OGH 8Ob18/12y

OGH8Ob18/12y28.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Insolvenzsache der Antragstellerin Z***** L***** GmbH, *****, vertreten durch Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die Antragsgegnerin L***** G*****, vertreten durch Dr. Bernhard Loimer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Konkursverfahrens), über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 7. Dezember 2011, GZ 53 R 326/11i-54, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hallein vom 7. Oktober 2011, GZ 27 S 28/11p-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewiesen wird.

Text

Begründung

Am 20. November 2009 beantragte die Antragstellerin beim Erstgericht die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Antragsgegnerin. Zur Begründung führte sie aus, die Antragsgegnerin habe bis 31. Dezember 2007 als Einzelunternehmerin auf einer von der Antragstellerin gemieteten Liegenschaft die Produktion von Brennstoff aus Kunststoff, Kunststoffrecycling und Rohstoffverwertung betrieben. Mit gerichtlichem Vergleich vom 5. November 2007 habe sich die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin verpflichtet, die gesamten in Bestand genommenen Flächen und Gebäude bis 29. Februar 2008 zu räumen und geräumt von Fahrnissen, Maschinen, Waren und Kunststoffablagerungen an die Antragstellerin zu übergeben. Die Antragsgegnerin sei der übernommenen Verpflichtung zur Räumung aber trotz Aufforderung nicht nachgekommen, sodass auf den Bestandflächen noch immer rund 10.000 t Kunststoffabfall gelagert seien. Der Antragstellerin stehe eine Forderung an Mietzinsrückständen bis November 2007 und fortlaufendem Benützungsentgelt in Höhe von insgesamt 69.290,30 EUR zu. Der Antragstellerin drohe zudem ein weitaus höherer Schaden aus einer behördlich angeordneten Ersatzvornahme. Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin ergäben sich aus der Nichterfüllung und den monatlich weiter auflaufenden Verbindlichkeiten aufgrund der unterbliebenen Räumung.

Die Antragsgegnerin wandte ein, sie habe die Räumung spätestens mit Ende Februar 2008 vollzogen, weshalb die Verrechnung weiterer Mieten und Betriebskosten unzulässig gewesen sei. Aktuell noch abgelagerte Reststoffe und Werkstoffe beträfen nicht das Einzelunternehmen der Antragsgegnerin, sondern eine GmbH, dem „die gesamte Infrastruktur des ehemaligen Einzelunternehmens übertragen“ worden sei. Zugunsten der Antragstellerin bestehe außerdem eine Abfallversicherung mit einer Deckungssumme von 12 Mio ATS, mit der die Entsorgungskosten zur Gänze gedeckt seien.

Die behauptete Forderung sei mangels Rechnungslegung nicht fällig und zudem offenkundig überhöht berechnet, weil Teile der ehemaligen Bestandflächen von der Antragstellerin bereits neu vermietet bzw abgerissen worden seien.

Die Antragsgegnerin habe als Klägerin gegen die Antragstellerin als Beklagte aus früherer Geschäftsbeziehung eine Schadenersatzklage über den Betrag von ca 1 Mio EUR (9 Cg 164/05a des Landesgerichts Salzburg) eingebracht. In diesem Verfahren, das nach wie vor anhängig sei, habe die Antragstellerin ihren behaupteten Anspruch auf Benützungsentgelt als Gegenforderung eingewendet. Der Konkurseröffnungsantrag sei daher offenkundig von der Antragsgegnerin rechtsmissbräuchlich in der Absicht gestellt worden, sich als Beklagte im Zivilverfahren Vorteile durch eine zumindest vorübergehende Verfahrensunterbrechung zu verschaffen.

Im Zuge des Eröffnungsverfahrens legte die Antragstellerin Rechnungen über die beanspruchten Nutzungsentgelte und einen Kostenvoranschlag für die Entsorgung der Kunststoffabfälle über einen Gesamtbetrag von rund 1,5 Mio EUR vor. Die Entsorgungskostenversicherung sei bisher nicht bereit gewesen, in den Schadensfall einzutreten. Die Antragsgegnerin sei zahlungsunfähig, weil sie weder in der Lage sei, die rückständigen Miet- bzw Nutzungsentgelte zu bezahlen, noch sich in irgendeiner Form an den Entsorgungskosten zu beteiligen.

Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht den Konkurseröffnungsantrag mit der Begründung ab (ON 18), die Antragstellerin habe ihre nicht titulierte Forderung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es obliege nicht dem Konkursgericht, über den Bestand von strittigen Ansprüchen zu entscheiden.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2010 (ON 23) gab das Rekursgericht dem Rechtsmittel der Antragstellerin Folge, hob den abweisenden Beschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die behauptete Forderung auf Zahlung eines Benützungsentgelts müsse dem Grunde nach zumindest zum Teil ausreichend bescheinigt angesehen werden, die Einwendungen der Antragsgegnerin seien rechtlich nicht stichhältig. Sie hafte als ehemalige Bestandnehmerin auch für die Räumung von Fahrnissen ihrer Unterbestandnehmer. Es bedürfe aber noch einer Aufschlüsselung und Bescheinigung der Höhe der Forderung. Im Rahmen der Verfahrensergänzung sei auch die Frage der Zahlungsunfähigkeit zu erörtern, wofür die bestehende Räumungsverpflichtung und deren Kosten von Bedeutung seien.

Nach Durchführung der aufgetragenen Erhebungen eröffnete das Erstgericht mit Beschluss vom 7. Oktober 2011 (ON 38) das Insolvenzverfahren (Konkursverfahren) über das Vermögen der Antragsgegnerin, entzog ihr die Eigenverwaltung und bestellte Rechtsanwalt Dr. T***** H***** zum Insolvenzverwalter. Es nahm als bescheinigt an, dass die Antragstellerin für den Zeitraum Oktober 2007 bis Oktober 2011 Anspruch auf Benützungsentgelt in Höhe von zumindest 78.241,44 EUR habe. Aus dem vorgelegten Vermögensverzeichnis der Antragsgegnerin ergebe sich ihre Zahlungsunfähigkeit, da sie nicht in der Lage sei, die offene Forderung der Antragstellerin und die - voraussichtlich die Versicherungssumme weit übersteigenden - Kosten der Räumung und Abfallentsorgung zu bezahlen. Damit lägen sämtliche Konkursvoraussetzungen vor.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, erklärte aber den Revisionsrekurs für zulässig, weil sich bei nicht titulierten Forderungen die Frage stelle, ob ausreichende Zweifel an deren Bestand schon dann anzunehmen seien, wenn ein Rechtsstreit über eine erheblich höhere Gegenforderung bereits jahrelang bei Gericht anhängig ist.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs wurde dem Vertreter der Antragstellerin am 18. Jänner 2012 zugestellt. Die erst außerhalb der 14-tägigen Frist des § 260 Abs 1 IO am 8. Februar 2012 eingebrachte Beantwortung des Rechtsmittels ist als verspätet zurückzuweisen.

2. Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist, wie das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, ungeachtet der Konformatsentscheidung (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 252 IO) nicht jedenfalls unzulässig, weil das Erstgericht seine abweichende Entscheidung im zweiten Rechtsgang aufgrund einer vom Rekursgericht ohne Rechtskraftvorbehalt überbundenen Rechtsansicht getroffen hat (RIS-Justiz RS0044323).

Inhaltlich ist der Revisionsrekurs iSd § 528 Abs 1 ZPO aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zulässig. Er ist auch berechtigt, weil die Entscheidungen der Vorinstanzen im Interesse der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfen.

Gemäß § 70 Abs 1 KO idF vor dem IRÄG (hier nach § 273 IO noch anzuwenden, weil der Eröffnungsantrag vor dem 1. Juli 2010 eingebracht wurde) hat das Konkursgericht auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich den Konkurs zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine - wenngleich auch nicht fällige - Konkursforderung hat, und dass der Schuldner zahlungsunfähig ist. Nach § 70 Abs 2 KO hat das Gericht - wenn der Antrag nicht schon aufgrund einer ersten Prüfung abzuweisen ist - den Schuldner und sonstige Auskunftspersonen zu vernehmen, wenn es rechtzeitig möglich ist.

Aus dieser Formulierung ist klar abzuleiten, dass der Gesetzgeber ein rasch durchzuführendes Konkurseröffnungsverfahren vor Augen hat. Die Glaubhaftmachung bzw Bescheinigung hat gegenüber der Beweisführung im engeren Sinn das eingeschränkte Ziel, dem Richter die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit einer Tatsache zu vermitteln. Das Verfahren zur Glaubhaftmachung ist summarisch und nicht an die Förmlichkeiten des Beweisverfahrens im engeren Sinn gebunden; es muss rasch durchgeführt werden, weshalb die Bescheinigungsmittel parat sein müssen (vgl ausführlich 8 Ob 282/01f mwN).

Ob der Antragstellerin im ersten Rechtsgang eine unzulässige, weil mit dem Wesen des Bescheinigungsverfahrens unvereinbare Möglichkeit zur Verbesserung ihres Antrags eingeräumt wurde, ist im Revisionsrekursverfahren insofern nicht mehr zu überprüfen, als sich die Beurteilung der Vorinstanzen im zweiten Rechtsgang jedenfalls auf die zum Entscheidungszeitpunkt feststehenden Tatsachen zu gründen hatte (RIS-Justiz RS0065013).

Die mit der Konkurseröffnung verbundenen Folgen für den Antragsgegner sind weitgehend, in der Regel existenzvernichtend und endgültig. Dem Rechtsmittel gegen den Konkurseröffnungsbeschluss kommt gemäß § 71c Abs 2 IO niemals aufschiebende Wirkung zu, sodass die mit der Konkurseröffnung für den Gemeinschuldner verbundenen, in der Praxis teils irreversiblen Folgen sofort eintreten und auch im Wege einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung regelmäßig nicht zur Gänze beseitigt werden können.

Im Falle einer nicht titulierten Forderung ist daher an die Behauptung und die Bescheinigung der Forderung ein strenger Maßstab anzulegen. Es muss sichergestellt sein, dass der Schuldner nicht nur aufgrund der Behauptungen eines vorgeblichen Gläubigers in den Konkurs getrieben wird (8 Ob 282/01f; 8 Ob 291/01d; Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht4, § 70 KO Rz 27).

Verbleiben im Rahmen des rasch abzuführenden Bescheinigungsverfahrens begründete Zweifel am Bestand der nicht titulierten Forderung des Antragstellers, dann kann die Bescheinigung nicht als erbracht angesehen werden. Dem betroffenen Gläubiger erwächst daraus auch kein wesentlicher Nachteil, weil ein mangels Forderungsnachweises abgewiesener Eröffnungsantrag mit verbesserter Bescheinigung neuerlich eingebracht werden kann. Der Hinderungsgrund der entschiedenen Rechtssache besteht insoweit nicht, als ein Insolvenzantrag immer nach den Verhältnissen bei seiner Einbringung zu beurteilen ist (OLG Wien ZIK 2009/163, 100).

Eine vom Antragsgegner substantiiert bestrittene, nicht titulierte Forderung kann im Regelfall nicht als bescheinigte Konkursforderung nach § 70 Abs 1 KO (IO) angesehen werden (Schumacher aaO § 70 KO Rz 31, 62 mwN; Übertsroiter in Konecny, Insolvenzgesetze § 70 IO Rz 75). Es trifft zwar zu, dass unsubstantiierte Bestreitungen oder die Aufrechterhaltung objektiv aussichtsloser Prozessstandpunkte der Glaubhaftmachung einer Forderung nicht entgegenstehen (Schumacher aaO § 70 KO Rz 30; Mohr, IO11 § 70 E 220). Der festgestellte Sachverhalt bietet aber keine Handhabe, die Gegenforderung der Antragsgegnerin als unsubstantiiert oder objektiv aussichtslos zu beurteilen.

Die Gegenforderung ist in Höhe von 900.957,42 EUR sA vielmehr bereits seit dem Jahr 2005 Gegenstand eines nach wie vor in erster Instanz anhängigen Zivilprozesses; in diesem Verfahren hat die Antragstellerin auch ihre behauptete Konkursforderung compensando eingewendet. Sollte die Antragsgegnerin mit ihrer Klage obsiegen, wäre die betraglich geringere Gegenforderung der Antragsgegnerin, soweit sie überhaupt als berechtigt festgestellt würde, rückwirkend (RIS-Justiz RS0033762; vgl Leupold in Schwimann, ABGB-TaKomm § 1438 Rz 7) durch Aufrechnung getilgt. Im Fall einer aktiven Einklagung ihrer Forderung hätte die Antragstellerin mit einem Kompensandoeinwand der Antragsgegnerin zu rechnen.

Das Insolvenzeröffnungsverfahren ist nicht dazu geeignet und noch weniger vorgesehen, in einer solchen Situation in Konkurrenz zu einem anhängigen Streitverfahren zu treten. Gelingt es dem Schuldner im Laufe des Konkurseröffnungsverfahrens, durch seine Bestreitung und durch die Vorlage von Gegenbescheinigungen solche Zweifel am Bestand der Forderung zu wecken, dass eine Klärung umfangreiche Beweisaufnahmen und die Entscheidung von schwierigen Rechtsfragen erfordert, ist die Anspruchsbescheinigung misslungen (8 Ob 282/01f).

Die Erfüllung der vollstreckbaren Räumungsverpflichtung der Antragsgegnerin ist im Exekutionsverfahren durchzusetzen. Eine zum Eröffnungsantrag berechtigende Konkursforderung ist daraus - wovon ohnedies auch das Rekursgericht ausgeht - derzeit nicht abzuleiten. Aufschiebend bedingte Forderungen, zu denen hier die Kosten einer künftigen Abfallbeseitigung gehören, sind zur Begründung eines Antrags auf Insolvenzeröffnung generell nicht geeignet (Übertsroiter aaO Rz 75; Schumacher aaO Rz 34). Es steht nach dem von den Vorinstanzen angenommenen Sachverhalt derzeit noch nicht fest, ob, wann und in welcher Höhe der Antragstellerin tatsächlich Entsorgungskosten erwachsen werden, deren Ersatz sie von der Antragsgegnerin begehren kann.

Angesichts der Dauer des bisherigen Verfahrens ist der Umfang einer nach § 70 Abs 2 IO möglichen Bescheinigung ausgeschöpft und davon auszugehen, dass nach dem bei nicht titulierten Forderungen anzulegenden strengen Maßstab die Antragstellerin die von ihr behauptete Konkursforderung nicht hinreichend bescheinigt hat. Die Zahlungsfähigkeit der Antragsgegnerin war daher nicht mehr zu prüfen.

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