OGH 8Ob101/04t

OGH8Ob101/04t11.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Alexander Christian S*****, vertreten durch Dr. Matthäus Grilc, Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1. Univ. Prof. Dr. Justin S*****, 2. Dr. Wolfgang Gregor S*****, beide vertreten durch Dr. Gert Paulsen, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung, Beseitigung und Unterlassung (Gesamtstreitwert 9.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 3. Juni 2004, GZ 2 R 160/04p-18, womit über Rekurs der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 20. Jänner 2004, GZ 20 C 1642/03v-12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 732,22 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 122,03 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14. 4. 2003, 41 S 129/03y, wurde über das Vermögen des Klägers das Konkursverfahren eröffnet und Dr. Georg Pertl zum Masseverwalter bestellt. Das Konkursverfahren ist noch anhängig.

Mit der am 25. 9. 2003 verbessert eingebrachten Klage stellt der Kläger folgendes Urteilsbegehren:

1. Es wird zwischen der klagenden Partei und den beklagten Parteien festgestellt, dass die beklagten Parteien als Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****K***** nicht berechtigt sind, das Miteigentumsrecht des Klägers an dieser Liegenschaft dadurch zu stören, dass sie ihm insbesondere das Betreten und das Gebrauchen der gemeinsamen Liegenschaft, repräsentiert durch das Haus T***** 2, *****K*****, und den dazugehörigen Garten unmöglich machen und verwehren;

2. die beklagten Parteien sind gegenüber der klagenden Partei schuldig, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution die Mitbenützung der gemeinsamen Liegenschaft wieder zu ermöglichen, insbesondere durch Aushändigung der passenden Schlüssel, die den Zugang zu Garten und Haus T***** 2, ***** K*****, gewährleisten;

3. die beklagten Parteien sind gegenüber der klagenden Partei schuldig, ab sofort bei sonstiger Exekution jede Störung oder Behinderung des Gebrauchsrechtes der Liegenschaft EZ ***** KG ***** K***** zu unterlassen.

Der Kläger bringt dazu vor, dass er zur Führung dieser Rechtsstreitigkeit befugt sei, weil durch das Begehren das zur Konkursmasse gehörige Vermögen nicht betroffen sei. Er und die beklagten Parteien seien jeweils Dritteleigentümer der Liegenschaft, bestehend aus dem Haus T***** 2 und dem dazugehörigen Garten. Alle Miteigentümer seien berechtigt, die Liegenschaft zu besitzen und zu gebrauchen. Dieser Gebrauch und Besitz könne auch ohne Zustimmung der jeweils anderen Miteigentümer ausgeübt werden, wobei der Gebrauch des einen im tatsächlichen Gebrauch des anderen seine Schranke finde. Die Beklagten hätten am 24. 10. 2002 mit der Verwalterin der Liegenschaft die Vereinbarung geschlossen, dass der Kläger von jeglicher Verwaltungshandlung und Benützung der Liegenschaft ausgeschlossen werde. Die Beklagten hätten die Schlösser ausgetauscht, wodurch dem Kläger der Zugang zum Anwesen und zum Haus unmöglich gemacht werde. Als Miteigentümer könne dem Kläger jedoch der Gebrauch der gemeinschaftlichen Sache nicht verwehrt werden. Er habe ein Recht auf Benützung des gemeinsamen Gartens, um dort spazieren zu gehen, sich an der Natur zu erfreuen, an den Blumen zu riechen und Gartenpflege vorzunehmen. Es könne ihm auch nicht verwehrt werden, das gemeinsame Haus zu betreten, darin zu verweilen und die dort befindlichen Gegenstände anzuschauen und zu benützen. Durch die Klageführung werde der in die Konkursmasse fallende Miteigentumsanteil des Klägers an der Liegenschaft weder geschmälert noch gefährdet.

Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Klage. Das vom Kläger eingeleitete Verfahren betreffe jedenfalls auch die Konkursmasse. Es liege daher ein Masseprozess vor, dessen Führung dem Masseverwalter obliege. Im Übrigen wenden sie ein, dass der Kläger sich in beispielloser Weise rechtswidrig verhalten habe, unberechtigt in die Liegenschaft und in das Haus eingedrungen sei, die Liegenschaft und insbesondere den Garten devastiert habe, Aufträge an gutgläubige Professionisten erteilt habe und die Verkaufsbemühungen hinsichtlich der Liegenschaft dadurch vereitelt habe, dass er potentielle Kaufinteressenten abgeschreckt habe.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Ausgehend von maßgeblichen Vorbringen des Klägers betreffe das von diesem eingeleitete Verfahren jedenfalls auch die Konkursmasse. Es liege daher ein Masseprozess vor.

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Kläger erhobenen Rekurs nicht Folge, wobei es seinen Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, über Antrag des Klägers mit Beschluss vom 16. 8. 2004 dahin änderte, dass es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 4.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Inhaltlich billigte das Rekursgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Ein Miteigentumsanteil falle selbstverständlich in die Konkursmasse und sei einer entsprechenden Verwertung zugänglich. Der Masseverwalter habe das zur Konkursmasse gehörige Vermögen zu verwalten und zu verwerten. Es sei daher ausschließlich der Masseverwalter befugt, auf entsprechende Abhilfe der vom Kläger behaupteten Beeinträchtigungen durch die Beklagten zu dringen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Kläger erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu, ob der Gemeinschuldner zur Geltendmachung aus dem Miteigentumsrecht erfließender Gebrauchsrechte befugt ist, nicht besteht. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

§ 6 Abs 1 KO verfügt eine Prozesssperre in Ansehung der Geltendmachung oder Sicherstellung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen des Gemeinschuldners: Diese Ansprüche können nach der Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner weder anhängig gemacht noch fortgesetzt werden. Für Aktivprozesse des Gemeinschuldners fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung. Diesbezüglich gilt § 3 KO, wonach Rechtshandlungen des Gemeinschuldners und damit auch die Prozessführung als Kläger, soweit sie die Konkursmasse betreffen, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam sind (Schubert in Konecny/Schubert, KO § 6 Rz 13; Buchegger in Buchegger, InsR I § 6 KO Rz 31; 2 Ob 124/00z). Nach herrschender Auffassung (Bartsch/Pollak³ I 69; Schubert aaO § 6 Rz 18; ZIK 1997, 19; 2 Ob 124/00z uva) steht die Unfähigkeit des Gemeinschuldners über die Konkursmasse zu verfügen, der mangelnden Prozessfähigkeit im Sinne des § 6 ZPO gleich. Dieser Mangel ist gemäß § 6 Abs 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen (ZIK 1997, 19; 2 Ob 124/00z; zum Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO siehe auch Kodek in Rechberger² § 477 Rz 8).

Liegt hingegen ein sogenannter Gemeinschuldnerprozess vor, kann der Anspruch auch während des Konkurses vom Gemeinschuldner anhängig gemacht und fortgesetzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um einen Anspruch handelt, der das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betrifft, worunter nach dem Wortlaut des § 6 Abs 3 KO insbesondere Ansprüche auf persönliche Leistungen des Gemeinschuldners fallen. Nach herrschender Auffassung liegt ein die Konkursmasse nicht betreffender Anspruch dann vor, wenn die dem Klagebegehren stattgebende Entscheidung (oder die das Klagebegehren abweisende Entscheidung) auf den Stand der Sollmasse unmittelbar keinen Einfluss nimmt. Unmittelbar ist der Einfluss jedoch auch dann, wenn der Streitgegenstand zwar den Sollstand der Masse nicht berührt, mit vermögensrechtlichen, die Masse betreffenden Ansprüchen aber derart eng verknüpft ist, dass sich das klagestattgebende (oder klageabweisende) Urteil auf deren Bestand und Höhe rechtsnotwendigerweise auswirkt (Schubert aaO § 6 Rz 50; SZ 67/168 [zur Nichtigerklärung eines von der Gemeinschuldnerin in der Generalversammlung gefassten Beschlusses auf Abberufung des Geschäftsführers]; SZ 69/70 = EvBl 1997/7 [betreffend die Aushändigung von Löschungserklärungen]; 2 Ob 564/95 [Geltendmachung des Rechtes eines Vereinsmitgliedes auf Duldung von Fallschirmspringerlandungen]; 1 Ob 159/01s; RIS-Justiz RS0064115). Ein bloß mittelbarer Einfluss reicht jedoch nicht aus, weil sonst als Gemeinschuldnerprozesse zu wertende Verfahren gar nicht denkbar wären (SZ 67/168; 1 Ob 159/01s = SZ 74/134). Betrifft ein Prozess sowohl die Konkursmasse als auch den Gemeinschuldner persönlich, liegt ein Masseprozess vor (Schubert aaO § 6 Rz 51 mwN). Die Frage nach der Massezugehörigkeit, die das Gericht von Amts wegen zu erheben hat, muss nach objektiven Kriterien beantwortet werden. Das Tatsachenvorbringen des Klägers ist dann maßgeblich, wenn der streitige Gegenstand nach diesem Tatsachenvorbringen schon von Gesetzes wegen (nicht) zur Masse gehört (1 Ob 159/01s = SZ 74/134 mwN).

Dass die Miteigentumsanteile des Klägers zur Konkursmasse gehören (Buchegger aaO § 1 Rz 48; EvBl 1990/70), ist nicht strittig. Der Kläger ist zwar Miteigentümer dieser Liegenschaft, die Miteigentumsanteile sind jedoch seiner freien Verfügung entzogen.

Zentrales Argument des Klägers auch in seinem Revisionsrekurs ist, dass die von ihm mit der Klage beabsichtigte Abwehr der Eingriffe der Beklagten in die Gebrauchsrechte des Klägers als Miteigentümer die Konkursmasse nicht verändern könnten: Durch die Klageführung werde die Konkursmasse weder geschmälert noch gefährdet. Die vom Kläger angestrebten Spaziergänge im Garten und das Betreten des Hauses wirkten sich auf die Masse nicht aus. Es sei nicht Aufgabe des Masseverwalters sicherzustellen, dass ein in Konkurs befindlicher Miteigentümer im gemeinsamen Garten der Miteigentumsgemeinschaft Spaziergänge vornehmen dürfe, dass er sie sich an Blumen und am Garten erfreuen und dass er Gegenstände im Haus anschauen könne. Kein Masseverwalter werde für den Gemeinschuldner eine solche Klage einbringen. Kein Konkursgericht werde eine derartige Klageführung genehmigen.

Ob diese Argumentation des Revisionsrekurswerbers zutrifft, hängt entscheidend davon ab, ob aus dem Miteigentumsrecht erfließende Gebrauchsrechte an der Liegenschaft ebenfalls der freien Verfügung des Gemeinschuldners entzogen sind. Es bedarf daher einer Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur der hier geltend gemachten Ansprüche: Der Kläger strebt nicht eine rechtsgestaltende Benützungsregelung, sondern die Sicherung seines gesetzlichen Anspruches auf Mitbenützung der gemeinsamen Sache an. Dieser Anspruch ist in § 828 ABGB begründet. Jeder Miteigentümer darf die gemeinschaftliche Sache auch ohne vorherige Absprache mit den übrigen Teilhabern benutzen. Bei beschränkter Gebrauchsmöglichkeit darf jeder Teilhaber die gemeinschaftliche Sache derart gebrauchen, dass er hiedurch den Gebrauch durch die anderen nicht beeinträchtigt. Der Gebrauch des einen findet nur im tatsächlichen Mitgebrauch der anderen seine Schranke (Gamerith in Rummel³ § 828 ABGB Rz 4; SZ 72/150 = EvBl 2000/49 mwN). Soweit die Sache unbeschränkte Gebrauchsmöglichkeit gewährt, kann jeder Teilhaber diesen Gebrauch ohne Zustimmung ausüben (Gamerith aaO mit Hinweis auf MietSlg 28.050 - Spaziergänge im gemeinsamen Garten). Stört ein Miteigentümer den Gebrauch des anderen Miteigentümers, so kann der gestörte Miteigentümer die Beseitigung und Unterlassung der widerrechtlichen Maßnahmen im streitigen Verfahren fordern (Gamerith aaO Rz 4; RIS-Justiz RS0103287).

Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang dem Kläger als Miteigentümer der Liegenschaft ein auf § 828 ABGB begründetes (Mit-)Gebrauchsrecht an der Liegenschaft zusteht, kann den Stand der Sollmasse berühren: Durch die Entscheidung über ein Begehren, das der Durchsetzung des auf einem Miteigentumsrecht beruhenden Gebrauchsrechtes dient, wird über die Benützung der Liegenschaft zumindest partiell in einer alle Miteigentümer bindenden Weise entschieden. Solange keine Benützungsregelung erwirkt ist und jedenfalls solange sich die Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft nicht ändern, bleibt es bei dieser Benützungssituation: In concreto müsste etwa der Masseverwalter ein klageabweisendes Urteil gegen sich gelten lassen, beurteilte man das Gebrauchsrecht des Klägers an der Liegenschaft als die Konkursmasse überhaupt nicht betreffend. Eine rechtskräftige Entscheidung, mit welcher Störungen der Beklagten verneint werden und mit welcher das Begehren des Gemeinschuldners auf Mitbenützung der Liegenschaft für unberechtigt erkannt wird, könnte die Verfügungsmöglichkeiten des Masseverwalters über die Liegenschaft beeinträchtigen. Solange eine solche Beeinträchtigung nicht gänzlich auszuschließen ist, betrifft der Prozess zumindest auch die Konkursmasse.

Mit seinen Ausführungen, dass der Masseverwalter keinerlei Interesse daran haben könne, für den Kläger dessen Gebrauchsrecht an der Liegenschaft durchzusetzen, übersieht der Kläger, dass es für die Beurteilung der Konkursverfangenheit nur darauf ankommt, ob ein Vermögenswert betroffen ist , nicht aber darauf, ob in concreto dieses Recht für die Masse "von Nutzen" ist. So sind etwa auch Mietrechte an Wohnungen, solange sie nicht nach § 5 Abs 4 KO oder § 42 Abs 4 MRG ausgeschieden werden, selbst dann uneingeschränkt konkursunterworfen (SZ 72/212 uva; Würth in Rummel³ § 42 MRG Rz 5; aA Riel, Die Mietwohnung des Gemeinschuldners, WoBl 1995, 40), wenn sie nur der Befriedigung des persönlichen Wohnbedürfnisses des Gemeinschuldners dienen und für die Masse im konkreten Fall keinen Wert repräsentieren. Dem Argument im Revisionsrekurs, es bestehe ein Rechtsschutzdefizit des Klägers, weil der Masseverwalter keinerlei Interesse daran haben werde, die Ansprüche des Klägers durchzusetzen, ist zu entgegnen, dass dem Gemeinschuldner jedenfalls nach § 84 Abs 3 KO die Anrufung des Konkursgerichtes frei steht, das über Beschwerden des Gemeinschuldners gegen einzelne Maßnahmen und das Verhalten des Masseverwalters zu entscheiden hat.

Zu Recht sind daher die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs 3 KO nicht vorliegen.

Ein sonst analog § 6 Abs 2 ZPO gebotener Sanierungsversuch dahin, dass der Masseverwalter zur Genehmigung der Klageeinbringung aufgefordert wird (vgl dazu Schubert aaO § 6 Rz 21; 2 Ob 214/00z), kann hier deshalb unterbleiben, weil der Gemeinschuldner deutlich zum Ausdruck brachte, der Masseverwalter werde der Klageführung jedenfalls nicht zustimmen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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