OGH 8Ob102/11z

OGH8Ob102/11z24.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr.Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der vormals mj C***** V*****, vertreten durch Dr. Zoe Van der Let-Vangelatou, Rechtsanwältin in Wien, über den Revisionsrekurs des Antragstellers Ing. G***** V*****, vertreten durch Dr. Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herabsetzung des Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 1. Juni 2011, GZ 43 R 245/11i-93, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom 4. März 2011, GZ 26 Pu 118/10d-80, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 AußStrG zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist aufgrund des Vergleichs vom 6. 12. 2007 zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 340 EUR für seine Tochter C***** verpflichtet. In diesem Vergleich wurde festgehalten, dass sich die Höhe des Unterhalts am Durchschnittsbedarfssatz Gleichaltriger orientieren solle, unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Vaters. Mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag begehrte der Vater die Herabsetzung des verglichenen Unterhaltsbetrags auf (zuletzt) monatlich 215 EUR, weil seine nunmehrigen Einkommensverhältnisse keine höhere Leistung zuließen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Der Vater beziehe eine monatliche Durchschnittsnettopension von 1.073,12 EUR, seine Lebensgefährtin komme für alle laufenden Wohnungs- und Lebenshaltungskosten auf. Im Jahr 2010 sei der Antragsteller überdies geringfügigen Beschäftigungen nachgegangen. Unter diesen Umständen bestehe - auch unter Berücksichtigung seiner weiteren Sorgepflicht für einen volljährigen Sohn - mit dem derzeit geltenden, den Durchschnittsbedarfssatz ohnehin unterschreitenden Unterhaltsbetrag noch keine Belastung des Antragstellers, die eine Abänderung des ausdrücklich unter Verzicht auf die Umstandsklausel geschlossenen Vergleichs rechtfertigen würde.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Antragstellers keine Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, unter welchen Voraussetzungen ein geldunterhaltspflichtiger Elternteil die Neubemessung eines Kindesunterhalts verlangen könne, der vergleichsweise ausdrücklich ohne Bedachtnahme auf seine tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit festgesetzt wurde. Nach Ansicht des Rekursgerichts sei eine Anpassung unter diesen Umständen nur zulässig, wenn ein Festhalten am vereinbarten Verzicht geradezu als sittenwidrig zu beurteilen wäre. Diese Grenze werde bei den festgestellten wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers nicht erreicht.

Rechtliche Beurteilung

Der von der vormals minderjährigen Anspruchsberechtigten beantwortete Revisionsrekurs ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

1. Durch gerichtliche Entscheidung oder Vergleich festgesetzte Unterhaltsansprüche unterliegen grundsätzlich der Umstandsklausel. Der Anspruch kann daher - aber auch nur - im Fall einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu bemessen werden (RIS-Justiz RS0018984; RS0057146). Ein Verzicht des Unterhaltspflichtigen auf die Geltendmachung der Umstandsklausel ist nach ständiger Rechtsprechung zulässig und wirksam (RIS-Justiz RS0019189; RS0016554; RS0018900; Gitschthaler Unterhaltsrecht², 412).

Ob die konkret im streitgegenständlichen Vergleich enthaltene Passage, dass der Unterhalt sich ohne Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verpflichteten am Regelbedarf orientiere, als Verzicht auf die Umstandsklausel aufzufassen ist, betrifft die Auslegung einer Vereinbarung im Einzelfall und wirft als solche keine Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS-Justiz RS0113785). Eine geradezu unvertretbare und daher vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung des Vergleichsinhalts durch die Vorinstanzen ist nicht ersichtlich.

Der im Revisionsrekurs ins Treffen geführte Vergleich vom 2. 7. 2008 regelt die Unterhaltspflicht der Mutter für den damals unter Obsorge des Antragstellers stehenden Sohn. Aus der Formulierung dieses Vergleichs ist daher für die Rechtsposition des Antragstellers gegenüber seiner Tochter, der nach wie vor der Vergleich vom 6. 12. 2007 zugrundeliegt, nichts abzuleiten.

2. Unabhängig von den Fragen der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Umstandsklausel und der Reichweite eines Verzichts fehlt jedoch im vorliegenden Verfahren schon die für eine Neubemessung notwendige Voraussetzung einer wesentlichen Änderung der Einkommensverhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.

Diese Voraussetzung ist schon nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers nicht erfüllt, hat er doch bereits vor Abschluss des rechtskräftigen Vergleichs behauptet, völlig einkommens- und vermögenslos zu sein, die vorhandenen Reserven (aus dem Verkauf einer italienischen Wohnung) bereits zur Begleichung laufender Verpflichtungen erschöpft zu haben und umfassend von der Lebensgefährtin erhalten zu werden (Schriftsatz ON U16). Da die Höhe seiner inzwischen zuerkannten Alterspension die vor dem Vergleich geäußerten Erwartungen des Antragstellers sogar übertrifft, stellen sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse insgesamt derzeit sogar günstiger dar als zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses. Das im Rechtsmittelverfahren erstmals erhobene Vorbringen, der Antragsteller müsse seiner Lebensgefährtin die von dieser getragenen Lebenshaltungskosten anteilig refundieren, verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 49 Abs 2 AußStrG).

Ein Kostenersatzanspruch ist der Unterhaltsberechtigten nach § 78 Abs 1 AußStrG nicht zuzuerkennen. Zwar ist nach dem Erreichen der Volljährigkeit der Ausschluss des Kostenersatzes gemäß § 101 Abs 2 AußStrG nicht mehr anzuwenden (RIS-Justiz RS0123811; RS0028356), in der Revisionsrekursbeantwortung wurde aber nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass sie nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente (vgl 2 Ob 143/07d).

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