OGH 8Ob122/02b

OGH8Ob122/02b18.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Hradil als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder David S***** und Jasmin S*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Gerhard S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 23. April 2002, GZ 21 R 159/02g-14, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, weil es im Außerstreitverfahren im Allgemeinen ausreicht, wenn Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs an die zweite Instanz zu vertreten (RIS-Justiz RS0006048; 1 Ob 532/92) und der Vater zudem vom Erstgericht - wenngleich nach Beschlussfassung - ausführlich vernommen wurde.

Die Volksrepublik China ist in Ansehung der Sonderverwaltungsregion Hongkong Vertragsstaat des Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (BGBl III Nr 151/1997; Schütz, Zwischenstaatliche Vereinbarungen, die für Familienrichter bedeutsam sein könnten, RZ 2001, 54). Auch die Republik Österreich zählt zu den Vertragsstaaten.

Gemäß seinem Art 4 wird das Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (BGBl 1988/512), zu dessen Durchführung das Bundesgesetz BGBl 1988/513 erging, auf jedes Kind angewendet, das unmittelbar vor einer Verletzung des Sorgerechts oder des Rechts auf persönlichen Verkehr seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hatte. Gemäß Art 1 des Übereinkommens hat dieses das Ziel, die sofortige Rückgabe widerrechtlich in einen Vertragsstaat verbrachter oder dort zurückgehaltener Kinder sicherzustellen und zu gewährleisten, dass das in einem Vertragsstaat bestehende Sorgerecht und Recht auf persönlichen Verkehr in den anderen Vertragsstaaten tatsächlich beachtet wird. Die Rückführungsentscheidung ist keine Regelung der elterlichen Obsorge (Art 19 des Übereinkommens; 1 Ob 550/92, 7 Ob 573/90; Erläuternder Bericht von Eliza Perez-Vera, als Berichterstatterin der von der Haager Konferenz eingesetzten Kommission in 485 BlgNR 17. GP 35 ff, 37 f, 46 f), sondern verhilft dem geltenden Sorgerecht zur faktischen Wirksamkeit. Das Übereinkommen strebt demnach an, in einem "entformalisierten Schnellverfahren und unter weitgehender Ausblendung von Rechtsfragen" allein die ursprünglichen Tatsachenverhältnisse wiederherzustellen (1 Ob 532/92; 1 Ob 550/92; JBl 1991, 389; Mansel, Neues internationales Sorgerecht in NJW 1990, 2176 f; Böhmer, Die 14. Haager Konferenz über internationales Privatrecht 1980, in RabelsZ 1982, 643 ff, 646).

Wer sich der Rückgabe des Kindes widersetzt, hat das Vorliegen von Hindernissen zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0074561). Eine Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des Sachverhalts besteht nicht. Die Pflicht zu rascher Entscheidung schließt wegen der dargestellten Verfahrensbesonderheiten im Allgemeinen die Einholung von Sachverständigengutachten aus (vgl 4 Ob 298/97w). Das Übereinkommen lässt bestimmte Ausnahmen von der allgemeinen Verpflichtung der Staaten zu, die sofortige Rückgabe des widerrechtlich verbrachten oder zurückgehaltenen Kindes sicherzustellen. Diese Ausnahmen sind in Art 13 Abs 1 enthalten. Nach dessen lit b ist die zuständige Behörde - ungeachtet der grundsätzlichen Verpflichtung zur sofortigen Rückgabe des Kindes (Art 12 Abs 1) - dann nicht verpflichtet, die Rückgabe anzuordnen, wenn (unter anderem) die Person, die sich der Rückgabe des Kindes widersetzt, nachweist, dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt. Ob das Kindeswohl iSd Art 13 Abs 1 lit b des Übereinkommens bei einer Rückgabe gefährdet wäre, ist eine von den jeweiligen Umständen abhängige Frage, die im Einzelfall zu entscheiden ist (7 Ob 123/00i; 1 Ob 7/00m ua).

Eine krasse Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, vermag der Revisionsrekurswerber nicht darzustellen: Die von ihm bloß behauptete Unmöglichkeit der Einreise der Kinder in Hongkong steht einerseits in Widerspruch zu den Anordnungen der Behörden dieser Sonderverwaltungsregion und wird andererseits durch die eigenen Angaben bei der Vernehmung am 19. 4. 2002 (ON 10) relativiert, wonach die Möglichkeit der Einreise mit einem Touristenvisum sowie der Erlangung eines "Arbeitsvisums" durch die Mutter bestehe. Auch die Beurteilung durch das Berufungsgericht, die Aktenlage biete keinen Anhaltspunkt dafür, die Umweltsituation in Hongkong stelle eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der Kinder dar, ist schon im Hinblick auf die bereits dargestellte Beweispflicht ebensowenig grob unrichtig, wie die Ausführungen zu den behaupteten psychischen Belastungen der Kinder in Zusammenhang mit der Scheidung, der Berufstätigkeit der Mutter und der Abwesenheit des Vaters. Dass im Sinne des restriktiv zu handhabenden Ausnahmetatbestandes des Art 13 Abs 1 lit b des Übereinkommens ganz außergewöhnliche - etwa den Gründen der Entscheidung 4 Ob 2288/96s vergleichbare - Umstände vorlägen, ist nicht ersichtlich.

Der Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

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