European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00037.18V.0420.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die in Deutschland ansässige Klägerin erwarb nach Beratung durch einen (deutschen) Vermögensberater zwischen 17. April und 10. August 2007 791,80 Stück aktienvertretende Zertifikate, die von der Zweitbeklagten emittiert worden waren; 0,07 Stück verkaufte sie in der Folge.
Die Klägerin begehrte von den Beklagten Zug um Zug gegen Rückübertragung von 791,73 Zertifikaten die Rückzahlung des Kaufpreises dieser Zertifikate abzüglich erlangter Dividendenausschüttungen. Ihr sei sowohl durch den der Erstbeklagten zuzurechnenden Berater als auch durch die Werbebroschüren beider Beklagter suggeriert worden, dass es sich um eine sichere Veranlagung handle. Am 23. Juli 2010 habe sie sich dem zu AZ 608 St 1/08w der Staatsanwaltschaft Wien unter anderem gegen die Beklagten geführten Ermittlungsverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen.
Die Beklagten wandten insbesondere Verjährung ein. Der Privatbeteiligtenanschluss sei nicht ausreichend individualisiert gewesen. Er habe auch, weil er mittels CD‑ROM erfolgt sei, nicht den Formerfordernissen der StPO entsprochen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt. Die Schadenersatzansprüche der Klägerin als Verbraucherin seien nach deutschem Recht zu beurteilen. Das Verhalten der Beklagten stelle eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung iSd § 826 BGB dar. Die Verjährungsfrist des § 199 Abs 1 BGB sei gemäß § 204 Abs 1 Z 1 BGB durch den Privatbeteiligtenanschluss gehemmt worden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Erstbeklagten mit Teilurteil (zufolge einer im Berufungsverfahren getroffenen Ruhensvereinbarung zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten) nicht Folge. Das Erstgericht sei zutreffend von der Anwendbarkeit deutschen Sachrechts und davon ausgegangen, dass der Privatbeteiligtenanschluss grundsätzlich geeignet und hinreichend individualisiert gewesen sei, um die Verjährungsfrist zu unterbrechen, und auch den Formerfordernissen der StPO entsprochen habe. Ein schriftlicher Adhäsionsantrag nach § 404 dStPO, dem der Privatbeteiligtenanschluss funktional gleichwertig sei, entfalte seine prozess- und materiell‑rechtlichen Wirkungen (insbesondere Hemmung der Verjährung) nicht erst durch seine Zustellung an den Beschuldigten. Der Oberste Gerichtshof habe bereits zu 4 Ob 112/15x die Haftung der Erstbeklagten nach § 826 BGB für die irreführenden Angaben in den Werbebroschüren bejaht.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Erstbeklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
Soweit es um die Rechtsanwendung von fremdem Recht in seinem ursprünglichen Geltungsbereich geht, fehlt es an der im § 502 Abs 1 ZPO zugrunde gelegten Leitfunktion des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0042948 [T1]). Aus Gründen der Rechtssicherheit wäre das Vorliegen einer qualifizierten Rechtsfrage in diesem Zusammenhang nur dann denkbar, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt wurde (RIS‑Justiz RS0042948 [insbes T3, T4]).
1. Im vorliegenden Fall ist unstrittig deutsches Sachrecht anzuwenden. Dass die Vorinstanzen die Frage der Verjährung des Schadenersatzanspruchs der Klägerin nach der Vorschrift des § 199 BGB beurteilt haben, ist nicht zu beanstanden. Wie der Oberste Gerichtshof bereits zu einem deckungsgleichen Sachverhalt ausgeführt hat, ist der Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB und nicht aus einem Verstoß der Beklagten gegen das dWpHG abzuleiten, sodass es auf dessen § 37a idF vor dem 5. August 2009 nicht ankommt (3 Ob 42/18z; vgl 4 Ob 112/15x mwN).
2. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt gemäß § 199 Abs 1 BGB mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Verjährungsfrist wird gemäß § 204 Abs 1 Z 1 BGB insbesondere durch Erhebung der Klage gehemmt. Die Stellung eines Adhäsionsantrags nach § 404 dStPO hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit (§ 404 Abs 2 dStPO). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass ein Privatbeteiligtenanschluss nach österreichischem Recht dem Adhäsionsantrag grundsätzlich funktionell gleichwertig ist (dies ist nach BGH XII ZR 182/00 Voraussetzung für eine Substitution deutscher Rechtsbegriffe durch ausländische), ist nicht zu beanstanden (3 Ob 42/18z).
3. Dass der vorliegende Privatbeteiligten-anschluss ausreichend individualisiert war und den Formerfordernissen der StPO entsprach, haben verschiedene Senate des Obersten Gerichtshofs – der Entscheidung 10 Ob 45/17s folgend – bereits in einer Vielzahl von insofern denselben Sachverhalt betreffenden Entscheidungen ausgesprochen (1 Ob 192/17t, 3 Ob 42/18z, 4 Ob 45/18y, 4 Ob 54/18x, 7 Ob 52/18z jeweils mwN).
Nach den Feststellungen wurden die Daten auf der CD‑ROM nach Einlangen bei der Staatsanwaltschaft Wien ausgedruckt und zum Akt genommen. Auf einer dieser Listen befanden sich – wie schon in der Beilage zum Schriftsatz, mit dem der Privatbeteiligtenanschluss für 7.880 Personen erklärt wurde – auch die Daten der Klägerin. Die Frage, ob ein ausschließlich mittels Übergabe einer CD‑ROM erklärter Privatbeteiligtenanschluss wirksam ist, stellt sich daher nicht.
4. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die verjährungshemmende Wirksamkeit des Privatbeteiligtenanschlusses auch nach deutschem Recht nicht von dessen Zustellung an die Beklagten abhängt, ist angesichts des klaren Wortlauts des § 404 Abs 2 zweiter Satz dStPO nicht zu beanstanden.
5. Die Kostenentscheidung gründet in §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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