OGH 7Ob62/21z

OGH7Ob62/21z15.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Stefula und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** OG, *****, vertreten durch die Jeannée Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei L***** G*****, vertreten durch ihren Verfahrenshelfer Dr. Martin Brenner, Rechtsanwalt in Baden, wegen Räumung, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 8. Februar 2021, GZ 19 R 44/20m‑44, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 23. September 2020, GZ 15 C 407/18h‑40, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00062.21Z.0915.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.253,88 EUR (darin 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Am 23./24. Jänner 2017 schlossen die Klägerin als Käuferin und die Beklagte als Verkäuferin einen Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ *****, KG ***** (in der Folge Liegenschaft). Das Eigentum der Klägerin ist im Grundbuch einverleibt.

[2] Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Räumung und Übergabe der Liegenschaft.

[3] Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und stellte mit Schriftsatz vom 20. Juni 2018 einen Zwischenantrag auf Feststellung, dass der von den Streitteilen abgeschlossene Kaufvertrag nichtig und rechtsunwirksam sei. Die Klägerin habe die Zwangslage der Beklagten ausgenützt, um deren Liegenschaft zu einem Preis zu erwerben, der in einem auffälligen Missverhältnis zu deren tatsächlichem Wert stehe. Darüber hinaus habe die Klägerin die mangelnden Sprachkenntnisse der Beklagten ausgenutzt und sie davon abgehalten, anwaltliche Vertretung in Anspruch zu nehmen, um den Rückkauf der verlorenen Liegenschaft durch die Beklagte zu verhindern. Die Voraussetzungen für die Nichtigkeit des Kaufvertrags iSd § 879 Abs 1 ABGB, insbesondere gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB, seien somit erfüllt. Die zum Gegenstand des Zwischenantrags auf Feststellung gemachte Rechtsunwirksamkeit des Kaufvertrags sei für die Entscheidung über das Räumungsbegehren in der Hauptsache präjudiziell und habe über den konkreten Rechtsstreit hinaus Bedeutung.

[4] Mit dem inhaltsgleichen Tatsachenvorbringen begehrte die (hier) Beklagte von der (hier) Klägerin mit Klage vom 12. März 2019 zu 23 ***** des Landesgerichts Wiener Neustadt die Löschung des Eigentumsrechts der (hier) Klägerin an der Liegenschaft. Dieses Begehrenwurde mittlerweile rechtskräftig abgewiesen (vgl 2 Ob 22/21f).

[5] DasErstgericht wies den Zwischenfeststellungsantrag wegen sachlicher Unzuständigkeit des Bezirksgerichts zurück.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, ob es für eine wirksame Bewertung nach § 56 Abs 2 JN ausreiche, dass der Streitwert objektivierbar und bestimmbar sei, oder ob dafür eine ziffernmäßige Angabe erforderlich sei.

[7] Weder das Rekursgericht noch die Beklagte zeigen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO auf. Der Revisionsrekurs ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Die Bestätigung der Zurückweisung eines Zwischenantrags auf Feststellung ist analog zu § 528 Abs 2 Z 2 ZPO wie die Bestätigung der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen nicht jedenfalls unanfechtbar (RS0119816).

[9] 2. Die Zulässigkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung (§§ 236 iVm 259 Abs 2 ZPO) setzt – neben dem Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen – nach ständiger Rechtsprechung unter anderem voraus, dass die Wirkung der begehrten Feststellung über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht (RS0039600). Diese Wirkung muss aus dem Vorbringen des Antragstellers bzw aus der ganzen Sachlage heraus klar erkennbar sein (RS0039468). Hingegen genügt die rein theoretische Möglichkeit der Geltendmachung weiterer Ansprüche nicht (1 Ob 43/05p; 10 Ob 6/07s; RS0039514). Reicht somit die Bedeutung der begehrten Feststellung nicht über den konkreten Rechtsstreit hinaus, besteht kein Bedürfnis nach selbständiger urteilsmäßiger Feststellung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses, weil die in den Entscheidungsgründen vorgenommene Beurteilung zur Erledigung des konkreten Rechtsstreits ausreicht und sich in ihm erschöpft (RS0039468 [T4]; 1 Ob 8/07v; 7 Ob 187/08p). Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (RS0039444 [T4]). Fehlt sie, so ist der Zwischenantrag mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen (vgl RS0039709).

[10] Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht dargetan, aus welchen Gründendie Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Kaufvertrags über den konkreten Rechtsstreit über das Räumungsbegehren der Klägerin hinaus Bedeutung haben soll. Derartiges ist aus der „ganzen Sachlage heraus“ auch nicht klar erkennbar, wurde dochdie von der (hier) Beklagten erhobene Klage auf Löschung des Eigentumsrechts der (hier) Klägerin an der Liegenschaftnunmehr rechtskräftig abgewiesen. Die rein theoretische Möglichkeit der Geltendmachung weiterer Ansprüche genügt nicht. Die begehrte Feststellung erschöpft sich somit in der Beurteilung der im Anlassfall präjudiziellen Vorfrage, ohne dass ihre Wirkung über den konkreten Rechtsstreit hinausreichen könnte.

[11] 3. DieBeklagte macht insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Der Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.

[12] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten nicht richtig verzeichnet, ihr gebühren lediglich 1.253,88 EUR (darin 208,98 EUR USt) für das Revisionsrekursverfahren.

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