Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 768,24 EUR (darin enthalten 128,04 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer hinsichtlich eines von einem Kunden des Beklagten gehaltenen Fahrzeugs. Dieses sollte in der Werkstätte des Beklagten am 17. 8. 2007 repariert werden. Der Lehrling F***** K***** verfügte zu diesem Zeitpunkt über keine allgemeine, aber über eine „L 17“-Lenkerberechtigung. Der Beklagte beauftragte ihn dennoch, eine Bremsprüfung am Fahrzeug durchzuführen. Zur Überprüfung der Feststellbremse musste der Lehrling das Fahrzeug auf die beiden Platten der Prüfanlage über eine niedrige Rampe fahren. Dabei rutschte er beim Bremsen vom Bremspedal ab, worauf sich das Fahrzeug plötzlich nach vorne bewegte und den auf der Hebebühne an einem anderen Fahrzeug arbeitenden Lehrling einklemmte. Zum Zeitpunkt des Abrutschens vom Pedal war das Fahrzeug in Bewegung. Der andere Lehrling wurde durch den Anprall verletzt. Die Klägerin bezahlte als Haftpflichtversicherer die Schäden.
Nach Art 9.2.1. AKHB 1995 wird als Obliegenheit, die zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist und deren Verletzung im Zeitpunkt des Versicherungsfalls die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt (§ 6 Abs 2 VersVG), unter anderem bestimmt, dass der Lenker zum Lenken des Fahrzeugs kraftfahrrechtlich berechtigt ist.
Die Klägerin begehrt nach § 24 Abs 4 KHVG die Bezahlung von 10.900 EUR vom mitversicherten Beklagten, weil dieser eine Obliegenheitsverletzung nach Art 9.2.1. iVm 11.1. AKHB 1995 zu vertreten habe. Er habe dem Lehrling F***** K***** die Erlaubnis erteilt, ohne Lenkerberechtigung ein Fahrzeug zu lenken und damit eine Obliegenheit zum Zwecke der Verminderung der Gefahr der Klägerin gegenüber nicht erfüllt, wodurch es zu einem von ihr zu deckenden Schaden gekommen sei.
Der Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Ein Regressanspruch bestehe nicht zu Recht, weil das Fahrzeug lediglich zum Zweck der Prüfung der Bremsen am Bremsprüfstand gewesen sei und damit nicht auf einem öffentlichen Grund. Der Lenker habe keiner Lenkerberechtigung bedurft. Das Fahrzeug habe sich schon im Stillstand befunden und sei daher vom Lehrling nicht in Betrieb genommen gewesen. Überdies habe er über eine L 17-Berechtigung verfügt. Es sei keine Obliegenheitsverletzung begangen worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da sich der Unfall nicht auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, sondern in der Werkstätte des Beklagten ereignet habe, sei F***** K***** zum Lenken kraftfahrrechtlich berechtigt gewesen, sodass die Klägerin nicht leistungsfrei geworden sei.
Das Berufungsgericht änderte das angefochtene Urteil ab und gab der Klage statt. Nach seinem Zweck sei Art 9.2.1. AKHB 1995 so auszulegen, dass er auch für Flächen ohne öffentlichen Verkehr gelte. Der Versicherungsschutz für Fahrzeuge, die der Versicherungspflicht unterlägen, schließe die Verwendung auf anderen Verkehrsflächen mit ein. Das Fahrzeug sei im Sinn des § 2 KHVG verwendet worden, weil es auf die Bremsanlage bewegt worden sei und weil sich durch das Abrutschen von der Fußfeststellbremse das spezifische Risiko eines Kraftfahrzeugs realisiert habe. Der Lehrling habe über keine allgemeine Lenkerberechtigung verfügt und sei auf Grund einer L 17-Lenkerberechtigung nicht befugt, ohne Aufsicht eines Begleiters Ausbildungsfahrten durchzuführen. Damit habe er nicht sämtliche Voraussetzungen zum Lenken eines Fahrzeugs erfüllt, weshalb eine Obliegenheitsverletzung vorliege, die zur Leistungsfreiheit der Klägerin führe.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil (neuere) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Geltung des Art 9.2.1. AKHB 1995 auf Flächen ohne öffentlichen Verkehr und zur kraftfahrrechtlichen Berechtigung (L 17-Lenkerberechtigung) fehle.
Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten mit einem Abänderungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Der nach § 2 Abs 2 KHVG mitversicherte Beklagte kann - sieht man vom Fall einer Gefahrerhöhung ab - nur dann im Rahmen des § 7 KHVG regresspflichtig werden, wenn er durch Verletzung einer der in § 5 Abs 1 KHVG erschöpfend aufgezählten Obliegenheiten die Leistungsfreiheit der klagenden Versicherung herbeigeführt hätte (7 Ob 244/06t mwN; RIS-Justiz RS0119238). § 5 Abs 1 Z 4 KHVG sieht als vor Eintritt des Versicherungsfalls zu beachtende Obliegenheit vor, dass der Lenker zum Lenken des Fahrzeugs kraftfahrrechtlich berechtigt ist (sogenannte Führerscheinklausel). Dem entspricht Art 9.2.1. AKHB 1995. Schon zu der Vorgängerbestimmung des Art 6 AKIB hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass die Führerscheinklausel auch für Fahrten auf nicht öffentlichem Grund Geltung hat (7 Ob 192/73, SZ 46/105 = RIS-Justiz RS0080941). In seiner Entscheidung 7 Ob 13/86 lehnte er die in 7 Ob 78/76 vertretene gegenteilige Meinung, die vereinzelt geblieben sei, ausdrücklich ab. Es wurde dargelegt, dass die AKHB auch für Ereignisse gelten, die sich auf Flächen ohne öffentlichen Verkehr abspielen. Es entstünde ein Wertungswiderspruch, würde man im Gegensatz zu Ereignissen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr bei Unfällen auf anderen Flächen die Lenkung des Kraftfahrzeugs ohne Besitz der entsprechenden Lenkerberechtigung tolerieren.
Dieser Rechtsansicht ist auch hier zu folgen. Die Obliegenheit zielt darauf ab, den Versicherer nicht dem höheren Risiko durch unerfahrene und ungeschulte Lenker auszusetzen. Das Unfallrisiko eines bloßen Bedienungsfehlers/Fahrfehlers ist bei diesen Lenkern auf öffentlichen wie auf nicht öffentlichen Flächen gleich hoch, wie sich anschaulich aus dem vorliegenden Sachverhalt ergibt. Darauf, ob dem Beklagten oder dem Lenker auch eine Verwaltungsübertretung anzulasten ist oder nicht, kommt es hier nicht an. Die sogenannte Führerscheinklausel stellt darauf ab, ob der Lenker eine (allgemeine) Fahrberechtigung und damit eine gewisse Fahrsicherheit hat, egal, auf welcher Fläche er das Fahrzeug bewegt.
Aus demselben Grund kann für den Beklagten auch nichts aus dem Umstand gewonnen werden, dass der Lenker über eine „L 17“-Lenkerberechtigung verfügte. Die vorgezogene Lenkberechtigung für die Klasse B berechtigt den Lenker nach § 19 Abs 2 FSG nur dazu, in Begleitung einer Person Ausbildungsfahrten zu unternehmen. Dass das Befahren eines Prüfbremsstandes keine solche Ausbildungsfahrt ist, bedarf wohl keiner Begründung. Außerdem war der Lenker nicht von der in § 19 FSG genannten Person begleitet.
Auch hat sich der Schaden - worauf das Berufungsgericht schon zutreffend hinwies - beim Betrieb des Fahrzeugs ereignet. Von der Rechtsprechung wird unter Betrieb nach § 1 EKHG „die bestimmungsgemäße Verwendung des Kraftfahrzeugs als Fahrmittel, also zur Ortsveränderung unter Benützung seiner Maschinenkraft“ verstanden. Danach muss der Motor als Kraftquelle dienen und beim Schadensereignis in Gang befindlich sein. Der Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ in § 2 Abs 1 KHVG ist im noch weiteren Sinn zu verstehen als der Begriff des Betriebs im Sinn des § 1 EKHG (RIS-Justiz RS0116494, RS0088978). Das Fahrzeug wurde einer Bremskontrolle unterzogen und dabei - wenn auch mit geringer Geschwindigkeit - unter Einsatz der Motorkraft bewegt. Durch das Abrutschen vom Bremspedal verwirklichte sich die typische Gefahr des Kraftfahrzeugs.
Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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