OGH 8Ob287/01s

OGH8Ob287/01s28.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Michael Prager, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S***** Aktiengesellschaft ***** vertreten durch Siemer Siegl Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 144.953,53 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20. September 2001, GZ 1 R 121/01y-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. März 2001, GZ 33 Cg 240/00v-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die mit der Errichtung eines Hotels betraute Generalunternehmerin beauftragte eine Arbeitsgemeinschaft mit der Herstellung der Haustechnik im Gebäude. Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft waren die Beklagte und weitere zwischenzeitig insolvent gewordene Unternehmen. Die Klägerin war von der Generalunternehmerin mit der Montage abgehängter Decken und deren Verspachtelung beauftragt. Die "Allgemeinen Vertragsbedingungen für das Bauvorhaben ..." haben unter anderem folgenden Inhalt:

"12.9 Beschädigungen

12.9.1 Der Auftragnehmer haftet für von ihm verursachte Beschädigungen aller Art, soweit diese nicht durch die Bauherrenhaftpflichtversicherung gedeckt ist. Auch im Falle leichter Fahrlässigkeit ist der Schaden ohne Begrenzung nach oben zu ersetzen.

12.9.2 Die Kosten für die Schadensbehebung werden dem Urheber des Schadens angelastet. Die Kosten von Beschädigungen, deren Urheber nicht feststellbar ist, werden - entsprechend der Auftragssumme - auf alle auf der Baustelle tätigen Auftragnehmer aufgeteilt. Jedem haftpflichtigen Auftragnehmer steht jedoch der Beweis offen, dass die Beschädigung durch einen bestimmten Auftragnehmer oder durch dessen Gehilfen verursacht worden ist. Diese Regelung gilt nicht in teilübergebenen Bereichen, soferne nicht ein verdeckter Mangel vorliegt."

In beiden Subunternehmerverträgen ist unter anderem für sämtliche nicht geregelte Fragen die Geltung der ÖNORM B 2110 vereinbart, deren Punkt 2.42 lautet:

"Besondere Haftung mehrerer Auftragnehmer

Sind mehrere Auftragnehmer am Erfüllungsort (auf der Baustelle oder Montagestelle) beschäftigt, so haften sie unbeschadet der Bestimmungen nach 2.41 für die in der Zeit ihrer Tätigkeit am Erfüllungsort entstandenen Beschädigungen an übernommenen und nicht übernommenen Leistungen sowie am vorhandenen Baubestand (zB Schäden an Stiegenstufen, an Verglasungen, durch Ablaufverstopfungen), sofern Urheber dieser Beschädigungen nicht feststellbar sind, anteilsmäßig im Verhältnis ihrer ursprünglichen Auftragssummen je Auftragnehmer bis zu einem Betrag von 0,5 % der jeweiligen ursprünglichen Auftragssumme.

Von den Auftragnehmern festgestellte Beschädigungen sind dem Auftraggeber unverzüglich mitzuteilen. Der Auftraggeber hat die gemeldeten Beschädigungen sowie die von ihm selbst festgestellten Beschädigungen hinsichtlich Art, Umfang und Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens in geeigneter Weise festzuhalten und die in Betracht kommenden haftpflichtigen Auftragnehmer hievon ehestens nachweislich in Kenntnis zu setzen.

Jedem haftpflichtigen Auftragnehmer steht die Möglichkeit offen, zu beweisen, dass die Beschädigung weder durch ihn noch durch seine Erfüllungsgehilfen verursacht worden sein konnte."

Mit ihrer am 24. 1. 1997 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin zuletzt nur mehr von der hier Beklagten die Zahlung des Betrags von ATS 1,994.604 sA. Die Beklagte werde in ihrer Eigenschaft als solidarisch haftendes Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Haustechnik in Anspruch genommen. Die Klägerin habe im Gebäudekomplex die Decken auftragsgemäß hergestellt. Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Haustechnik hätten im Zeitraum Ende Jänner bis Sommer 1994 im ganzen Bauwerk die von der Klägerin fertiggestellten Decken beschädigt, weil sie nachträglich in den Hohlräumen zwischen den abgehängten Gipskartondecken und der Betonkonstruktion des Gebäudes Ausbessserungs- und Installationsarbeiten durchgeführt hätten. Hiebei seien die von der Klägerin hergestellten Decken unsachgemäß geöffnet, belastet und beschädigt worden. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Haustechnik seien dabei grob fahrlässig vorgegangen. Die Haftung der Beklagten werde auf die Schutzwirkung zu Gunsten Dritter des von der Beklagten abgeschlossenen Vertrags gestützt. Sowohl im Vertrag der Arbeitsgemeinschaft Haustechnik als auch jenem der Klägerin mit dem Generalunternehmer sei die Anwendung der ÖNORM B 2110 vereinbart worden. Diese stelle ausdrücklich sämtliche Beschädigungen an übernommenen und nicht übernommenen Leistungen der Werkvertragserbringer unter Schutz, wodurch es auch zu keiner Differenzierung zwischen Sachschäden, nämlich Beschädigung einer noch nicht montierten Sache, oder einer schon montierten Sache, die durch Verbindung mit dem Bauwerk ihre rechtliche Selbständigkeit verloren hat, komme. Der ÖNORM B 2110 sei als Vertragswille der Parteien zu entnehmen, dass sämtliche Leistungen, die verschiedene Werkunternehmer auf der Baustelle erbracht haben, unter die Schutzwirkung zu Gunsten Dritter des Vertrages fallen. Die Klägerin habe, nachdem die sie Beschädigungen am Werk festgestellt habe, dies entsprechend der ÖNORM dem Auftraggeber mitgeteilt und den Schadensbehebungsaufwand bekanntgegeben. Der Auftraggeber habe die Rechnung im Hinblick darauf, dass der Schadensverursacher bekannt gewesen sei, an die Arbeitsgemeinschaft Haustechnik weitergeleitet, die jedoch Zahlung abgelehnt habe. Der Auftraggeber selbst habe die Bezahlung der Schadensbehebungskosten zu Recht abgelehnt. Die Schäden seien nicht von der Bauherrenhaftpflichtversicherung gedeckt, weil sie zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden seien. Die Beklagte wendete ein, ihr seien die von der Klägerin behaupteten Schäden nicht bekannt, ihr Vorliegen werde bestritten. Eine Haftung gegenüber der Klägerin bestehe mangels Vorliegens eines Vertragsverhältnisses nicht. Von den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Haustechnik seien keine vertraglichen Schutzpflichten verletzt worden. Nach den abgeschlossenen Verträgen habe sich jeder Auftraggeber primär an seinen Vertragspartner zu halten. Im Übrigen sei der der Klägerin entstandene Schaden ein bloßer Vermögensschaden, für den die Beklagte nicht aufkommen müsse. Die Klägerin müsse allfällige Bauschäden gemäß ÖNORM B 2110 bei ihrem Vertragspartner, dem Generalunternehmer, geltend machen. Für den Fall, dass feststehen sollte, wer der Verursacher solcher Schäden sei, habe sich dieser in der Folge am Verursacher zu regressieren. Beschädigungen seien gemäß den Allgemeinen Vertragsbedingungen nur zu ersetzen, soweit sie nicht durch die Bauherrenhaftpflichtversicherung gedeckt seien. Der Beklagten könne nicht unterstellt werden, dass sie gegenüber Dritten eine weitergehende Verpflichtung eingegangen sei. Ein allenfalls durch die Arbeitsgemeinschaft Haustechnik verursachter Schade wäre durch diese Versicherung abgedeckt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, dass gegenüber der Beklagten kein vertraglicher Anspruch der Klägerin auf Ersatz der an ihrem Werk entstandenen Beschädigungen bestehe. Verträge mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter schützten nur absolute Rechtsgüter. Reine Vermögensschäden würden nur in den Fällen in den Schutzbereich einbezogen, in denen die Hauptleistung gerade einem Dritten zukommen solle. Diese Voraussetzung liege hier nicht vor. Daran ändere auch der Hinweis der Klägerin auf die ÖNORM B 2110 nichts, weil diese einerseits allgemeine Bestimmungen für Bauleistungen und andererseits haftungsrechtliche Regelungen enthalte. Auch aus den anderen im Akt erliegenden Urkunden lasse sich eine unmittelbare Haftung der Beklagten nicht ableiten. Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es sei kein Eingriff in ein absolut geschütztes Rechtsgut der Klägerin vorgelegen, weil die beschädigte Sache infolge Einbaus nicht mehr in ihrem Eigentum gestanden sei. Das bloße Vermögen eines Dritten sei in der Regel nicht in den Schutzbereich eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter einbezogen. Eine Ausnahme von dieser Regel werde nur dort gemacht, wo die Hauptleistung gerade dem Dritten zukommen solle. Im vorliegenden Fall sei die Hauptleistung von der Arbeitsgemeinschaft Haustechnik dem Generalunternehmer bzw dem Bauherrn zu erbringen gewesen, nicht aber einem anderen mit Bauleistungen beauftragten Subunternehmer. Ungeachtet der in ständiger Rechtsprechung betonten Pflicht zur Zusammenarbeit mehrerer zur Herstellung desselben Werks bestellter Unternehmer habe das Erstgericht daher die Haftung der Beklagten für die der Klägerin durch die Beschädigung ihres Werks entstandenen Aufwendungen zu Recht verneint. Es liege hier auch kein Fall der Pflichtverletzung vor, die von vornherein nur vermögensmäßige Auswirkungen haben könne, in welchen Fällen von der Rechtsprechung ausnahmsweise die Erstreckung der Schutzwirkung in Bezug auf das Vermögen anerkannt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig, es kommt ihr auch Berechtigung zu.

Trotz der äußerst dürftigen Feststellungen des Erstgerichts kann dem unbestrittenen Parteienvorbringen mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass das Ersatzbegehren der Klägerin sogenannte abgehängte Decken aus Gipskartonplatten betrifft, die von der Klägerin montiert und verspachtelt wurden. Damit kann aber ohne weiteres - wie dies auch die Vorinstanzen getan haben - davon ausgegangen werden, dass die Deckenkonstruktion zum unselbständigen Bestandteil des Hauses geworden ist (RIS-Justiz RS0009891; Spielbüchler in Rummel ABGB3 § 294 Rz 7) und dass gemäß §§ 294 und 297 ABGB das Eigentum der Klägerin durch die Montage untergegangen ist (SZ 57/192; SZ 60/66; 10 Ob 84/97v). Die Klägerin macht daher, da durch die behaupteten Beschädigungen nicht in ihr Eigentum eingegriffen wurde, einen reinen Vermögensschaden geltend. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung ist der von Franz Bydlinski (Vertragliche Sorgfaltspflichten zu Gunsten Dritter, JBl 1960, 359) in Österreich eingeleiteten Lehre vom Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter gefolgt. Die vertragliche Schadenersatzhaftung wird auf Dritte erstreckt, die der vertraglichen Hauptleistung nahestehen, weil sie ein Vertragspartner erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigt oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er zur Fürsorge verpflichtet ist. Dem Geschädigten wird dann das Recht zuerkannt, den eigenen Schaden aus fremdem Vertrag geltend zu machen (RIS-Justiz RS0037785; RS0017111; 6 Ob 250/01k; 1 Ob 33/02p ua; Harrer in Schwimann ABGB2 § 1295 Rz 94). Der begünstigte Personenkreis wird durch objektive Auslegung des Vertrags bestimmt (6 Ob 250/01k; 7 Ob 24/02h; 1 Ob 33/02p). In den Schutzbereich von Verträgen werden allerdings nur jene Güter dritter Personen einbezogen, denen absoluter Schutz zukommt, nicht jedoch auch deren bloßes Vermögen, weil die rechtliche Beziehung zwischen Schuldner und Drittem schwächer ist als jene zum Gläubiger; nur Schuldner und Gläubiger stehen in rechtsgeschäftlichem Kontakt, sodass zwischen ihnen die Annahme umfassender Schutzpflichten gerechtfertigt ist. Die zu ersetzenden Schäden könnten sonst unerträgliche Uferlosigkeit erreichen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird jedoch dann gemacht, wenn die Hauptleistung gerade einem Dritten zukommen soll, insbesondere in Fällen von Verträgen zu Gunsten Dritter. Dafür wird ins Treffen geführt, dass sonst die spezifischen Sorgfaltspflichten niemandem gegenüber zu beachten wären, dem Gläubiger gegenüber nicht, weil er die Leistung nicht erhält und dem Dritten gegenüber nicht, weil er nicht Vertragspartner ist. Eine Haftung für Vermögensschäden gegenüber dem Dritten wird auch dann bejaht, wenn bei der zu erbringenden Leistung erkennbar auch die Vermögensinteressen des Dritten verfolgt und seine Entschlüsse beeinflusst werden (RIS-Justiz RS0017127). Hier liegt keine der referierten Anspruchsgrundlagen vor. Die von der Arbeitsgemeinschaft Haustechnik zu erbringende Hauptleistung sollte zweifelsohne nicht der Klägerin zukommen. Auch wurden Vermögensinteressen der Klägerin erkennbar durch die zu erbringende Leistung nicht berührt. Der von der Klägerin hervorgehobene Umstand, dass mehrere an einer Baustelle tätige Werkunternehmer zum technischen "Schulterschluss" sowie gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet seien, vermag zwar grundsätzlich die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zu begründen, nicht aber auch die Ausdehnung desselben auf bloße Vermögensschäden.

In seiner Entscheidung 3 Ob 520/93 hatte der Oberste Gerichtshof einen dem hier zu beurteilenden grundsätzlich vergleichbaren Sachverhalt zu beurteilen, bei welchem der Kläger vom Generalunternehmer mit Installationsarbeiten und der Beklagte mit Baumeisterarbeiten betraut worden war. Leute des Beklagten hatten ein Heizungsrohr beschädigt und dann unsachgemäß repariert. Das hatte einen Druckabfall im Heizungssystem zur Folge, den der Kläger behob. Der Oberste Gerichtshof führte dort aus, es werde in ständiger Rechtsprechung die wechselseitige Aufnahme der vom Besteller betrauten mehreren Unternehmer und ihrer Leute in den von den Interessen und Rechtspflichten des Bestellers umfassten Kreis geschützter Dritter bejaht. Der in diesen Schutzkreis aufgenommene Dritte könne direkt gegen den auch für seinen Erfüllungsgehilfen haftenden weiteren Unternehmer bis zum Zeitpunkt der Übernahme des Werks und den dadurch bewirkten Gefahrenübergang auf den Besteller Schadenersatz geltend machen. Bei einer Beschädigung vor diesem Zeitpunkt sei der Schade im Vermögen des Unternehmers eingetreten, wobei ohne Bedeutung sei, in wessen Eigentum das beschädigte Rohr stand, weil auch die Verpflichtung den von einem anderen verursachten Mangel zu beheben einen ersatzfähigen Schaden bedeutet. In dieser Entscheidung wurde somit für die Ersatzfähigkeit des Schadens eines Dritten auf Grundlage vertraglicher Schutzpflichten nicht zwischen Eingriffen in ein absolut geschütztes Rechtsgut und bloßen Vermögensschäden unterschieden, sondern vielmehr die dafür wesentliche Frage, in wessen Eigentum das beschädigte Rohr stand, ungelöst gelassen. Die als Belegstelle zitierte Entscheidung JBl 1991, 453 vermag eine derart undifferenzierte Betrachtungsweise nicht zu begründen, wurde doch dort ein Arbeiter auf Grund der Unachtsamkeit der Leute eines anderen ebenfalls auf der Baustelle tätigen Unternehmens durch einen herabstürzenden Holzpfosten verletzt, sodass dort Ersatz für den Eingriff in das absolut geschützte Gut von Leben und Gesundheit begehrt wurde. Der Hinweis auf die bereits beschriebene Entscheidung 3 Ob 520/93 vermag daher das Klagebegehren nicht zu stützen, weil dort entgegen ständiger Rechtsprechung eine Abgrenzung zum bloßen Vermögensschaden nicht getroffen und damit die unterschiedliche Ausgestaltung von Delikts- und Vertragsrecht weitestgehend aufgehoben wurde (vgl 6 Ob 250/01k). Dies erkennt im Ergebnis auch Wilhelm aaO in seiner Glosse zur genannten Entscheidung, wenn er ausführt, reine Vermögensschäden Dritter seien im Schutzbereich eines Vertrages ausnahmsweise dann zu ersetzen, wenn die aus dem Vertrag geschuldete Hauptleistung gerade dem Dritten zugute kommen solle. Dieser Zusammenhang sei hier vage. Es gehöre kaum zur Hauptleistung, die ein Baumeister dem Besteller erbringen solle, fremde Werke nicht zu beschädigen oder, wenn doch, sachgemäß zu reparieren. Der Autor bejaht aber dann dennoch die Vertragshaftung als Grundlage für den Ersatzanspruch, "da sich Subunternehmer natürlich in extremer Weise gegenseitig in die Quere kommen können." Diese offenbar rein ergebnisorientierte Begründung kann aber eine dann wohl tatsächlich uferlose Ausweitung der Vertragshaftung nicht begründen. Die These von "Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens" hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung SZ 61/64 ausdrücklich zurückgewiesen (Harrer in Schwimann ABGB2 § 1295 Rz 102).

Der hier geltend gemachte Vermögensschaden ist somit auf Grundlage vertraglicher Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter nicht ersatzfähig. Allerdings darf nicht unbeachtet bleiben, dass auch dann, wenn dem Geschädigten kein eigener Anspruch gegen den Schädiger zur Verfügung steht, in den Fällen der sogenannten Schadensverlagerung dennoch eine Liquidation des Drittschadens möglich ist. Ist ein Schaden, der typischerweise bei einer ersatzberechtigten Person eintritt, auf Grund eines hinzutretenden Sachverhaltselements atypischerweise bei einer anderen, prinzipiell nicht ersatzberechtigten Person eingetreten, ohne dass es zu einer Veränderung des Schadensausmaßes kommt, sind auch Vermögensschäden ersetzbar (2 Ob 162/97f = RdW 1999, 525 = ecolex 1999, 824 = bbl 1999/229 [Egglmeier]), weil der verlagerte Schaden für den mittelbar Geschädigten definitionsgemäß nur einen bloßen Vermögensschaden darstellen kann (Leitner, Schadensverlagerung und Produkthaftung, ecolex 2001, 511). Dieser bloße Vermögensschaden ist zu ersetzen, da die Tatsache, dass der Schaden auf Grund gesetzlicher oder vertraglicher Regelung nicht beim unmittelbar Angegriffenen, sondern bei einem Dritten eintritt, den Schädiger nicht entlasten soll. Die vorstehend dargestellten Bedenken einer uferlosen Ausweitung der Schadenersatzpflicht treffen in derartigen Fällen nicht zu, weil kein Schaden in die Betrachtung einbezogen wird, der nicht ohnehin normalerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt und daher zu ersetzen wäre (RIS-Justiz RS0022608). So wurde etwa Schadensverlagerung angenommen in Fällen, in denen der Verkäufer noch Eigentümer der beschädigten Sache ist, der Käufer aber schon die Gefahr trägt (SZ 58/202; SZ 61/178 ua), oder der Schenker noch Eigentümer ist, der Beschenkte aber den Vermögensverlust bezüglich der untergegangenen Sache zu tragen hat (SZ 58/202). Auch Mietwagenkosten als typische Folge der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs, die im Allgemeinen dessen Eigentümer trifft, wurden aus dem Titel der Schadensverlagerung im Fall eines Leasingvertrags dem Leasingnehmer zugesprochen (RIS-Justiz RS0020815; vgl zu allem auch die weiteren Judikaturbeispiele in Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 13/16 ff). In all diesen Fällen wird zwar der Eigentümer in seinem absoluten Recht verletzt, doch hat er keinen Schaden; der Geschädigte wiederum wird nicht in einem absoluten Recht verletzt, hat aber einen bloßen Vermögensschaden (Reischauer in Rummel ABGB2 § 1295 Rz 27).

Leitner aaO verweist in diesem Zusammenhang auf die deutsche Rechtsprechung und Literatur zur Drittschadensliquidation im Falle eines Werkvertrags bei einer der hier vorliegenden durchaus vergleichbaren Konstellation: Vor Abnahme eines Einbaus und eines Bauwerks auf fremdem Grund trage der Werkunternehmer die Gefahr, auch wenn das Werk schon als unselbständiger Bestandteil in das Eigentum des Bestellers übergegangen sei. Zerstöre oder beschädige ein Dritter die Sache, so trage den Schaden nicht der Eigentümer, sondern der mittelbar geschädigte Werkunternehmer, der ohne Anspruch auf Mehrzahlung zur Ausbesserung oder sogar zur Neuherstellung verpflichtet sei. Diese Risikoverlagerung vom dinglich Berechtigten auf seinen Vertragspartner vermöge eine Entlastung des Schädigers nicht zu rechtfertigen. Der BGH bejahte in NJW 1984, 2569 entsprechend diesem Grundsatz Schadenersatzansprüche des Werkunternehmers bei Beschädigung einer in Bau befindlichen Uferwand durch Verschulden der Besatzung eines Schiffes, obwohl die in den Hafengrund gerammten Stahlspundbohlen als unselbständige Bestandteile bereits in das Eigentum der Eigentümerin des Hafens übergegangen waren.

Nichts anderes hat im hier zu beurteilenden Fall zu gelten. Gemäß § 1168a ABGB tritt der Schaden im Vermögen des Unternehmers ein, wenn das Werk zur Zeit der Beschädigung durch einen Dritten vom Besteller noch nicht übernommen war (RIS-Justiz RS0022168). Eine abweichende Regelung trifft die ÖNORM B 2110 nur für den Fall, dass das Werk durch ein unabwendbares Ereignis beschädigt wird (2.41.2). Anderenfalls trägt der Auftragnehmer bis zur Übernahme die Gefahr für seine Leistungen, worunter insbesondere Zerstörung (Untergang), Beschädigung oder Diebstahl fallen (2.41.1). Dass die hier strittigen Schäden nicht auf ein unabwendbares Ereignis zurückzuführen sind, bedarf keiner weiteren Begründung, sodass, sollte das Werk noch nicht übergeben worden sein, die Klägerin jedenfalls die Gefahr der Beschädigung zu tragen hatte. Demgegenüber war aber - wie bereits eingangs dargestellt - das Werk selbst bereits als unselbständiger Bestandteil in das Eigentum der Bauherrin übergegangen. Durch die Beschädigung erfolgte zwar ein Eingriff in deren absolut geschütztes Rechtsgut, der Schade trat aber bei der Klägerin ein. Ausgehend davon, dass somit ein geradezu klassischer Fall der Schadensverlagerung vorliegt, ist auch die Aktivlegitimation der Klägerin zu dessen Geltendmachung zu bejahen. Der von Koziol (aaO Rz 13/21 f) vertretenen Auffassung, dass nur der in seinem absoluten Recht Verletzte anspruchsberechtigt sei, der Drittgeschädigte sich somit an diesen zu halten oder von ihm die Abtretung der Ansprüche zu begehren habe, kann zumindest für den hier zu beurteilenden Fall nicht gefolgt werden. Vielmehr ist jenen Teilen der Lehre (Wilburg, JherJB 82, 125; Kramer, ZAS 1970, 208; Krejci, Reformen des Rechts [1979] 417 ff; Reischauer in Rummel ABGB2 § 1295 Rz 28) und der überwiegenden Rechtsprechung (SZ 48/119; SZ 51/164; SZ 58/202; SZ 64/87 ua) zu folgen, die dem Dritten unmittelbare Anspruchsdurchsetzung gewährt. Gerade in dem Falle, in dem der Werkunternehmer - wie hier - nur zum Generalunternehmer in einem Vertragsverhältnis steht, nicht jedoch zu dem in seinem absoluten Recht verletzten Eigentümer des Objekts, ist nicht zu sehen, auf Basis welcher Rechtsgrundlage er Letzteren dazu bewegen könnte, Ansprüche gegen den Schädiger geltend zu machen bzw erlangten Schadenersatz an ihn weiterzugeben (vgl Larenz, Schuldrecht I14, 463). Zumindest dann, wenn der Werkunternehmer den Schaden bereits behoben hat, müsste sich der den Schädiger klagende Eigentümer wohl auch den Einwand gefallen lassen, gar nicht geschädigt zu sein (vgl Reischauer aaO).

Die Klägerin ist daher aus dem Titel der Schadensverlagerung legitimiert, den von einem anderen Subunternehmer an dem von ihr hergestellten Werk vor dessen Übergabe an den Besteller verursachten Schaden geltend zu machen, auch wenn sie infolge Einbaus der Teile nicht mehr deren Eigentümer ist und somit nur ein Vermögensschaden vorliegt.

Die Solidarhaftung der Beklagten im Rahmen der letztlich gegebenen Vertragshaftung als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft, deren Leute nach den klägerischen Behauptungen den Schaden verursachten, gründet sich auf § 1203 ABGB im Zusammenhalt mit Art 8 Nr 1 EVHGB (Strasser in Rummel ABGB2, §§ 1202, 1203 Rz 5 mwH).

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren vorerst Feststellungen dahin zu treffen haben, ob sich die behaupteten Beschädigungen vor oder nach Übernahme des Werks durch die Generalunternehmerin ereigneten. Nur in ersterem Fall hätte die Klägerin die Gefahr zu tragen und wäre - wie oben dargestellt - zur Geltendmachung allfälliger Schadenersatzsansprüche legitimiert. Weiters wird es Feststellungen zu den behaupteten Schäden an der von der Klägerin hergestellten Deckenkonstruktion sowie deren Verursachung und schließlich zur Schadenshöhe bedürfen. Der Revision ist Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte