OGH 8Ob136/08w

OGH8Ob136/08w16.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ana Maria D*****, vertreten durch Dr. Erich Peter Piuk, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei em. Univ.-Prof. Dr. Hans Fritz K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink, Dr. Peter Bernhart und Dr. Bernhard Fink, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterhalt (36.000 EUR) über die Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen den „Beschluss" (richtig: Teilurteil und Beschluss) des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 20. Juni 2008, GZ 4 R 209/08i-36, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Ferlach vom 24. März 2008, GZ 1 C 208/07z-29, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision und der Rekurs werden zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.959,48 EUR (darin 326,58 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin, eine chilenische Staatsbürgerin, und der Beklagte, ein deutscher Staatsbürger, haben am 10. 5. 1999 in Deutschland die Ehe geschlossen. Der Beklagte hatte zum Zeitpunkt der Eheschließung Wohnsitze in den Vereinigten Staaten von Amerika, in L***** (D) sowie in L***** (F*****). Die Klägerin war abwechselnd in L***** (D) und in L***** (Ö) polizeilich gemeldet. Die Streitteile wohnten üblicherweise von Mai bis Oktober oder November jeden Jahres in L***** (Ö) und hatten dort den Großteil ihrer persönlichen Sachen. Die Klägerin führte dort auch den Haushalt. Auch im Jahr 2006 wohnten die Streitteile ab Mai gemeinsam in L***** (Ö). Ende September 2006 fuhren sie nach Polen, weil der Beklagte an einer dortigen Universität eine Vertragslehrertätigkeit aufgenommen hatte. Sie wohnten dort gemeinsam bis 6. 12. 2003. Am 11. 12. 2006 flogen sie gemeinsam nach Chile. Der Beklagte ließ die Klägerin dort in einem Hotel allein zurück. Seit 12. 12. 2006 leben die Streitteile getrennt.

Am 4. 1. 2007 kehrte die Klägerin von Chile nach Europa zurück. Als sie in die Wohnung in L***** (Ö) zurückkehren wollte, war ihr dies nicht mehr möglich, weil der Beklagte das Schloss ausgetauscht hatte. Der Beklagte hatte zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage (26. 3. 2007) seinen Wohnsitz bzw Aufenthalt unter der Anschrift L***** (Ö) und wohnte auch dort.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten (nach Einschränkung) 3.000 EUR ab 1. 12. 2006 an monatlichem Unterhalt bei aufrechter Ehe mit der wesentlichen Begründung, dass der Beklagte ihr ab Dezember 2006 keinen Unterhalt mehr bezahle und über Einkünfte in Höhe von monatlich rund 10.000 EUR verfüge.

Der Beklagte erhob die Einreden der mangelnden internationalen Zuständigkeit, der internationalen Streitanhängigkeit (im Hinblick auf ein in Chile eingeleitetes Scheidungsverfahren) sowie der örtlichen Unzuständigkeit, bestritt das Klagebegehren und beantragte Klageabweisung. Unter der Anschrift in L***** (Ö) habe sich keine gemeinsame Ehewohnung befunden. Letztlich wendete der Beklagte auch Verwirkung des Anspruchs auf Ehegattenunterhalt ein, weil die Klägerin ohne seine Einwilligung und ohne sein Wissen gesondert Wohnung genommen habe.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten - den es bereits mit rechtskräftiger einstweiliger Verfügung zur Zahlung eines vorläufigen Unterhalts von monatlich 1.023 EUR ab 1. 4. 2007 (bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Unterhaltsverfahrens) verpflichtet hatte - schuldig, der Klägerin vom 1. 12. bis 31. 12. 2006 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 1.388 EUR sowie ab 1. 1. 2007 einen solchen von 1.305 EUR zu bezahlen und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren von 1.612 EUR für die Zeit vom 1. 12. bis 31. 12. 2006 und von 1.695 EUR ab 1. 1. 2007 ab. Eine (beschlussmäßige) Entscheidung über die erhobenen Prozesseinreden erfolgte nicht, jedoch bejahte das Erstgericht im Rahmen seiner Entscheidungsgründe ausdrücklich seine Zuständigkeit unter Hinweis auf den letzten gemeinsamen Wohnsitz beider Streitteile in Österreich. Gegen dieses Urteil erhoben beide Parteien Berufung. Das Berufungsgericht gab mittels ausdrücklich nur als „Beschluss" bezeichneter Entscheidung der Berufung des Beklagten nicht Folge, jener der Klägerin hingegen Folge, hob das erstinstanzliche Urteil im nicht bestätigten (also abweislichen Teil) auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Den „Rekurs" ließ das Berufungsgericht zu seiner Auffassung nach erheblichen Rechtsfrage zu, „ob nun tatsächlich die internationale Zuständigkeit des Bezirksgerichts Ferlach" gegeben sei bzw ob die internationale Streitanhängigkeit vorliege.

Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung bejahte das Berufungsgericht die Zuständigkeit des Erstgerichts und verneinte auch das Vorliegen des Prozesshindernisses der internationalen Streitanhängigkeit. Inhaltlich erachtete das Berufungsgericht lediglich die Verfahrensrüge der Klägerin im Zusammenhang mit zur Unterhaltsbemessung des Beklagten gestellten Beweisanträgen samt daraus resultierenden Feststellungsmängeln und damit fehlender Spruchreife als berechtigt.

Gegen diesen „Beschluss" des Berufungsgerichts richten sich die Revision und der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bzw Nichtigkeit mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im gänzlich klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise die Unterhaltsklage wegen internationaler Unzuständigkeit bzw internationaler Streitanhängigkeit zurückzuweisen; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die gegnerische Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw der Revision und dem „unzulässigen (Revisions-)Rekurs insgesamt keine Folge zu geben."

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die Revision als auch der Rekurs sind unzulässig. Vorauszuschicken ist, dass sich das Berufungsgericht (teilweise) in der Entscheidungsform vergriffen hat. Aus dem Spruch und den Entscheidungsgründen ergibt sich eindeutig, dass das Berufungsgericht der Berufung des Beklagten nicht Folge gab. Das Berufungsgericht hätte daher den klagestattgebenden Teil des Ersturteils mit Teilurteil (§ 391 Abs 1 ZPO) bestätigen müssen. Das Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusst aber weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels, weshalb der Rechtsmittelwerber konsequenterweise gegen den „Beschluss" des Berufungsgerichts Revision und Rekurs erhoben hat (RIS-Justiz RS0036324). Zur im Vordergrund stehenden (und auch den Schwerpunkt der Rechtsmittelausführungen des Beklagten bildenden verfahrensrechtlichen) Frage des Vorliegens der weiterhin aufrecht erhaltenen Einrede der internationalen Unzuständigkeit des angerufenen Erstgerichts einerseits und der internationalen Streitanhängigkeit andererseits kann der Hinweis genügen, dass diese Ausführungen des Rechtsmittelwerbers schon daran scheitern müssen, dass die Vorinstanzen zwar nicht (wie gemäß § 261 Abs 1 ZPO geboten) spruchmäßig, aber in den Gründen ihrer jeweiligen Entscheidungen beide Prozessvoraussetzungen übereinstimmend und ausdrücklich verneinten. Damit liegt aber eine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung nach § 42 Abs 3 JN über diese absoluten Prozessvoraussetzungen vor (RIS-Justiz RS0035572; RS0114196; RS0039226; RS0039774; 2 Ob 232/98a; 4 Ob 118/06s; Mayr in Rechberger, ZPO3 § 42 JN Rz 11). Die in § 42 Abs 3 JN für einzelne Prozesshindernisse normierten Rechtsfolgen gelten nach Lehre und Rechtsprechung für sämtliche Prozesshindernisse (RIS-Justiz RS0046234; Mayr aaO).

Damit ist aber jener Teil des Rechtsmittels, der als Rekurs gegen den vom Berufungsgericht (wenngleich bloß implizite) gefassten Beschluss erhoben wurde, mit welchem die Verwerfung der genannten Prozesseinreden bestätigt wurde, als absolut unzulässig zurückzuweisen (8 Ob 33/08y = EvBl 2008/158; RIS-Justiz RS0123463; Nunner-Krautgasser, Zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses: keine analoge Anwendung der Anfechtungsbeschränkungen des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO im Rekursverfahren, Zak 2007, 146 [148]). Die vom Berufungsgericht ausschließlich hiezu formulierte Rechtsfrage stellt sich damit nicht.

Im Zusammenhang mit der vom Beklagten erhobenen Revision steht eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zur Beurteilung.

Die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers unter dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beschränken sich auf die Behauptung, dass die Ehe der Streitteile mit Urteil des Bezirksgerichts Cumberland des US-Bundesstaats North Carolina vom 17. 12. 2007 rechtskräftig geschieden worden sei, weshalb das Klagebegehren auf Zuerkennung von Ehegattenunterhalt hätte abgewiesen werden müssen. Der Rechtsmittelwerber übersieht jedoch in diesem Zusammenhang, dass er in seiner Berufung (ON 9) die diesbezügliche Negativfeststellung des Erstgerichts (ob nämlich die Ehe der Streitteile tatsächlich von diesem ausländischen Gericht rechtskräftig geschieden wurde: Seite 7 des Ersturteils) weder bekämpfte noch diese Problematik in sonstiger Weise thematisierte, sodass diese Feststellung auch vom Obersten Gerichtshof zugrundezulegen ist. Zufolge dieser gänzlichen Unbekämpftheit einerseits sowie Unbeachtlichkeit dieses Aspekts auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht (siehe die obigen Ausführungen zu den Prozessvoraussetzungen) andererseits kann damit selbstredend auch in materiellrechtlicher Hinsicht (nämlich den Unterhaltsanspruch der Klägerin betreffend) dem Berufungsurteil keine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO korrekturbedürftige Fehlbeurteilung anhaften. Damit ist aber auch dieser Teil des Rechtsmittels als im Ergebnis unzulässig zurückzuweisen.

Der Auffassung des Berufungsgerichts schließlich, die Tatfrage (im Zusammenhang mit der nicht ausreichend erhobenen Unterhaltsbemessungsgrundlage) sei nicht genügend geklärt, kann der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten, weil er damit unzulässigerweise Tatfragen lösen würde (RIS-Justiz RS0042327, RS0042179).

Sowohl der Rekurs als auch die Revision waren daher spruchgemäß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Rechtsmittel hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979).

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