazu führen, daß der inländische und ausländische Nachlaß verschiedenen Personen eingeantwortet wird, nicht aber, daß ein Noterbe schon dann, wenn sein Pflichtteil nicht aus dem inländischen Nachlaß befriedigt wenden kann, ohne Rücksicht darauf, ob die Befriedigung aus dem ausländischen Nachlaß möglich und vielleicht schon durchgeführt wurde, die Schenkungen anfechten kann. All dies gilt um so mehr dann, wenn ein inländischer Nachlaß überhaupt nicht vorhanden ist. Nun hat die klagende Partei gar nicht behauptet, daß diese Voraussetzungen für eine Anfechtung der Schenkung vorliegen, nämlich daß der Nachlaß in Ungarn und allenfalls auch in der Tschechoslowakei zur Deckung ihres erhöhten Pflichtteilsanspruches nicht ausreicht. Demnach ist das Klagebegehren, gleichgültig, ob österreichisches oder ungarisches Recht anzuwenden wäre, durch das Klagsvorbringen nicht entsprechend begrundet. Die rechtliche Beurteilung im angefochtenen Urteil ist daher in dieser Richtung zutreffend und das Berufungsverfahren, da es deshalb keiner Beweisaufnahme bedarf, auch nicht mangelhaft.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

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