OGH 7Ob79/11k

OGH7Ob79/11k29.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Mag. DDr. C***** H*****, und 2.) Mag. S***** H*****, beide *****, beide vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Grohs Hofer Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in Wien, wegen 156.000 EUR (sA) und 31.200 EUR (sA), über die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2011, GZ 2 R 5/11m-24, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. August 2010, GZ 14 Cg 21/09m-19, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von A***** AG auf A***** AG berichtigt.

2. Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Kläger sind schuldig, der Beklagten die mit 2.605,67 EUR (darin enthalten 434,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Zu 1.: Die Änderung der Firma der Beklagten ergibt sich aus dem Firmenbuch (FN ***** Handelsgericht Wien), weshalb die - nun in der Revision mit „A***** AG“ angegebene - Parteibezeichnung auf Antrag der Beklagten gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen ist.

Zu 2.: Über Auftrag der Kläger erwarb die Beklagte im Oktober 2006 für den Erstkläger 150.000 Stück und für die Zweitklägerin 30.000 Stück des Wertpapiers „D*****“ um 156.000 EUR bzw 31.200 EUR. Das Geschäft wurde vom selbständigen konzessionierten Wertpapierdienstleistungsunternehmen A***** GmbH unter Verwendung eines Werbeprospekts der Beklagten vermittelt. In diesem Werbeprospekt wurde dem Wertpapier „100%ige Sicherheit“ und „100 % Kapitalgarantie“ bescheinigt. Die Emittentin des Zertifikats gehörte dem Konzern der in der Werbebroschüre nicht genannten Garantiegeberin, der US-amerikanischen Investmentbank L***** Inc an. Ende September 2008 wurde diese Investmentbank samt den mit ihr verbundenen Unternehmen (darunter die Emittentin) auch für Fachkreise überraschend insolvent. Die von den Klägern erworbenen Wertpapiere wurden dadurch praktisch wertlos.

Die Kläger begehrten zuletzt (nach Klagseinschränkung) die Rückerstattung der Kaufpreise Zug um Zug gegen die Rückübertragung der Wertpapiere. Dazu erhoben sie noch - jeweils hilfsweise - das Feststellungsbegehren, dass die Beklagte für alle Schäden hafte, die den Klägern aus dem Ankauf der Wertpapiere entstünden sowie das Begehren, die Beklagte habe den Klägern jeweils jenen Schaden zu ersetzen, den diese dadurch erleiden würden, dass sie weniger als 150.000 EUR bzw 30.000 EUR für die Wertpapiere erlösen könnten. Die Kläger seien durch den Werbeprospekt der Beklagten dahin irregeführt worden, dass kein Veranlagungsrisiko bestünde. Aufgrund der Gestaltung des Werbeprospekts seien sie davon ausgegangen, dass der Beklagten Garantenstellung zukomme. Im Übrigen enthalte der betreffende Kapitalmarktprospekt nicht die nach § 7 Abs 1 KMG erforderlichen Angaben, weshalb von den Klägern der Rücktritt vom Wertpapierkauf nach § 6 Abs 2 KMG erklärt werde.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Der Beklagten sei die Stellung einer Garantin zugekommen. Sie hafte aber auch deshalb, weil die Kläger durch ihren Werbeprospekt über die Wertpapiere irregeführt worden seien.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung der ersten Instanz dahin ab, dass es das Haupt- und die Eventualbegehren abwies. Dem Werbeprospekt lasse sich nicht entnehmen, dass die Beklagte für den Fall der Insolvenz der Wertpapieremittentin eine Kapitalgarantie übernehme. Derartiges habe die Beklagte auch nicht geäußert. Über ein bloß theoretisches Insolvenzrisiko habe die Beklagte die Kläger nicht aufklären müssen. Die Anfechtung wegen Irrtums und das Begehren auf Schadenersatz aufgrund eines Beratungsfehlers seien daher nicht berechtigt. Auch sonst habe die Beklagte keine schadenersatzrechtlich relevante Sorgfaltspflichtverletzung begangen. Auch ein in Wahrheit nicht auf § 6 Abs 2 KMG, sondern auf § 5 Abs 1 KMG gestütztes Rücktrittsrecht stehe den Klägern nicht zu. Ihre Rücktrittserklärung sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 4 KMG bereits erloschen gewesen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil auf den Verkaufsprospekt der Beklagten gestützte Irrtumsanfechtungen auch Gegenstand zahlreicher weiterer, derzeit noch anhängiger Zivilprozesse seien.

Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden, Ausspruch des Berufungsgerichts ist die von den Klägern erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Rechtliche Beurteilung

Der Umstand, dass sich die hier zu beantwortenden Rechtsfragen auch in mehreren von anderen Anlegern gegen die Beklagte angestrengten Parallelverfahren stellten und stellen, bewirkt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht ihre Erheblichkeit im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042816). Die Frage, ob die Kläger durch den Werbeprospekt der Beklagten unrichtig über die Kapitalgarantie informiert wurden und von der Beklagten auf das Risiko der Insolvenz von Emittentin/Garantin hinzuweisen gewesen wären, hat der Oberste Gerichtshof in der einen ganz gleichgelagerten Parallelfall betreffenden Entscheidung 4 Ob 20/11m unter Hinweis auf die denselben Werbeprospekt betreffende Vorentscheidung 4 Ob 176/10a mit ausführlicher Begründung verneint. Dass damit - und mangels einer sonstigen erheblichen Rechtsfrage - diese Zulässigkeitsvoraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO, die noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegeben sein muss (RIS-Justiz RS0112769), fehlt, hat schon in mehreren weiteren Parallelverfahren dazu geführt, dass (ordentliche oder außerordentliche) Revisionen der Anleger (Kläger) zurückzuweisen waren (9 Ob 87/10z; 8 Ob 102/10y; 8 Ob 148/10p; 7 Ob 29/11g; 8 Ob 38/11p; 5 Ob 56/11p; 6 Ob 65/11v; 1 Ob 71/11i). Alle in der Revision aufgeworfenen, von den Klägern für erheblich erachteten Rechtsfragen waren jeweils auch schon in mehreren dieser Parallelverfahren zu beantworten:

Was die Frage der behaupteten Vortäuschung einer Garantenstellung der Beklagten betrifft, steht fest, dass den Klägern ein Garantieversprechen der Beklagten selbst ausdrücklich weder im Werbeprospekt noch mündlich gemacht wurde. Ob eine solche Garantiezusage schlüssig erfolgte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und stellte daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn dem Berufungsgericht diesbezüglich eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste (9 Ob 179/99k, RIS-Justiz RS0042776 [T11] uva). Das ist hier nicht der Fall. Dass eine (schlüssige) Garantiezusage der Beklagten - wie in allen Parallelfällen, in denen dieser Einwand erhoben wurde - vom Berufungsgericht verneint worden ist, vermag die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Kläger daher nicht zu begründen.

Eine Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird von den Revisionswerbern darin erblickt, dass das Berufungsgericht eine Irreführung der Kläger durch die Beklagte auch nicht deshalb angenommen hat, weil die Kläger statt, wie ihnen zugesagt worden sei, Investmentfondsanteilen eine Anleihe erhalten hätten. Das Berufungsgericht hat dazu die Meinung vertreten, dass die Kläger auf Grund der Angaben im Werbeprospekt, dass das Wertpapier zu 200 % an der Aufwertung der zugrundeliegenden Währungen partizipiere, aus logischen Gründen nicht annehmen hätten können, das von ihnen und den anderen Wertpapierkäufern zur Verfügung gestellte Kapital werde einfach in Fremdwährungen investiert. Eine in diesem Zusammenhang behauptete Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nicht zu erkennen (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts des Anlegers nach § 5 Abs 1 KMG hat der Oberste Gerichtshof schon in den Entscheidungen 8 Ob 38/11p und 5 Ob 56/11p eingehend dargestellt. Auf diese Ausführungen kann umso mehr verwiesen werden, als sowohl die Kläger als auch die Beklagte in diesen Parallelverfahren von denselben Anwälten vertreten wurden und weitgehend wortgleich argumentierten wie hier. Es genügt somit der Hinweis, dass die Frage eines Rücktrittsrechts des Anlegers nach § 5 KMG vom Obersten Gerichtshof dort bereits geprüft und auch dieser Einwand als unberechtigt erkannt wurde. Nichts anderes kann im vorliegenden, völlig gleich gelagerten Fall gelten.

Schließlich hat der Oberste Gerichtshof in den eben erwähnten Entscheidungen auch bereits ausgeführt, dass für eine auch hier von den Klägern unsubstantiiert angeregte Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof betreffend die Frage der richtlinienkonformen Anwendung des KMG kein Anlass besteht.

Insgesamt zeigen die Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Ihre Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihrer Prozessgegner hingewiesen.

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