European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133020
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens würde geprüft; sie liegt nicht vor. Die in der Revision gerügten Verfahrensfehler erster Instanz im Zusammenhang mit vermeintlichen Stoffsammlungsmängeln hat das Berufungsgericht verneint. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963; RS0106371). Es liegt auch keine Ausnahme von diesem Grundsatz dahin vor, dass das Berufungsgericht einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht wahrgenommen hätte (RS0043051 [T5]; RS0106371 [T5]; RS0042963 [T37]), etwa weil es die Behandlung einer Mängelrüge infolge der vermeintlichen rechtlichen Unerheblichkeit des gerügten Mangels unterließ (RS0043051 [T5]). Dem Berufungsgericht ist eine solche aufzugreifende rechtliche Fehlbeurteilung nicht unterlaufen.
[2] 2.1. Der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen und ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende, zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zu (RS0042828).
[3] 2.2. Die Ersatzpflicht des Sachverständigen nach §§ 1299 f ABGB ist grundsätzlich auf den aus dem Schuldverhältnis Berechtigten beschränkt (RS0026234; RS0026645).
[4] Eine Haftung gegenüber einem Dritten kommt etwa dann in Betracht, wenn ein Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter vorliegt oder die objektiv-rechtlichen Schutzwirkungen auf den Dritten zu erstrecken sind (7 Ob 273/00y; 1 Ob 78/07p; 7 Ob 77/11s; 6 Ob 141/16b = RS0026234 [T13]).
[5] 2.3. Eine – in Rechtsprechung und Lehre anerkannte – objektiv-rechtliche Sorgfaltspflicht zugunsten eines Dritten trifft einen Sachverständigen, wenn er damit rechnen muss, dass sein Gutachten die Grundlage für die Disposition des Dritten bilden werde (RS0106433; RS0026645 [T5]; RS0026234 [T4, T13]). Geschützt ist ein Dritter, wenn eine Aussage erkennbar drittgerichtet ist, also ein Vertrauenstatbestand vorliegt, der für den Dritten eine Entscheidungsgrundlage darstellen soll. Wesentlich ist daher vor allem, zu welchem Zweck das Gutachten erstattet wurde (vgl RS0106433 [T6, T9, T10, T12, T17]; 7 Ob 38/17i = RS0106433 [T22] mwN). Dass der Auskunftgeber in abstracto damit rechnen muss, die Information werde irgendwie – auch durch Weitergabe durch den Besteller – an Außenstehende gelangen, reicht zu einer Haftung gegenüber dem Dritten nicht aus (vgl RS0026569).
[6] 3. Hier wurde der Beklagte vom Gericht als Sachverständiger in einem Oppositionsverfahren, an dem der nunmehrige Kläger nicht beteiligt war, ausdrücklich zur Begutachtung der Mängel einer Liegenschaft samt Haus beauftragt, die von den vom seinerzeitigen Verkäufer Preisminderung begehrenden dortigen Klägern behauptet worden waren.
[7] Schäden der Dachkonstruktion, deren Behebungskosten der Kläger (Ersteher) nunmehr vom Beklagten begehrt, waren von den Klägern im Vorprozess nicht konkret behauptet und im Gerichtsgutachten des Beklagten nicht behandelt worden. Dieses Gutachten, das auch auf den Gutachtensauftrag hinwies, gelangte dem Kläger zwar zur Kenntnis, wurde aber nicht in seinem Interesse erstattet. Im Zwangsversteigerungsverfahren (in dem der Kläger später den Zuschlag erhielt) wurde ein anderer Sachverständiger für die Ermittlung des Verkehrswerts bestellt.
[8] 4. Die Verneinung der Haftung des Beklagten durch die Vorinstanzen hält sich im Rahmen der zitierten Rechtsprechung. Schon durch die Beschränkung des Gutachtensauftrags und ‑gegenstands auf die im Vorprozess von Dritten (den damaligen Klägern und gleichzeitig Verpflichteten des Zwangsversteigerungsverfahrens) aufgestellten Behauptungen wurde kein Vertrauenstatbestand dahin geschaffen, dass das Gutachten den Zustand der Liegenschaft vollständig und erschöpfend beschrieben hätte; zudem war aufgrund des Auftrags des Gerichts auch nicht konkret zu erwarten, dass das Gutachten zu anderen Zwecken als zur Klärung des konkreten Rechtsstreits dienen, an andere Personen als Gericht und Verfahrensparteien gelangen und von prozessfremden Dritten zur Grundlage ihrer Dispositionen gemacht würde. Dass aus diesem Sachverhalt insgesamt kein Schutz der Interessen Dritter – hier des Klägers als späterer Erwerber in einem Zwangsversteigerungsverfahren (dem zudem ein von einem anderen Gutachter erstattetes Verkehrswert-Schätzgutachten zugrundelag, das ohne Bezugnahme auf das Gutachten des Beklagten erstattet worden war) – ableitbar ist, ist daher nicht korrekturbedürftig.
[9] 5. Da die Revision schon diesbezüglich keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, war sie zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).
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