OGH 1Ob43/05p

OGH1Ob43/05p10.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael M*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Herwig R*****, und deren Nebenintervenientin Eva W*****, beide vertreten durch Dr. Klaus J. Mitzner und Dr. Michael Krautzer, Rechtsanwälte in Villach, wegen Herausgabe von Urkunden (Streitwert 6.000 EUR) und Zwischenantrag auf Feststellung (Streitwert 3.000 EUR), infolge „Revision" der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 11. November 2004, GZ 2 R 280/04k-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 7. Juni 2004, GZ 1 C 188/04y-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung 1) den

Beschluss

gefasst:

Die Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung, dass der zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin am 3. 10. 1995 ausgefertigte Schenkungsvertrag samt Nachtrag vom 31. 10. 1996 aufgehoben sei, wird als Beschluss bestätigt;

2) zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil in seinem Punkt 2. wiederhergestellt wird und der Kläger schuldig ist, dem Beklagten die mit insgesamt 1.085,59 EUR (darin enthalten 151,77 EUR USt und 174,90 EUR Barauslagen) und der Nebenintervenientin die mit insgesamt 975,66 EUR (hierin enthalten 133,45 EUR USt und 174,90 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der beklagte Rechtsanwalt errichtete im alleinigen Auftrag der Nebenintervenientin am 3. 10. 1995 einen Schenkungsvertrag, mit dem diese ihrem Sohn, dem Kläger, ein aus ihrer Liegenschaft neu gebildetes Grundstück schenkte. Diesem Vertrag lag ein Teilungsplan zugrunde. In Punkt 11. des Schenkungsvertrags wurde vereinbart, dass die Originalausfertigung des Vertrags der Geschenknehmer (= Kläger) erhalte. Am 31. 10. 1996 fertigte der Beklagte einen Nachtrag zum Schenkungsvertrag aus. Dieser Nachtrag bezog sich nur auf die Grenzen und das Ausmaß der geschenkten Grundfläche; im Punkt 5 des Nachtrags ist festgehalten, dass alle übrigen Bestimmungen des Schenkungsvertrags vollinhaltlich aufrecht bleiben. Noch vor grundbücherlicher Durchführung des Vertrags verletzte der Kläger mittels einer Schusswaffe eine andere Person und befand sich danach auf der Flucht. Um Schadenersatzansprüche aus diesem Vorfall zu umgehen, intendierte der Kläger die Aufhebung des Schenkungsvertrags. Die Nebenintervenientin war damit einverstanden und unterfertigte am 10. 1. 1997 eine vom Beklagten verfasste - als selbstständige Urkunde gestaltete - Aufhebungserklärung des Schenkungsvertrags. Namens des Klägers unterzeichnete der Beklagte diese Aufhebungserklärung. Die Kosten für die Errichtung des Schenkungsvertrags und für dessen nachträgliche Aufhebung bezahlte die Nebenintervenientin. Der Schenkungsvertrag, der Nachtrag zum Schenkungsvertrag sowie der Teilungsplan befinden sich in Händen des Beklagten.

Gestützt auf Punkt 11 des Schenkungsvertrags begehrte der Kläger vom Beklagten die Herausgabe dieser Urkunden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und stellte einen Zwischenantrag auf Feststellung des Inhalts, dass der zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin am 3. 10. 1995 ausgefertigte Schenkungsvertrag samt Nachtrag vom 31. 10. 1996 aufgehoben sei. Dieser Zwischenantrag sei präjudiziell, da die Feststellung des Bestands oder Nichtbestands des Schenkungsvertrags von rechtlicher Relevanz für die Herausgabe der Urkunden und deren weiteren Verwendungsmöglichkeiten sei (ON 3).

Das Erstgericht gab dem Zwischenantrag auf Feststellung statt und wies das Begehren auf Herausgabe der Urkunden ab. Infolge Aufhebung des Schenkungsvertrags bestehe der Anspruch des Klägers auf Herausgabe der Urkunden nicht zu Recht. Der Zwischenantrag auf Feststellung sei präjudiziell; es sei eine "über den konkreten Rechtsstreit hinausreichende Bedeutung anzunehmen".

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge. Es wies in Urteilsform den Zwischenantrag auf Feststellung mangels Präjudizialität zurück und erkannte den Beklagten schuldig, die begehrten Urkunden herauszugeben; das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es sei davon auszugehen, dass das Vertretungsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu Ende gegangen sei. Der Beklagte sei daher gemäß § 12 Abs 1 RAO zur Herausgabe der Vertragsurkunden verpflichtet. Die Aufhebung des Schenkungsvertrags sei für die Pflicht zur Herausgabe der Vertragsurkunden nicht maßgebend.

Gegen diese Entscheidung richtet sich das als „ordentliche Revision" bezeichnete Rechtsmittel des Beklagten und der Nebenintervenientin aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das „erstinstanzliche Urteil" wiederherzustellen.

Dieses Rechtsmittel ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Ansicht des Berufungsgerichts, die Aufhebung des Schenkungsvertrags sei nicht relevant, ist nicht zuzustimmen: Die Berechtigung eines Begehrens auf Ausfolgung von Urkunden ist nach ständiger Rechtsprechung nach bürgerlichem Recht zu beurteilen (EvBl 1978/173 uva). Wenn sich der Kläger als Anspruchsgrundlage für sein Ausfolgungsbegehren auf den das (Allein-)Eigentum an der Vertragsurkunde regelnden Punkt 11 des Schenkungsvertrags beruft, lässt er außer Acht, dass infolge zwischenzeitiger einvernehmlicher Aufhebung des Schenkungsvertrags dessen Punkt 11 nicht mehr in Geltung steht und daher der Herausgabeanspruch darin keine Grundlage finden kann. Die Schenkungsvertragsurkunde, die eine Veränderung dinglicher Rechte an der Liegenschaft zum Inhalt hat und für die Einverleibung im Grundbuch nötig wäre, mag nach Aufhebung des Schenkungsvertrags als eine gemeinschaftliche, im Miteigentum derjenigen Personen stehende Urkunde, in deren Interesse sie errichtet wurde bzw deren gegenseitigen Rechtsverhältnisse darin beurkundet sind, gelten (SZ 70/114). Eine solche Urkunde ist gemäß § 844 ABGB „bei dem an Lebensjahren ältesten Teilhaber niederzulegen", dies ist die Nebenintervenientin, die Mutter des Klägers. Auf deren Verlangen mag der Beklagte nach Beendigung des Vertretungsverhältnisses die Schenkungsvertragsurkunde samt Nachtrag und Teilungsplan herauszugeben haben (§ 12 Abs 1 RAO). Für den Kläger bietet § 12 RAO hingegen keine geeignete Anspruchsgrundlage.

Insofern erweist sich die Revision als berechtigt, sodass mit Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils in diesem Punkt 2 vorzugehen ist.

Zum Zwischenantrag auf Feststellung:

Ziel eines Zwischenantrags auf Feststellung eines streitigen Rechtsverhältnisses oder Rechts, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Teil abhängt, ist es, die (vom Feststellungsbegehren umfasste) Vorfrage herauszuheben und darüber spruchmäßig mit Rechtskraftwirkung zu entscheiden. Er setzt nach einhelliger Lehre und stRsp voraus, dass das festzustellende Rechtsverhältnis für die konkrete Entscheidung in der Hauptsache präjudiziell ist und dass die Bedeutung der Feststellung über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht. Ist dies nicht der Fall, besteht kein Bedürfnis nach selbstständiger urteilsmäßiger Feststellung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses, weil die in den Entscheidungsgründen vorgenommene Beurteilung zur Erledigung des konkreten Rechtsstreits ausreicht und sich in ihm erschöpft (Fasching, Lehrbuch2, Rz 1077 ff; Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO2, Rz 5 zu § 236 mwN; RIS-Justiz RS0039600). Die über den konkreten Rechtsstreit hinausreichende Bedeutung der Feststellung muss aus dem Vorbringen klar erkennbar sein; es muss somit derjenige, der einen Zwischenantrag auf Feststellung stellt, dartun, dass die Wirkung der begehrten Feststellung über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht (EvBl 1972/10, RIS-Justiz RS0034336).

Dieses Erfordernis erfüllt das Vorbringen des Beklagten nicht. Dass die Feststellung der Aufhebung des Schenkungsvertrags über den vorliegenden Rechtsstreit hinaus Bedeutung hätte, ist auch aus dem Akteninhalt nicht zu erkennen. Die rein theoretische Möglichkeit der Geltendmachung weiterer Ansprüche genügt nicht (Deixler-Hübner in Fasching III2, Rz 9 zu § 236). Die hier begehrte Feststellung erschöpft sich in der Beurteilung der im Anlassfall präjudiziellen Vorfrage, ohne dass ihre Rechtskraftwirkung über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht. Daher ist der Zwischenantrag auf Feststellung mangels Vorliegens einer Zulässigkeitsvoraussetzung mit Beschluss zurückzuweisen (Deixler-Hübner aaO, Rz 16 zu § 236). Dass das gegen die (unrichtigerweise) in Urteilsform erfolgte Zurückweisung des Zwischenfeststellungsantrags gerichtete Rechtsmittel als „ordentliche Revision" benannt wurde, hindert nicht dessen Behandlung als Revisionsrekurs (RIS-Justiz RS0036258).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO.

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