European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00120.23I.1213.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Rekurs wird als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin hatte im Zusammenhang mit einem Hotelprojekt bei der Beklagten Kreditverbindlichkeiten von über 2.000.000 EUR. Im Jahr 2014 wurde ein Vergleich geschlossen, wonach die Klägerin sich von ihren Verbindlichkeiten befreien kann, wenn sie bis 31. 8. 2016 eine Zahlung von 1.100.000 EUR leistet. Die Klägerin versuchte daraufhin erfolglos, ihre Liegenschaften innerhalb dieser Frist zu verkaufen oder eine Umschuldung zu erreichen. Später teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie sie gegen eine Zahlung von 730.000 EUR bis 15. 9. 2017 aus ihren Verbindlichkeiten entlassen und ihre Liegenschaften lastenfrei stellen würde. Schließlich gewährte die Beklagte der Klägerin noch „eine Frist zur Regulierung der Angelegenheit“ bis 31. 12. 2017, wobei „Zahlunsgvorschläge“ an den Beklagtenvertreter zu richten seien.
[2] Nachdem die Klägerin am 22. 12. 2017 ein mündliches Kaufangebot für ihre Liegenschaften erhalten hatte, kontaktierte sie am 28. und 29. 12. 2017 die Beklagte, um eine schriftliche Zusage zu erhalten, dass die Liegenschaft gegen Zahlung von 730.000 EUR lastenfrei gestellt würde. Damals gab es noch keinen unterschriftsreifen Kaufvertragsentwurf und auch keine grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Am 9. 1. 2018 teilte die Beklagte mit, dass die gesetzte Frist verstrichen sei und sie nur gegen Zahlung von 1.250.000 EUR zur Lastenfreistellung bereit sei, woraufhin die Klägerin diesen Betrag vorbehaltlich der Rückforderung des Differenzbetrags zu 730.000 EUR an die Beklagte zahlte.
[3] Das Erstgericht hat die auf Rückzahlung des Differenzbetrags von 520.000 EUR gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, dass das Anbot der Lastenfreistellung gegen Zahlung von 730.000 EUR nicht fix zugesagt gewesen sei.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, wobei es eine von der Klägerin mit der Berufung vorgelegte Urkunde, die eine Bestätigung der Grundverkehrsbehörde enthielt, zurückwies. Die Leistung der Klägerin sei nicht rechtzeitig erfolgt.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Berufungsgerichts ist jedenfalls unzulässig.
[6] Die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.
[7] 1. Gegen Beschlüsse des Berufungsgerichts ist der Rekurs nur in den in § 519 Abs 1 ZPO genannten Fällen zulässig. Die Zurückweisung von Urkunden fällt nicht darunter und ist daher unanfechtbar (RIS‑Justiz RS0041977; RS0043841 [T1]). Im Übrigen verletzt es nach ständiger Rechtsprechung das Neuerungsverbot, wenn im Berufungsverfahren neue Beweismittel vorgelegt werden (RS0042011; RS0105484). Die Klägerin kann sich deshalb auch nicht auf den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO berufen.
[8] 2. Die Ermittlung des Inhalts einer Willenserklärung im Wege der Auslegung stellt eine typische Einzelfallbeurteilung dar (RS0042555). Ob eine Zusage im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, begründet deshalb nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0044358; RS0112106). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Klägerin auch die von der Beklagten gesetzte Frist zur „Regulierung der Angelegenheit“ nicht eingehalten habe, weil bis 31. 12. 2017 weder Zahlungen noch Zahlungsvorschläge erfolgt seien, ist in diesem Sinne nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat auch bereits darauf hingewiesen, dass die Beklagte den fristgerechten Verkauf der Liegenschaften schon deshalb nicht treuwidrig vereitelt hat, weil weder ein unterschriftsreifer Kaufvertragsentwurf noch eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung verfügbar war. Schließlich geht auch die in der Revision aufgestellte Behauptung der Klägerin, dass sich die Beklagte in „Annahmeverzug“ befunden habe, schon deshalb fehl, weil die Klägerin keine Leistung angeboten und die Beklagte keine Leistung abgelehnt hat.
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