OGH 7Ob92/99a

OGH7Ob92/99a29.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Schneeweiss und Dr. Maria Gohn-Mauthner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Post und Telekom Austria AG, Generaldirektion, 1010 Wien, Postgasse 8, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen S 150.000 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30. Dezember 1998, GZ 16 R 88/98y-14, womit das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10. März 1998, GZ 22 Cg 216/97i-10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die beklagte Partei ist die Rechtsnachfolgerin der Post und unterliegt den Bestimmungen des Vergabegesetzes.

Im Juli 1995 benötigte die Post, im Folgenden beklagte Partei genannt, für ihr EDV-mäßig ausgestattetes Rechenzentrum Magnetplattensysteme mit der Technologiebezeichnung Raid 5. Es handelt sich dabei um ein Datensicherheit bietendes technisches System. Die beklagte Partei schrieb im August 1995 die Vergabe des Magnetplattensystems öffentlich aus. Innerhalb der Anbotsfrist beteiligte sich die klagende Partei neben anderen Firmen, darunter auch I***** und C***** an der Ausschreibung durch Abgabe eines schriftlichen Anbots. Im September 1995 erfolgte die Anbotseröffnung. In den Anbotsunterlagen der klagenden Partei ergab sich immer wieder ein Hinweis auf die Lieferung eines Systems mit der Technologie Raid-S. Die beklagte Patei hatte neben dem Magnetplattensystem auch dazugehörende Steuergeräte ausgeschrieben, die von der klagenden Partei ebenfalls angeboten wurden. Schließlich kam die beklagte Partei zum Schluss, dass die von der klagenden Partei angebotenen Leistungen nicht ausschreibungskonform seien, weshalb ihr Angebot als nicht verwendbar ausschied. In der Folge befasste sich die beklagte Partei mit den angebotenen Leistungen von I***** und C***** und ließ sich die Systeme vorführen. Danach kam die beklagte Partei zum Schluss, dass die von I***** und C***** angebotenen Systeme für sie geeignet seien. Die klagende Partei und eine ebenfalls mitbietende Anbotstellerin wurden daraufhin schriftlich verständigt, dass deren Anbote nicht berücksichtigt würden; zuvor gab es noch technische Erörterungen zwischen den Streitteilen hinsichtlich des Anbots der klagenden Partei. Die klagende Partei wandte sich nach Erhalt des Ablehnungsschreibens an die Bundesvergabekommission mit dem Ersuchen um Einleitung eines Schlichtungsverfahrens. Dieses Schlichtungsverfahren endete mit der Empfehlung der Schlichtungskommission, die beklagte Partei möge das Anbot der klagenden Partei nochmals auf seine technischen Möglichkeiten überprüfen. Nach neuerlicher Befassung mit dem Anbot beharrte die beklagte Partei auf ihrer bereits vorgefassten Meinung, dass das Anbot nicht ausschreibungskonform sei und die erwarteten technischen Anforderungen nicht erfülle. Von dieser neuerlichen Ablehnung wurde die Klägerin schriftlich in Kenntnis gesetzt. Schließlich erteilte die beklagte Partei den Firmen I***** und C***** am 19. 12. 1995 den Zuschlag, was im Februar 1996 in der Wiener Zeitung veröffentlicht wurde. Am 15. 2. 1996 beantragte die klagende Partei beim Bundesvergabeamt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Darin begehrte sie die Feststellung, dass das Ausscheiden ihrer Anbote rechtswidrig gewesen sei und ihr als Bestbieterin der Zuschlag für die gesamte Raid-5-Kapazität hätte erteilt werden müssen. Im folgenden Nachprüfungsverfahren wurde mehrfach verhandelt und Sachverständigengutachten eingeholt. Letztlich wurde mit Bescheid vom 3. 12. 1996 ausgesprochen, dass dem Antrag der klagenden Partei auf Feststellung, der Zuschlag im Vergabeverfahren sei nicht dem Bestbieter erteilt worden, die Ausscheidung des Anbotes der klagenden Partei sei rechtswidrig gewesen, stattgegeben werde. Dem Antrag auf Feststellung, dass der klagenden Partei als Bestbieterin der Zuschlag im Vergabeverfahren zu erteilen gewesen wäre, wurde insoweit stattgegeben, als festgestellt wurde, dass das Anbot der klagenden Partei von der beklagten Partei unter Missachtung der Bestimmungen der §§ 34 und 39 Z 8 des Bundesvergabegesetzes (BVergG) nicht ausreichend geprüft und zu Unrecht ausgeschieden worden sei. Die an I***** und C***** erteilten Aufträge waren zu diesem Zeitpunkt bereits längst erfüllt und die gelieferten Anlagen voll im Betrieb. Aufgrund dieses Bescheides begehrte die klagende Partei von der beklagten Partei den Ersatz eines "entgangenen Gewinnes" von S 3,826.000. Dieses Ersatzbegehren wurde abgelehnt.

Die klagende Partei begehrt nunmehr Zahlung von S 150.000 aus dem Titel des entgangenen Gewinnes als Hauptbegehren und brachte dazu vor, dieser Gewinn errechne sich aus der Differenz zwischen Einkaufspreis in Höhe von S 15,947.000 und Verkaufspreis von S 19,800.000. Mit dem BGBl 776/1996 sei das BVergG 1993 abgeändert worden. § 103 Abs 3 Z 2 ordne an, dass § 98 Abs 1 letzter Satz des BVergG 1993, worin der Ersatz eines entgangenen Gewinnes ausgeschlossen worden sei, mit Ablauf des 31. Dezember 1996 außer Kraft trete. Für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens begehrte die klagende Partei mit ihrem Eventualbegehren den Ersatz der Aufwendungen für die Anbotstellung von S 114.700.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Schadenersatzanspruch gemäß § 98 BVergG 1993 sei ausdrücklich auf den Ersatz der Kosten der Anbotstellung und der durch die Teilnahme am Vergabeverfahren entstehenden sonstigen Kosten beschränkt. In der für das maßgebliche Vergabeverfahren geltenden Fassung des BVergG sei der Ersatz des entgangenen Gewinnes ausdrücklich ausgeschlossen. Materiellrechtliche Fragen seien nach der Rechtslage bei Verwirklichung des Tatbestandes zu beurteilen. Die klagende Partei leite ihre Ansprüche aus einem 1996 durchgeführten und abgeschlossenen Vergabeverfahren ab, weshalb die Gesetzesänderung mit 1. 1. 1997 nicht zu berücksichtigen sei.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Hauptbegehren ab.

Den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, dass zum Zeitpunkt der Ausschreibung und zum Zeitpunkt der Erstellung des Anbots der klagenden Partei das BVergG idF des BGBl 1993/462 in Geltung gestanden sei. § 98 Abs 1 leg cit in der damals geltenden Fassung habe festgelegt, dass bei schuldhafter Verletzung dieses Gesetzes oder der aufgrund des Gesetzes ergangenen Verordnungen durch Organe einer vergebenden Stelle ein übergangener Bewerber oder Überbieter gegen den Auftraggeber, dem das Verhalten der Organe der vergebenden Stelle zuzurechnen sei, Anspruch auf Ersatz der Kosten der Anbotstellung und der durch die Teilnahme am Vergabeverfahren entstandenen sonstigen Kosten habe. Ausdrücklich sei aber festgehalten, dass entgangener Gewinn nicht geltend gemacht werden könne. Erst mit der Novellierung des BVergG BGBl 1996/776, in Kraft getreten am 1. 1. 1997, sei der letzte Satz des § 98 Abs 1 BVergG (Ausschluss des Ersatzes des ergangenen Gewinns) entfallen. Da der Sachverhalt und der Bescheid des Bundesvergabeamtes, auf welchen sich die klagende Patei stütze, bereits im Dezember 1996 vorgelegen und verwirklicht worden sei, sei bei Beurteilung des Sachverhaltes vom Inhalt des BVergG 1993 in der noch nicht abgeänderten Fassung auszugehen gewesen. Der Anspruch auf Schadenersatz in Form entgangenen Gewinnes habe keine rechtliche Grundlage.

Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, dass der Rekurs gegen diese Entscheidung zulässig sei. Es erörterte rechtlich, dass die klagende Partei tatsächlich Verdienstentgang geltend mache, weil sie ihr als "entgangenen Gewinn" bezeichnetes Begehren aus der Differenz zwischen Verkaufspreis und Einkaufspreis ableite. Der Verlust unternehmerischer Gewinne sei aber nicht einem entgangenen Gewinn, sondern dem positiven Schaden zuzuordnen. Der Bestbieter, der von einem öffentlichen Vergeber Schadenersatz begehre, könne seinen Anspruch seit Erlassung der Vergabegesetze auf die im jeweils zur Anwendung kommenden Gesetz enthaltene Schadenersatzklausel stützen (§ 98 BVergG). Nach diesen Klauseln stehe ihm stets der Anspruch auf Ersatz der Angebotskosten und der sonstigen mit der Teilnahme verbundenen Kosten zu. Der Ersatz des entgangenen Gewinnes (aus versäumten Drittgeschäften) sei hingegen im BVergG ausdrücklich ausgeschlossen. Den Anspruch auf das Erfüllungsinteresse, das dem erzielbaren Profit aus dem konkret ausgeschriebenen Projekt entspreche, könne der übergangene Bestbieter auf der Grundlage der Vergabegesetze nicht geltend machen, weil in deren Schadenersatzkauseln nur die ehemals restriktive Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur culpa in contrahendo zum Vergabewesen festgeschrieben worden sei, die noch keinen Ersatz des positiven Schadens gekannt habe. Da die in Rede stehenden Schadenersatznormen als gesetzliche Ausformung der culpa in contrahendo und damit als lex specialis die allgemeine culpa in contrahendo verdrängten, gelinge es im Anwendungsbereich des Vergabegesetzes auch nicht, aus dem Titel der allgemeinen culpa in contrahendo den Ersatz des Erfüllungsinteresses abzuleiten. Hier hülfen die Erklärungs- und Schutzgesetzhaftung, zwei von der culpa in contrahendo völlig getrennte Anspruchsgrundlagen, denen gegenüber die Schadenersatzregeln der Vergabegesetze nicht leges speciales seien. Sowohl die Erklärungshaftung, die sich auch gegenüber privaten Vergebern verwenden ließe, als auch die Schutzgesetzhaftung, die vor allem die einheitliche Anwendung von Vergabenormen unabhängig von Schwellenwerten sichere, könnten zur Begründung des Ersatzes des Erfüllungsinteresses herangezogen werden. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung SZ 67/182 dem bei einer Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand übergangenen Bestbieter erstmals das Erfüllungsinteresse zugesprochen, wenn ohne die Pflichtverletzung der Vertrag zustande gekommen wäre. Grundlage bilde immer noch der Verstoß des Vergebers gegen vorvertragliche Pflichten, also die culpa in contrahendo. Die Lehre habe diese Entscheidung zwar begrüßt, gegen den Lösungsansatz allerdings Bedenken geäußert. Der richtige Lösungsansatz wäre, den Anspruch aus der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes und aus dem aus den Vergabegesetzen abzuleitenden Kontrahierungszwang zu folgern. In den Folgeentscheidungen habe der Oberste Gerichtshof den Rechtssatz gefestigt, wonach bei Verletzung des Gleichheitsgebotes dem übergangenen Bestbieter das Erfüllungsinteresse zu ersetzen sei. Die Einhaltung der Vergabevorschriften diene auch dem Schutz des Bieters vor unlauterer Vorgangsweise. Grundlage für eine Schadenersatzklage sei eine Feststellung des Bundesvergabeamtes gemäß § 91 Abs 3 BVergG, die hier vorliege, an die das Gericht und die Parteien des Verfahrens vor dem Bundesvergabeamt gebunden seien. Das Erstgericht werde daher noch weitere Feststellungen zur Höhe des Erfüllungsinteresses zu treffen haben.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil zur Frage, ob der Gesetzgeber mit dem in § 98 des BVergG 1993 enthaltenen Ausschluss der Geltendmachung des Ersatzes des entgangenen Gewinnes auch das Erfüllungsinteresse ausschließen habe wollen oder ob damit nur der Ersatz jenes Schadens, der dem Bieter erwachsen sei, weil ihm ein sonstiges Geschäft entgangen sei, ausgeschlossen werden sollte, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege. Auch sei die Frage zu behandeln, ob ein Anspruch auf Erfüllungsinteresse bejaht werden könne, obwohl die eigentliche Leistungserbringung, also ein Vertragsschluss, durch die Vergabe an einen anderen Bieter inzwischen unmöglich geworden sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, in der Sache selbst dahingehend zu entscheiden, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag unter anderem dahingehend gestellt, dass dem Erstgericht die Prüfung des Anspruches auf das Erfüllungsinteresse dem Grunde und der Höhe nach aufgetragen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rekursgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden überprüft. Sie liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im Übrigen macht die Rechtsmittelwerberin geltend, dass mit dem im seinerzeitigen § 98 BVergG erfolgten Ausschluss des Ersatzes des entgangenen Gewinnes auch das Erfüllungsinteresses ausgeschlossen werden sollte. Auf diese Bestimmung könnten daher Ansprüche auf Ersatz des Erfüllungsinteresse nicht gestützt werden. Zwar blieben gemäß § 101 BVergG nach anderen Rechtsvorschriften bestehende Ersatzansprüche unberührt, doch bestehe für solche Ersatzansprüche keine Bindungswirkung an die Feststellungen des Bundesvergabeamtes. Da die Feststellungen des Bundesvergabeamtes keinesfalls überzeugend seien, werde der Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens und Einbringung einer Beschwerde gemäß § 102 Abs 3 BVergG beim Verwaltungsgerichtshof wiederholt. Es stehe auch nicht fest, dass der klagenden Partei als Bestbieterin im Vergabeverfahren der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre. Schließlich habe die klagende Partei nicht nachgewiesen, dass ihr Alternativangebot eine qualitativ gleichwertige Leistung sichergestellt habe.

Vorweg ist festzuhalten, dass das Berufungsgericht die Haftung der beklagten Partei für das Erfüllungsinteresse (Ersatz des Verdienstentganges durch Unterlassung des Zuschlages an die bestbietende klagende Partei) dem Grunde nach bejaht hat und dem Erstgericht lediglich weitere Feststellungen zur Höhe dieses Erfüllungsinteresses aufgetragen hat. Von einem unklaren Auftrag an das Erstgericht kann damit keine Rede sein.

In der Sache selbst ist eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes durch das Berufungsgericht nicht zu erkennen.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich bereits vor Inkrafttreten des

BVergG 1993 mehrfach mit dem Vergabewesen der öffentlichen Hand und

der Frage des Einflusses der Vergabenormen auf das

Anbieter-Bieterverhältnis zu befassen (4 Ob 406/87 = ÖBl 1989, 77 =

WBl 1988, 433 = SZ 61/134; 1 Ob 539/88 = WBl 1988, 342 = SZ 61/90; 1

Ob 663/89 = JBl 1990, 520 = ecolex 1990, 144; 4 Ob 535/89 = RdW

1990/2; 6 Ob 564/91 = WBl 1991, 338 = ecolex 1991, 769 siehe dazu

auch die umfassende Zusammenstellung von Wilhelm in ecolex report [1999], Bestbieters Sieg im Vergaberecht, 31 ff). Nach dieser Rechtsprechung liegt die Einhaltung von Vergabevorschriften nicht im Interesse des Ausschreibenden und der öffentlichen Hand, die die Mittel zur Verfügung stellt, sondern dient auch dem Schutz der Bieter vor unlauterer Vorgangsweise. Die Vergabevorschriften legen der öffentlichen Hand im vorvertraglichen Stadium zu beachtende Verhaltenspflichten auf, auf deren Einhaltung auch die Bieter vertrauen dürfen. Die Verletzung dieser "Selbstbindungsnorm" und die Nichtbeachtung des sich aus Artikel 7 BVG sowie Art 2 Staatsgrundgesetz ergebenden Gleichbehandlungsgebotes durch den Vergeber kann daher nach dieser Rechtsprechung im vorvertraglichen Schuldverhältnis nach den Grundsätzen der Haftung für culpa in contrahendo zu Schadenersatzverpflichtungen des Vergebers führen.

Seit der Entscheidung 7 Ob 568/94 (= SZ 67/182 = ecolex 1995, 95 = WBl 1995, 77) wurde auch grundsätzlich ausgesprochen, dass unter Umständen auch das positive Vertragsinteresse, also das Erfüllungsinteresse zugesprochen werden kann, und zwar dann, wenn ohne die Pflichtverletzung der Vertrag zustande gekommen wäre.

Ähnlich wie bei "Vorhandverträgen", die eine dem Vorvertrag

vergleichbare vertragliche Bindung schüfen, könne auch bei

Ausschreibungen die Annahme einer solchen Bindung gerechtfertigt

sein. Diese Bindung könne vertragsfähige Grundlage für den Anspruch

auf Ersatz des Erfüllungsinteresses durch jenen Bieter, der bei

Eröffnung der Anbote Bestbieter gewesen sei, bilden. Dieser

Rechtsprechungslinie sind in der Folge mehrere Senate des Obersten

Gerichtshofes gefolgt (4 Ob 573/94 = ecolex 1995, 328 [Heid]; 10 Ob

212/98v = ecolex 1999, 32 [Heid]; 4 Ob 188/98w = ecolex 1999, 84

[Heid] = WBl 1999, 179 = bbl 1999, 78; siehe auch RdW 1998, 718

[Iro]).

In der Entscheidung 10 Ob 212/98v wurde ausdrücklich der Zuspruch des Erfüllungsinteresses unter Hinweis auf Heid (ecolex 1995, 93) und Wilhelm (ecolex 1998, 382) bejaht. Heid (ecolex 1996, 7) führt den Anknüpfungspunkt des Obersten Gerichtshofes (culpa in contrahendo) weiter und führt aus, dass den Vergeber eine Rechtspflicht zur Einhaltung seiner Ankündigung treffe und er bei einem Verstoß gegen diese so hafte, als hätte er die Einhaltung seiner Ausschreibungsbedingungen verbindlich zugesagt. Dies führe beim übergangenen Bestbieter zum Ersatz des Erfüllungsinteresses, wenn nach dem Bestbieterprinzip ausgeschrieben worden sei. Darüber hinaus sei auch eine Haftung aus einer Schutzgesetzverletzung zu bejahen, was zu einer Umkehr der Beweislast führe. Sowohl das BVergG als auch der verfassungsgesetzliche Gleichheitsgrundsatz und die Dienstleistungsrichtlinie (RL 92/50/EWG des Rates vom 18. 6. 1992) sowie Art 6 EGV (Diskriminierungsverbot) seien als derartige Schutzgesetze, deren Verletzung haftbar machten, anzusehen. Der genannte Autor führt weiter aus, dass der Bestbieter, der von einem Vergeber Schadenersatz wegen mangelhafter Ausschreibung begehre, seinen Anspruch auf die Schadenersatzklausel des BVergG stützen könne. Darin werde der Ersatz des entgangenen Gewinnes (aus versäumten Drittgeschäften) ausdrücklich ausgeschlossen. Auch den Anspruch auf das Erfüllungsinteresse, das dem erzielbaren Profit aus dem konkret ausgeschriebenen Projekt entspreche, könne der übergangene Bestbieter auf Grundlage der Vergabegesetze nicht geltend machen, weil diese in ihren Schadenersatzklauseln nur die restriktive culpa in contrahendo-Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Vergabewesen festgeschrieben habe, die noch keinen Ersatz des positiven Interesses gekannt habe. Es seien daher Erklärungs- und Schutzgesetzhaftungen heranzuziehen, womit die viel kritisierte Beschränkung auf die Kosten der Anboterstellung und der sonstigen durch die Teilnahme verursachten Kosten überwunden werden könne.

§ 98 BVergG 1993 (in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung) gewährte einem übergangenen Bewerber oder Bieter gegen einen Auftraggeber bei schuldhafter Verletzung dieses Gesetzes Anspruch auf Ersatz der Kosten der Angebotstellung und der durch die Teilnahme am Vergabeverfahren entstandenen sonstigen Kosten. Der Ersatz eines entgangenen Gewinns konnte nicht geltend gemacht werden.

Fruhmann (Aus der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Union ÖJZ 1996, 401 mwN) verwies darauf, dass nach der Rechtsprechung des EuGH eine nationale Regelung, die den vollständigen Ersatz des entgangenen Gewinns vom ersatzfähigen Schaden ausschließe, gemeinschaftwidrig sei. Auch die EFTA-Überwachungsbehörde hat im Lauf des Jahres 1994 das österreichische BVergG auf seine Übereinstimmung mit dem im EWR-Abkommen übernommenen EG-Vergaberecht geprüft und die Begrenzung des Schadenersatzes auf das negative Interesse als gemeinschaftsrechtswidrig angesehen (323 der BlgNR 20. GP, 71). Aus diesem Grund entfiel sodann auch die Bestimmung des § 98 Abs 1 letzter Satz mit Wirkung vom 31. 12. 1996. Dadurch sollte ausdrücklich Gemeinschaftsrecht umgesetzt werden.

Bei der gebotenen gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung der Bestimmung des § 98 BVergG (alt), wonach der Ersatz des entgangenen Gewinnes ausgeschlossen war, vertritt der erkennende Senat im Lichte der bereits zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Auffassung, dass damit (entgegen der Ansicht Heids) der Ersatz des Erfüllungsinteresses nicht gehindert wird (vgl Wilhelm ecolex 1998, 381, weiters Elsner Vergaberecht, 89 Rz A 171 ff;

Brinker/Roniger/Punz/Vock, Österr. Vergaberecht, Rz 390). Dies lässt sich aus dem Gebot einer gemeinschaftsrechtlich konformen Auslegung als auch aus der gebotenen Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes (Art 7 BVG iVm Art 2 StGG) begründen (vgl RZ 2000/14). Allgemein ist zur Frage der Umsetzung der Richtlinie festzuhalten, dass gerade die Unterschiede in den verschiedenen Schadenersatzbestimmungen der Mitgliedstaaten Grund dafür waren, dass durch die Wahl der Festlegung durch eine Richtlinie den Mitgliedstaaten ein gewisser Ermessensspielraum bei der Ausformung der Schadenersatzbestimmungen geboten werden sollte (vgl Öhler, Der Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Europäischen Union, 127 ff, insbesondere 201 ff). Die Umsetzung darf aber nicht hinter der sonstigen Ausgestaltung von Schadenersatzansprüchen zurückbleiben (vgl Öhler, aaO, 202; Eilmannsberger, Rechtsfolge und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 133). Da es der dargestellten Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Auftragsvergabe, die nicht unter den Anwendungsbereich des BVergG fallen entspricht, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch der dem "verlorenen" Auftrag entsprechende "entgangene Gewinn" zu ersetzen ist, ist eine wesentliche Schlechterstellung der in den Bereich der Richtlinien fallenden Schadenersatzansprüche nicht zulässig. Auch wäre bei einer anderen Auslegung die öffentliche Hand privilegiert, eine solche Absicht kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden. Es sollte vielmehr nur der Ersatz jenes Schadens, der dem Bieter erwachsen ist, weil ihm ein günstigeres Geschäft entgangen ist, ausgeschlossen werden (vgl Aicher in Korinek/Grill, Zur Reform des Vergaberechtes, 351).

Nach den die Zivilgerichte bindenden (vgl Elsner, aaO Rz A 171) Feststellungen des Bundesvergabeamtes wurde dem Antrag (der klagenden Partei), dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde, stattgegeben. Dies bedeutet im Zusammenhang mit dem Inhalt der Entscheidung des Bundesvergabeamtes, dass die klagende Partei hinsichtlich des Teiles 1 der Ausschreibung das preislich günstigste Angebot legte. Weiters wurde festgestellt, dass die beklagte Partei rechtswidrig das Angebot der klagenden Partei aus dem Verfahren ausgeschieden hat und schließlich, dass die beklagte Partei die Bestimmung des §§ 33 und 39 Z 8 BVergG (alt) verletzt hat. Weiters wurde festgehalten, dass das Angebot der klagenden Partei mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit den Vorgaben der beklagten Partei technisch entsprochen hat. Da aus Gründen, die bei der beklagten Partei liegen, die erforderliche "Teststellung" (Erprobung) unterblieb, hat die beklagte Partei ihre Pflicht gemäß § 34 Abs 4 BVergG (Prüfung der Angebote nach den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien) verletzt.

Nach den oben dargelegten Ausführungen zur durch Verstoß gegen das BVerG resultierenden Schutzgesetzverletzungen hätte die jedenfalls beklagte Partei behaupten und beweisen müssen, dass sie daran kein Verschulden getroffen habe. Einen derartigen Beweis hat sie nicht angetreten.

Das Erstgericht hat daher den Klageanspruch dem Grunde nach zu Recht bejaht. Zur Höhe des der klagenden Partei zustehenden Erfüllungsinteresses wird sich das Erstgericht an die von Wilhelm (ecolex report 1999, 54 zu 10 Ob 212/98v) entwickelte Formel zu halten haben, nämlich welche Erfüllungsansprüche dem Bieter aus dem Vertrag, wäre es zum Abschluss mit dem Ausschreiber gekommen, entstanden wären und wie er vermögensmäßig stünde, wenn der Vertrag erfüllt worden wäre; der Bieter hätte dann zwar sein Werkvertragsentgelt bekommen, aber auch Aufwendungen für die eigenen Leistungen machen müssen, die er sich mangels Vertrags aber erspart hat, sodass der ihm durch Verweigerung des Abschlusses vorenthaltene Vermögenszuwachs im entgangenen Geschäftsgewinn besteht.

Der Oberste Gerichtshof findet sich nicht veranlasst, den Bescheid des Bundesvergabeamtes beim Verwaltungsgerichtshof als rechtswidrig anzufechten.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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