OGH 8Ob17/19m

OGH8Ob17/19m25.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. W*, vertreten durch MMag. Dr. Erich Lackner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach Ing. B*, vertreten durch die erbantrittserklärten Erben 1. Dipl.‑Ing. A*, 2. Dipl.‑Ing. C*, und 3. B*, sämtliche vertreten durch Dr. Iris‑Claudia Ammann, Rechtsanwältin in Hall in Tirol, wegen Unterfertigung eines Kaufvertrags (Streitwert 150.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. November 2018, GZ 2 R 133/18b‑27, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. Juni 2018, GZ 11 Cg 70/17t‑23, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124725

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Kläger und Ing. B* beabsichtigten die gemeinsame Abwicklung eines Bauträgerprojekts auf der im Alleineigentum des Letzteren stehenden Liegenschaft EZ 1531 *.

Am 22. 5. 2012 unterzeichneten Ing. B* und der Kläger einen Optionsvertrag, mit dem Ing. B* als Optionsgeber dem Kläger als Optionsnehmer das Recht einräumte, diese Liegenschaft samt Zubehör und Bestandteilen um einen Kaufpreis von 1.900.000 EUR zu erwerben.

Gemäß Punkt III. dieses Vertrags verpflichteten sich die Vertragsteile unter anderem, nach fristgerechter Annahme der Option einen verbücherungsfähigen Kaufvertrag mit den im Optionsvertrag festgelegten Bedingungen und eine Rangordnungserklärung unverzüglich beglaubigt zu unterfertigen.

Punkt VII. des Optionsvertrags lautete:

Alle in diesem Vertrag festgelegten Rechte und Pflichten gehen auf die Rechtsnachfolger der Vertragsparteien über.

Das Optionsrecht ist vererblich und bindet auch allfällige Rechtsnachfolger der Verkäufer. …“

Punkt VIII. lautete:

Das Optionsrecht erlischt, wenn der Optionsnehmer sein Recht nicht binnen drei Jahren nach Unterfertigung des letzten Vertragspartners dieses Vertrages ausübt. Die Rechtzeitigkeit ist gewahrt, wenn die Annahmeerklärung seitens des Optionsnehmers am letzten Tage der Optionsdauer im Inland zur Post gegeben wurde (inländische Postaufgabe).

Am 4. 3. 2014 verstarb Ing. B*. Im Verlassenschaftsverfahren nach dem Verstorbenen wurde mit Beschluss vom 25. 8. 2014 M* zur Verlassenschaftskuratorin „mit dem Aufgabenbereich des Fortbetriebes des Einzelunternehmens Firma Auto H* (Auto Handel und Reparatur) ... bestellt“.

Mit Einschreiben vom 13. 5. 2015 sowie inhaltsgleich vom 15. 5. 2015 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter des Klägers (im Folgenden Klagevertreter) dem Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren den Optionsvertrag vom 22. 5. 2012 mit der Erklärung:

Hiermit wird fristgerecht vom Optionsnehmer diese Option angenommen.

Es wird ersucht, einen Verlassenschaftskurator für die Abwicklung zu bestellen. …

Am 11. 6. 2015 leitete der Gerichtskommissär dieses Schreiben per E‑Mail an die [im Verlassenschaftsverfahren für die Erben einschreitende] Beklagtenvertreterin weiter.

Drei der Kinder des Verstorbenen gaben am 27. 8. 2015 zu je 1/3‑Anteilen die unbedingte Erbantrittserklärung zum Nachlass des Verstorbenen beim Gerichtskommissär zu Protokoll.

Der Klagevertreter übermittelte der Beklagtenvertreterin mit E‑Mail vom 7. 10. 2015 einen „Kaufvertrag samt Zusatzvereinbarung im Entwurf“ mit der Bitte um Prüfung und Rücksprache. Mit Scheiben vom 22. 4. 2016 teilte die Beklagtenvertreterin endgültig mit, dass nach dem Rechtsstandpunkt der Beklagten der Kläger die Option nicht fristgerecht gezogen habe.

Der Kläger begehrte, die Beklagte als Rechtsnachfolgerin von Ing. B* zu verpflichten, die basierend auf der angenommenen Option von 22. 5. 2012 vorgelegten Urkunden, nämlich Kaufvertrag und Zusatzvereinbarung, beglaubigt zu unterfertigen und der damit verbundenen Eigentumsübertragung zuzustimmen.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Die Annahmeerklärung sei gegenüber dem Gerichtskommissär nicht wirksam und gegenüber der Verlassenschaftskuratorin gar nicht abgegeben worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Abgabe der Annahmeerklärung gegenüber dem Gerichtskommissär sei rechtswirksam, weil § 144 Abs 1 AußStrG vorsehe, dass Eingaben im Verlassenschaftsverfahren an den Gerichtskommissär zu erfolgen hätten. Die Erklärung sei nicht gegenüber der bestellten Verlassenschaftskuratorin abzugeben gewesen, da diese lediglich mit dem Fortbetrieb des Einzelunternehmens des Verstorbenen betraut worden sei und dazu nicht die Disposition über Liegenschaften zähle.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, dass zur Frage, ob hinsichtlich des Ablaufs einer vertraglich vereinbarten Präklusivfrist die analoge Anwendung der §§ 1494 f ABGB in Betracht komme – soweit überblickbar – lediglich die zu § 936 ABGB ergangene Entscheidung 8 Ob 711/89 vorliege.

In der Sache selbst vertrat es die Auffassung, dass es sich bei der Ausübung des Optionsrechts um eine empfangsbedürftige – wenngleich nicht annahmebedürftige – Willenserklärung handle. Beinhalte die Erklärung nicht nur Vorteile für den Empfänger, setze Zugang im Sinne des § 862a ABGB dessen volle Geschäftsfähigkeit voraus.

Der als Gerichtskommissär handelnde Notar sei zu den im Zuge einer Verlassenschaftsabhandlung erforderlichen Amtshandlungen berufen. Er sei jedoch nicht Vertreter der Verlassenschaft und handle auch nicht als Vertreter der zur Erbschaft berufenen Personen. Gegenüber dem Gerichtskommissär könnten daher den Vertragsabschluss bewirkende Willenserklärungen nicht rechtswirksam abgegeben werden.

Da die Erben ihre Erbantrittserklärungen erst nach Ausübung des Optionsrechts durch den Kläger abgegeben hätten und im (eingeschränkten) Aufgabenbereich der bestellten Verlassenschaftskuratorin nicht die Veräußerung von Liegenschaftsvermögen enthalten gewesen sei, wäre zur Entgegennahme dieser Willenserklärung des Klägers ein Verlassenschaftskurator zu bestellen gewesen.

Der Kläger habe mit dem am 19. 5. 2015 beim Gerichtskommissär eingelangten Schreiben mitgeteilt, die Option auszuüben. Gleichzeitig habe er um Bestellung eines Verlassenschaftskurators „für die Abwicklung“ ersucht. Gemäß § 144 Abs 2 AußStrG sei es zulässig, Eingaben im Verlassenschaftsverfahren, wozu auch der Antrag auf Kuratorbestellung zähle, beim Gerichtskommissär einzubringen.

Dieser (verfahrensrechtliche) Antrag des Klägers reiche zur Wahrung der im Optionsvertrag festgelegten materiell-rechtlichen Frist aus. Die Rechtsprechung wende auch auf materiell-rechtliche Präklusivfristen – wie etwa bei § 936 ABGB – immer wieder verjährungsrechtliche Normen analog an. Nach § 1494 ABGB analog sei ab dem Tod des Ing. B* bis zur Bestellung eines (vertretungsbefugten) Kurators oder bis zur Erbantrittserklärung und Verwaltung durch die erbantrittserklärten Erben der Ablauf der Frist für die Ausübung der Option gehemmt gewesen, da es niemanden gegeben habe, der die Rechte der Verlassenschaft hätte wahrnehmen können. Darauf, wie lange ab Vorliegen der Erbantrittserklärungen am 27. 8. 2015 der Fristablauf gehemmt gewesen sei, komme es nicht an, weil ohnedies bereits am 11. 6. 2015 eine Weiterleitung des die Optionsausübung beinhaltenden Schreibens an die ausgewiesene Beklagtenvertreterin, die die Erben in dieser Angelegenheit rechtlich vertreten habe, erfolgt sei. Es sei daher von einer fristgerechten und rechtswirksamen Ausübung des Optionsrechts auszugehen.

Allerdings lasse sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen, welchen der insgesamt drei im Verfahren vorgelegten Kaufverträge die Beklagte unterfertigen solle. Das Klagebegehren sei daher nicht ausreichend bestimmt, was mit dem Kläger im fortgesetzten Verfahren zu erörtern sein werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten, mit dem sie eine Klagsabweisung anstrebt, ist zulässig, weil die Rechtslage einer Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof bedarf; er ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.

1. Die Option ist ein Vertrag, durch den eine Partei das Recht erhält, ein inhaltlich vorausbestimmtes Schuldverhältnis in Geltung zu setzen. Sie gewährt also ein Gestaltungsrecht. Die Stellung des Optionsberechtigten entspricht hinsichtlich des Hauptvertrags der eines Offertempfängers; auch der Letztere hat nämlich ein rechtsbegründendes Gestaltungsrecht, weil es von seinem einseitigen Willensentschluss abhängt, ob der Vertrag zustande kommt oder nicht (RIS‑Justiz RS0115633).

2.1 Nach § 862a Satz 1 ABGB gilt die Annahme als rechtzeitig, wenn die Erklärung innerhalb der Annahmefrist dem Antragsteller zugekommen ist. Daraus ergibt sich die Empfangs- bzw Zugangstheorie, wonach ein Vertrag mit dem rechtzeitigen Zugang der Annahmeerklärung beim Offerenten zustande kommt (Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 862a Rz 1; Bollenberger in KBB5 § 862a ABGB Rz 1; s auch RIS‑Justiz RS0014094). Der Absender trägt insoweit das Transport- und insbesondere auch das Verspätungsrisiko (Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 862a Rz 1; Kolmasch in Schwimann/Neumayr, ABGB‑TaKom4 § 862a Rz 3).

2.2.1 Der wirksame Zugang einer empfangsbedürftigen Erklärung setzt zumindest dann, wenn sie für den Erklärungsempfänger nicht nur Vorteile mit sich bringt, dessen Geschäftsfähigkeit voraus (RIS‑Justiz RS0014102; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 862a Rz 2; Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 862a Rz 10; aA Oberhofer, JBl 1991, 474).

2.2.2 Wird der Offerent während der Bindungsfrist seines Anbots geschäftsunfähig, bleibt er zwar an dieses gebunden (§ 862 ABGB), doch muss dann die Annahmeerklärung des Oblaten als zugangsbedürftige Willenserklärung noch innerhalb der Bindungsfrist dem gesetzlichen Vertreter des Offerenten zugehen. Der Zugang der Annahmeerklärung bloß an den geschäftsunfähigen Offerenten ist nicht wirksam, weil diesem die Möglichkeit der Kenntnisnahme mangelt (RIS‑Justiz RS0013955). Erklärungen an Geschäftsunfähige sind daher an deren Vertreter zu richten (5 Ob 153/10a).

2.3 In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die rechtsgeschäftliche Anbotsfrist durch den Tod oder die Geschäftsunfähigkeit des Offerenten nicht unterbrochen und damit nicht über die Endigungsfrist hinaus verlängert wird (1 Ob 529/90 = JBl 1991, 113 [zust Dullinger] = RdW 1990, 441 [abl Holeschofsky]).

3.1 Zweck des § 1494 ABGB ist es, handlungsunfähige Personen vor der Gefahr des Rechtsverlusts durch Verjährung (Ersitzung) zu schützen, wenn sie keinen gesetzlichen Vertreter haben, der ihre Rechte für sie verwalten könnte (R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.06 § 1494 Rz 2; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonklich, Klang³ Vor §§ 1494–1496 ABGB Rz 4). Zwar wendet die nunmehr ständige Rechtsprechung die Vorschriften über die Hemmung der Verjährungsfrist nach § 1494 ABGB analog auf den ruhenden Nachlass (RIS‑Justiz RS0034619) und insbesondere auch auf Präklusivfristen an (RIS‑Justiz RS0034608 [T1]), dies allerdings zugunsten des ruhenden Nachlasses (4 Ob 2326/96d). Auch in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 8 Ob 711/89 erfolgte die sinngemäße Anwendung des § 1494 ABGB auf die Frist des § 936 ABGB „wegen der Minderjährigkeit des klagenden Kindes als Begünstigten“.

3.2 Rechteinhaber ist hier der Kläger als Optionsnehmer. Der Kläger ist (anders als die unvertretene Verlassenschaft) nicht vom Schutzzweck des § 1494 ABGB umfasst.

4. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Ablauf der Frist für die Ausübung des Optionsrechts analog § 1494 ABGB zugunsten des Klägers gehemmt gewesen wäre, steht mit der dargestellten Rechtsprechung nicht in Einklang.

Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob an der Judikatur zu 1 Ob 529/90 – keine Verlängerung der Anbotsfrist durch den Tod des Offerenten – festzuhalten ist (vgl anders zu § 153 BGB: Bork in Staudinger [2015] § 153 BGB Rz 4), kann im vorliegenden Fall unterbleiben. Der Kläger hat hier die Option aus anderen Gründen fristgerecht ausgeübt.

5.1 Die Parteien können den Zeitpunkt des Zugangs von Erklärungen – außerhalb des Verbrauchergeschäfts – auch abweichend von der in § 862a ABGB statuierten Empfangstheorie regeln (Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 862a Rz 10; VwGH 2002/16/0116 = wobl 2003/171 [Arnold]).

5.2 Im konkreten Fall haben die Vertragsparteien gemäß Punkt VIII. des Optionsvertrags vereinbart, dass die Rechtzeitigkeit gewahrt ist, wenn die Annahmeerklärung des Optionsnehmers am letzten Tag der Optionsdauer (im Inland) zur Post gegeben wurde. Damit haben die Vertragsparteien die Wirksamkeit und Rechtzeitigkeit von der Absendung und nicht vom Zugang der Erklärung beim Empfänger abhängig gemacht. Nach der Absendetheorie ist der Absender aber im Gegensatz zur Empfangstheorie vom Verspätungs- und Verlustrisiko befreit.

5.3 Daraus folgt, dass die Absendung des Schreibens des Klägers vom 13. 5. bzw 15. 5. 2015, das Optionsrecht auszuüben, fristwahrend war. Die Erklärung wurde nicht schlechtweg an die unvertretene Verlassenschaft adressiert. Vielmehr hat der Kläger unter einem beantragt, für die unvertretene Verlassenschaft einen Verlassenschaftskurator zu bestellen. Gemäß § 144 Abs 2 AußStrG schadet es nicht, dass dieser Antrag auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators nicht an das (darüber entscheidungsbefugte) Gericht, sondern an den Gerichtskommissär gerichtet wurde (vgl zu einem Separationsantrag: 10 Ob 28/11g).

Das Risiko, dass die Erklärung nicht auch innerhalb der offenen Annahmefrist einem Vertreter der Verlassenschaft zugegangen ist, trug nach dem Parteiwillen der Empfänger.

Im Ergebnis trifft daher die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zu, dass der Kläger die Option rechtzeitig und rechtswirksam ausgeübt hat.

6. Dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts war nicht Folge zu geben.

7. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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