Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Gegen den ihnen persönlich zugestellten Wechselzahlungsauftrag vom 30. 9. 1997 erhoben die beiden Beklagten, vertreten durch einen Rechtsanwalt, der sich gemäß § 30 Abs 2 ZPO auf die ihm erteilte Vollmacht berief, Einwendungen.
Über Antrag der Klägerin bewilligte das Erstgericht dieser mit Beschluss vom 13. 10. 1997 die Exekution zur Sicherstellung der geltend gemachten Wechselforderung unter anderem durch bücherliche Vormerkung des Pfandrechts ob einer im Alleineigentum des Zweitbeklagten stehenden Liegenschaft. Das Grundbuchsgericht lehnte den Vollzug der bücherlichen Vormerkung in der Folge ab, weil diesem das ob der Liegenschaft für die Erstbeklagte eingetragene Belastungs- und Veräußerungsverbot entgegenstehe.
In der Tagsatzung vom 7. 11. 1997, zu der nur die Parteienvertreter geladen und erschienen waren, schlossen diese nach Richtigstellung der Parteienbezeichnungen einen Vergleich, wonach sich die Beklagten zur ungeteilten Hand verpflichteten, der Klägerin die Wechselforderung samt 6 % Zinsen p.a., die Wechselprovision sowie die mit einem bestimmten Betrag verglichene Kosten binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen (Punkt 1.). Darüber hinaus hielten die Parteien fest, dass die im Punkt 1. angeführte Forderung samt Nebengebühren mit jener dem Exekutionsbewilligungsbeschluss des Erstgerichts vom 13. 10. 1997 zugrunde liegenden ident sei (Punkt 2.). Weiters erklärte die Erstbeklagte als Belastungs- und Veräußerungsverbotsberechtigte hinsichtlich der dem Zweitbeklagten gehörenden Liegenschaft ihre ausdrückliche und unwiderrufliche Zustimmung, dass die Klägerin zur Hereinbringung der im Punkt 1. genannten Forderung samt Anhang die zwangsweise Pfandrechtsbegründung sowie Zwangsversteigerung beantragen könne (Punkt 3.). Mit Amtsvermerk vom 25. 11. 1997 bestätigte das Erstgericht die "Rechtskraft" und Vollstreckbarkeit dieses Vergleichs. Nachdem sie mit Schreiben vom 16. 1. 2002 eine Aktenkopie angefordert hatte, beantragte die Erstbeklagte mit Schreiben vom 31. 1. 2002 unter anderem die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Zur Verhandlung am 7. 11. 1997 seien weder die Erstbeklagte noch ihr Sohn, der Zweitbeklagte, geladen worden. An der Verhandlung habe für die Beklagten ein Rechtsanwalt teilgenommen, "der sich nur auf Vollmachten berufen konnte, jedoch nicht in der Lage war, eine Vollmacht vorzulegen, da keine vorhanden war (!!)". Trotzdem sei unter anderem im Namen der Erstbeklagten unwiderruflich ein Grundbuchsrecht missbraucht worden. Der in der Folge beigegebene Verfahrenshelfer stellte mit Schriftsatz vom 3. 7. 2002 (ON 24) die Anträge, das Verfahren fortzusetzen, die "Rechtskraft und Vollstreckbarkeit" des gegenständlichen Vergleiches vom 7. 11. 1997 aufzuheben und das Verfahren - soweit es mit Nichtigkeit behaftet ist - zu beheben. Der vormalige Vertreter der Erstbeklagten habe nach deren Angaben in den an das Erstgericht gerichteten Eingaben über keine Vollmacht, insbesondere auch keine Prozessvollmacht verfügt. Die Erstbeklagte sei daher trotz Anwaltszwangs unvertreten gewesen, sodass das Verfahren nichtig sei, welchen Umstand das Gericht von Amts wegen wahrzunehmen habe. Die Erstbeklagte habe von dem Vergleichsabschluss erstmals kurz vor dem 31. 1. 2002 Kenntnis erlangt. Als Bescheinigungs- bzw Beweismittel berief sich die Erstbeklagte in diesem Schriftsatz auf die Vernehmung der Parteien sowie einer Zeugin.
Das Erstgericht wies den Antrag der Erstbeklagten ohne Beweisaufnahme ab. Die Erstbeklagte habe ihre Ausführungen in der Eingabe vom 31. 1. 2002, der für sie einschreitende Rechtsanwalt habe keine Vollmacht gehabt, in ihrem Rekurs gegen die (in der Folge behobene) Abweisung der Verfahrenshilfe dahingehend relativiert, dass der Rechtsanwalt keine Vollmacht zum Vergleichsabschluss gehabt habe und außerdem zugestanden, dass dieser beauftragt gewesen sei, den Wechsel vom 5. 2. 1991 und die Wechselwidmungserklärung zu bekämpfen. Es könne daher nicht ernsthaft in Frage gestellt werden, dass die Erstbeklagte dem für sie einschreitenden Rechtsanwalt Prozessvollmacht erteilt habe. Die Prozessvollmacht umfasse gemäß § 31 ZPO auch die Ermächtigung zum Abschluss von Vergleichen.
Das Gericht zweiter Instanz "hob aus Anlass des Rekurses" der Erstbeklagten "den angefochtenen Beschluss auf" und wies den Antrag der Erstbeklagten zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Rekurswerberin sei darin zuzustimmen, dass das Erstgericht ihre Behauptung, der für sie einschreitende Rechtsanwalt habe über keine Vollmacht verfügt, nicht ohne Aufnahme der hiezu beantragten Beweise als widerlegt hätte erachten dürfen. Der angefochtene Beschluss sei daher aufzuheben. Eine Sachentscheidung oder eine Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht käme nur im Fall der Zulässigkeit des von der Erstbeklagten gestellten Fortsetzungsantrags in Frage. Diese sei jedoch zu verneinen. Die Prüfung der Zulässigkeit von Verfahrenshandlungen habe auf Grundlage des Parteienvorbringens zu erfolgen. Aus diesem ergebe sich, dass der für die Erstbeklagte einschreitende Rechtsanwalt über keine Prozessvollmacht verfügt habe. Daraus folge, dass nach dem Standpunkt der Erstbeklagten diese auch keine Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag erhoben habe, sodass dieser in Rechtskraft erwachsen sei. Die Fortsetzung eines durch Wechselzahlungsauftrag rechtskräftig beendeten Verfahrens sehe das Gesetz nicht vor. Die Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs könne die Erstbeklagte im Wege der Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO erreichen. Was den Antrag auf Aufhebung "der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit" betreffe, sei dieser nicht als im Sinn des § 7 Abs 3 EO gestellt zu verstehen. Abgesehen davon lägen die Voraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle nicht vor, weil die Frage, ob die Bestätigung der Vollstreckbarkeit gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt worden sei, nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erteilung zu beurteilen sei. Zu diesem Zeitpunkt haben aber an der Bevollmächtigung des für die Erstbeklagte einschreitenden Rechtsanwalts keine Zweifel bestanden.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, es kommt ihm auch Berechtigung zu.
Wie bereits das Rekursgericht in seinem die Rekursbeantwortung der Klägerin zurückweisenden Beschluss zutreffend dargestellt hat, ist die Gleichstellung der Ab- oder Zurückweisung eines Fortsetzungsantrages mit der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen nur dann gerechtfertigt, wenn die Verweigerung der Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens gleichzeitig auch die Verweigerung der Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag des Klägers oder des Beklagten bedeutet, was begriffsnotwendig voraussetzt, dass eine solche Sachentscheidung noch nicht erfolgt ist. Ist eine Sachentscheidung jedoch bereits ergangen, der Antragsteller aber aus irgendwelchen Gründen der Auffassung, dass diese Entscheidung nichtig oder mangelhaft und daher in einem fortzusetzenden Verfahren neuerlich zu entscheiden sei, wird in Wahrheit nicht eine (erste) Entscheidung über den Rechtsschutzantrag, sondern eine neue (zweite) Entscheidung begehrt. Ist eine Sachentscheidung bereits ergangen, ist in der Verweigerung der Fortsetzung des Verfahrens keine Verweigerung, über den Rechtsschutzantrag zu entscheiden, zu sehen (RIS-Justiz RS0105321, insbes. 6 Ob 2022/96p). Es liegt daher weder ein Fall des § 521a Abs 1 Z 3 ZPO vor, sodass das Rechtsmittelverfahren einseitig ist, noch der Ausnahmetatbestand der Zurückweisung der Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO. Allerdings liegt auch kein bestätigender Beschluss im Sinne der letztgenannten Gesetzesstelle vor, weil keine übereinstimmende Erledigung in beiden Instanzen in dem Sinn gegeben ist, dass entweder von Erst- und Rekursgericht jeweils meritorisch oder jeweils formal entschieden worden wäre (RIS-Justiz RS0044456; insbes. SZ 73/56). So wurde das Vorliegen konformer Entscheidungen etwa verneint, als das Erstgericht über einen Zwischenfeststellungsantrag sachlich in Form der Abweisung erkannt, das Berufungsgericht dagegen wegen Verneinung der prozessualen Voraussetzungen für die Stattgebung den Antrag zurückgewiesen hatte (ÖBA 2000/841). Ebenso wurde entschieden, als die erste Instanz einen Einstellungsantrag nach inhaltlicher Prüfung abgelehnt, das Rekursgericht diesen jedoch wegen Fehlens der Antragslegitimation zurückgewiesen hatte (RZ 1997/62). Schließlich hat die Entscheidung 1 Ob 335/99t den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof zugelassen, als das Erstgericht den Antrag, der von einem Klagevertreter im Gerichtshofverfahren nach Bekanntgabe der Vollmachtsauflösung eingebracht worden war, wegen fehlender Vertretungsbefugnis zurückgewiesen, das Rekursgericht dagegen die sachliche Voraussetzung für die positive Erledigung des Antrags verneint und den Antrag daher als Maßgabebestätigung abgewiesen hatte (3 Ob 340/99t). Der hier zu entscheidende Sachverhalt ist den genannten Entscheidungen durchaus ähnlich, hat doch das Erstgericht meritorisch über den Antrag entschieden, während das Rekursgericht aus völlig anderen Erwägungen formeller Art dessen Zulässigkeit verneinte.
Der somit zulässige Revisionsrekurs ist berechtigt. Ob ein Vergleich einen Prozess beendet, ist ausschließlich nach Prozessrecht zu beurteilen, ob ein verpflichtender Vertrag zustande gekommen ist, ausschließlich nach materiellem Recht. Ein Vergleich kann als Prozesshandlung unwirksam, als Rechtsgeschäft aber wirksam sein bzw umgekehrt. Materiellrechtliche Mängel sind mit Feststellungsklage geltend zu machen, die prozessuale Unwirksamkeit des Vergleichs hingegen mittels Fortsetzungsantrages (RIS-Justiz RS0000093; RS0032464; 6 Ob 49/00z).
Die Frage der prozessualen Wirksamkeit eines Vergleichs ist, ebenso wie jene der Rechtskraft des Urteils (§ 411 Abs 2 ZPO), stets von Amts wegen zu prüfen. Ein unter Missachtung der prozessbeendenden Wirkung eines Vergleichs fortgesetztes Verfahren wäre mit einem Mangel vom Gewicht einer in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit behaftet (JBl 1980, 378; 7 Ob 35/99v). Zudem bliebe, folgte man der Argumentationslinie des Rekursgerichtes, die Frage der Rechtswirksamkeit des der Klägerin nach wie vor als Exekutionstitel zur Verfügung stehenden Vergleichs ungeklärt, ohne dass sich die Erstbeklagte gegen die Verwendung des Titels im Exekutionsverfahren wirksam zur Wehr setzen könnte. Ist - wie bereits dargestellt - der Fortsetzungsantrag das geeignete Mittel, um die prozessuale Unwirksamkeit eines im Verfahren geschlossenen Vergleichs geltend zu machen, dann ist darüber auch in diesem Verfahren meritorisch zu entscheiden.
Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben. Das Gericht zweiter Instanz wird über den Rekurs der Erstbeklagten meritorisch zu entscheiden haben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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