OGH 7Ob13/86

OGH7Ob13/8624.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DER A*** Allgemeine Versicherungs AG, Wien 1., Hoher Markt 10-12, vertreten durch Dr. Dieter Sima, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Albert T***, Landarbeiter, St.Stefan 30, vertreten durch Dr. Matthäus Grilc, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 42.000 S s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 25. November 1985, GZ. 2 R 209/85-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 12. August 1985, GZ. 16 Cg 359/84-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 2.829,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 257,25 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 26.9.1984 beschädigte der Beklagte, der damals über keine entsprechende Lenkerberechtigung verfügte, im Betrieb seines Dienstgebers Albin S*** bei der Lenkung eines diesem gehörigen Traktors auf einer Fläche, die nicht als Straße mit öffentlichem Verkehr zu betrachten war, einen abgestellten PKW. Die Klägerin, als Haftpflichtversicherer, mußte dem geschädigten Dritten 42.000 S zahlen, die sie unter Berufung auf die Bestimmungen der §§ 158 f. und 6 Abs.2 VersVG in Verbindung mit Art.6 Abs.2 lit.a AKHB vom Beklagten zurückverlangt.

Während das Erstgericht die Rechtsansicht vertrat, Art.6 Abs.2 lit.a AKHB gelte nur für Straßen mit öffentlichem Verkehr und demnach das Klagebegehren abwies, gab das Berufungsgericht der Klage statt. Es führte hiebei in rechtlicher Hinsicht aus, durch Art.25 Abs.2 AKHB sei die Haftpflichtversicherung auch auf Ereignisse ausgedehnt worden, die sich auf Flächen abspielen, die nicht dem öffentlichen Verkehr dienen. Diesbezüglich gehen aber die AKHB nicht auf die Verordnungsermächtigung des Kraftfahrgesetzes zurück. Demnach erfahre für solche Unfälle Art.6 Abs.2 lit.a AKHB keine Einschränkung durch das Kraftfahrgesetz auf bloße Ereignisse, die sich auf Straßen mit öffentlichem Vekehr abspielen. Unter Hinweis auf eine seiner Rechtsansicht widersprechende Entscheidung hat das Berufungsgericht die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Richtig ist, daß der Oberste Gerichtshof in der vereinzelt gebliebenen Entscheidung 7 Ob 78/76 den Standpunkt vertreten hat, die im Art.6 Abs.2 lit.a AKHB festgesetzte Obliegenheit gelte im Hinblick auf die Verordnungsermächtigung des Kraftfahrgesetzes nur für Ereignisse auf Straßen mit öffentlichem Verkehr. Gegen diese Rechtsansicht hat jedoch Petrasch (ZVR 1985, 72) mit gewichtigen Argumenten Stellung genommen. Bereits vorher (ZVR 1985/13) hat der Oberste Gerichtshof für den Bereich der Gefahrerhöhung (Art.7 AKHB) den Standpunkt vertreten, daß im Hinblick auf Art.25 Abs.2 AKHB die Bestimmung des Art.7 AKHB auch für Ereignisse gilt, die sich auf Flächen ohne öffentlichen Verkehr abspielen. Hiebei wurde, ebenso wie von Petrasch in dem oben genannten Artikel, darauf verwiesen, daß durch Art.25 Abs.2 AKHB die Haftpflichtversicherung über den durch das Kraftfahrgesetz vorgeschriebenen Rahmen hinaus ausgedehnt worden ist. Diese Ausdehnung beruht demnach nicht mehr auf der Verordnungsermächtigung des Kraftfahrgesetzes, weshalb die dort nur für diesen Bereich festgesetzten Einschränkungen bezüglich der Umschreibung von Obliegenheitsverletzungen hier nicht zum Tragen kommen. Insbesondere wurde auch auf den Wertungswiderspruch verwiesen, der entstünde, würde man, im Gegensatz zu Ereignissen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr, bei Unfällen auf anderen Flächen die Lenkung des Kraftfahrzeuges ohne Besitz der entsprechenden Lenkerberechtigung tolerieren.

Nach neuerlicher Prüfung der Rechtslage schließt sich der Oberste Gerichtshof der von Petrasch in dem erwähnten Artikel vertretenen Rechtsansicht an. Die Tatsache, daß das Kraftfahrgesetz nur Ereignisse auf Straßen mit öffentlichem Verkehr erwähnt, besagt nicht, daß nach dem Willen des Gesetzgebers Ereignisse auf anderen Flächen anders behandelt werden sollen, sondern sie ist nur darauf zurückzuführen, daß das Kraftfahrgesetz nur für Straßen mit öffentlichem Verkehr gilt, weshalb keine Veranlassung bestand, für andere Ereignisse überhaupt Regelungen zu treffen. Ein Umkehrschluß aus der Nennung der Straßen mit öffentlichem Verkehr im Kraftfahrgesetz ist demnach nicht angebracht. Daß aber Art.25 Abs.2 AKHB den Versicherungsschutz über den im Kraftfahrgesetz vorgesehenen Schutz der Pflichtversicherung hinaus ausgedehnt hat, bedarf wohl keiner näheren Begründung. Da das Kraftfahrgesetz eine Verordnungsermächtigung nur bezüglich der von ihm vorgeschriebenen Pflichtversicherung enthält, Art.25 Abs.2 AKHB jedoch über den Rahmen dieser Pflichtversicherung hinausgeht, kann diese Bestimmung nicht unter Berufung auf das Kraftfahrgesetz einschränkend ausgelegt werden. Vielmehr liegt hier eine über die Pflichtversicherung hinausgehende Zusatzversicherung vor, bezüglich der der Versicherer berechtigt ist, bestimmte Versicherungsbedingungen festzulegen, soweit diese nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Das Kraftfahrgesetz enthält diesbezüglich kein gesetzliches Verbot. Auch sonst ist keinem Gesetz ein Verbot dahin zu entnehmen, daß Versicherungsbedingungen allgemein die Obliegenheit festsetzen, ein versichertes Kraftfahrzeug nur mit der erforderlichen Lenkerberechtigung zu lenken. Daß eine solche gesetzliche Beschränkung nicht besteht, ergibt sich schon daraus, daß eine entsprechende Obliegenheit für den Bereich der Kaskoversicherung in den AKIB vorgesehen ist und hier auch von der Judikatur keine Einschränkung auf die Lenkung des Kraftfahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr vorgenommen wurde.

Berücksichtigt man den Sinn der erwähnten Obliegenheit, so erweist sich die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung als die einzig mögliche. Die Obliegenheit, ein Kraftfahrzeug nur zu lenken, wenn die entsprechende Lenkerberechtigung vorhanden ist, soll den Versicherer vor den Risken einer Lenkung durch eine Person befreien, der die hiezu erforderlichen Fähigkeiten fehlen. Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, daß der Erwerb der Lenkerberechtigung den vorherigen Nachweis der Fähigkeit zur Lenkung eines Kraftfahrzeuges voraussetzt, daß demnach eine Person, die diese Lenkerberechtigung besitzt, zur Lenkung eines Kraftfahrzeuges befähigt ist. Das Fehlen einer Lenkerberechtigung läßt dagegen die entsprechende Fähigkeit nicht erkennen. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges durch eine solche Person bildet für den Versicherer das erhöhte Risiko von Unfällen und demnach des Entstehens einer Leistungspflicht. Die Obliegenheit des Art.6 Abs.2 lit.a AKHB soll den Versicherer vor diesem erhöhten Risiko schützen. Dieses Risiko ist aber für den Versicherer auf Flächen ohne öffentlichen Verkehr das gleiche wie auf Straßen mit öffentlichem Verkehr. Die im Rahmen der durch Art.25 Abs.2 AKHB geschaffenen Zusatzversicherung übernommene Obliegenheit des Art.6 Abs.2 lit.a AKHB kann daher unter Würdigung der aufgezeigten Umstände nur dahin ausgelegt werden, daß sie schlechthin für die Lenkung von Kraftfahrzeugen, ungeachtet, wo diese erfolgt, gelten soll.

Auf seine weiteren ursprünglichen Einwendungen kommt der Beklagte in der Revision nicht mehr zurück, weshalb diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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