OGH 7Ob46/09d

OGH7Ob46/09d30.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Fabian Cedric C*****, Mutter: Dipl.-Ing. Irina C*****, vertreten durch Mag. Brigitte Loacker, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Dipl.-Ing. Christian C*****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. Dezember 2008, GZ 48 R 315/08s, 316/08p, 317/08k-S114, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 62 Abs 1 AußStrG ist gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Als eine solche erhebliche Rechtsfrage wird vom Revisionsrekurswerber die Frage angesehen, inwieweit die Bestimmungen der §§ 177 und 177a ABGB den verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK entsprechen. Mit dieser Frage hat sich der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 2 Ob 266/05i (RIS-Justiz RS0120492) unter Zitierung einschlägiger Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs eingehend auseinandergesetzt. Der Revisionsrekurswerber bringt nichts vor, was die Richtigkeit der dabei angestellten Erwägungen bezweifeln ließe. Es ist daher daran festzuhalten, dass gegen die genannten Bestimmungen und insbesondere gegen § 177a Abs 2 ABGB, den der Revisionsrekurswerber besonders im Auge hat, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlasst, die Anregung (s dazu RIS-Justiz RS0058452) des Revisionsrekurswerbers zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens aufzugreifen.

Eine erhebliche Rechtsfrage wird auch in der Rechtsrüge gegen die Entscheidung, der Mutter das alleinige Obsorgerecht zuzuteilen, nicht aufgeworfen. Maßstab für den Inhalt einer Entscheidung nach § 177a ABGB ist allein, welcher Elternteil zur Übernahme der alleinigen Obsorge besser geeignet ist und welche Entscheidung dem Wohl des Kindes besser dient. Das Kindeswohl hat stets im Vordergrund zu stehen (RIS-Justiz RS0048969), wobei nicht nur von der momentanen Situation ausgegangen werden darf, sondern auch Zukunftsprognosen zu stellen sind (RIS-Justiz RS0048632). Unabhängig vom Wohl des Kindes hat kein Elternteil ein Vorrecht auf dessen Pflege und Erziehung (RIS-Justiz RS0047911). Bei der Entscheidung sind neben den materiellen Interessen an möglichst guter Verpflegung und guter Unterbringung der Kinder auch das Interesse an möglichst guter Erziehung, möglichst sorgfältiger Beaufsichtigung und an möglichst günstigen Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen seelischen und geistigen Entwicklung zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0047832). Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil bei Gegenüberstellung der Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände die Obsorge für das Kind übertragen werden soll, ist eine solche des Einzelfalls, der keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden kann (RIS-Justiz RS0007101), sofern auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde (RIS-Justiz RS0115719). Das ist hier der Fall: Zwar wird auch dem Vater von den Vorinstanzen die grundsätzliche Eignung zur Pflege und Erziehung seines Sohnes zugebilligt. Die festgestellte engere emotionale Bindung des Kindes an die Mutter und der Vorteil der Betreuungskontinuität geben aber den Ausschlag dafür, die Obsorgezuteilung an die Mutter als dem Wohl des Kindes eher entsprechend anzusehen. Darin kann keineswegs eine Fehlbeurteilung erblickt werden, die ein Einschreiten des Obersten Gerichtshofs erforderte.

Schließlich wird vom Revisionsrekurswerber auch betreffend die Besuchsrechtsregelungen kein tauglicher Grund für die Zulassung seines außerordentlichen Rechtsmittels aufgezeigt: Das in § 148 Abs 1 ABGB normierte Recht des minderjährigen Kindes und des mit ihm nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteils, miteinander persönlich zu verkehren (Besuchsrecht), ist ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung und ein allgemein anerkanntes, unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes Menschenrecht (7 Ob 27/01y; 8 Ob 42/02p; 6 Ob 171/05y uva). Nach ständiger Rechtsprechung ist daher ein Mindestmaß persönlicher Beziehungen eines Kindes zu beiden Elternteilen höchst erwünscht und wird im Dienste der gesunden Entwicklung des Kindes auch allgemein gefordert (RIS-Justiz RS0047754). Oberster Grundsatz jeder Besuchsregelung ist das Wohl und das Interesse des Kindes (RIS-Justiz RS0047958). Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Besuchsrecht eingeräumt werden soll, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Auch ihr kann daher keine Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RIS-Justiz RS0097114). Von einer Fehlbeurteilung, die der Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, kann im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers keine Rede sein. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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