Normen
HGB §119
HGB §161 Abs2
HGB §119
HGB §161 Abs2
Spruch:
Jede Änderung des Gesellschaftsvertrages einer Kommanditgesellschaft bedarf mangels einer gegenteiligen Bestimmung im Vertrag der Beschlußfassung aller Gesellschafter, also auch der Kommanditisten. Das gilt nicht nur für eine Bestellung des Kommanditisten zum zusätzlichen Geschäftsführer, sondern auch für den Fall seiner Bevollmächtigung durch einen bisherigen Geschäftsführer mit der Vertretung in dessen Geschäftsführung
Durch die Betrauung eines Gesellschafters mit der Geschäftsführung wird dieser nicht Dienstnehmer der Gesellschaft
OGH 21. März 1973, 7 Ob 32/73 (OLG Wien 1 R 188/72; HG Wien 31 Cg 482/71)
Text
Nach dem Ausscheiden der früheren Komplementäre Josef P (Vater der Beklagten) und Maria R sowie des früheren Kommanditisten Paul R sind seit 15. Mai 1970 im Handelsregister die Beklagte als einzige persönlich haftende Gesellschafterin und der Kläger als jeweils zweiter Kommanditist der im Jahre 1950 gegrundeten "O P Kino, Z, R & Co. KG (in der Folge kurz. Kino-KG genannt) und der im Jahre 1962 gegrundeten "O P Buffett, P, R, KG" (in der Folge kurz: Buffett-KG) eingetragen.Der Kläger begehrt auf Grund eines am 11. Jänner 1969 mit dem Beklagten geschlossenen Vertrages über die gemeinsame Geschäftsführung dieser Gesellschaften und hilfsweise aus dem Titel des Schadenersatzes den Klagsbetrag in der Höhe des halben Geschäftsführerhonorars für "das letzte Jahr" ab 1. April1970.
Das Erstgericht wies die Klage nach Durchführung bloß der Urkundenbeweise ab. Nach seinen Feststellungen war in beiden Gesellschaftsverträgen vereinbart, daß die Geschäftsführung durch die persönlich haftenden Gesellschafter (zuletzt Josef P und Maria R) gemeinsam besorgt wird. Am 19. November 1968 wurde zwischen den Ehegatten R sowie der Kommanditistin der Buffet-KG Wilhelmine P und den Streitteilen vereinbart, daß die Anteile der Eheleute R von den Ehegatten P und den Streitteilen gekauft würden, und es bezahlte der Kläger seinen Anteil von 125.000 S sofort bar. In einer weiteren, als "Vereinbarung" bezeichneten Niederschrift, die von Josef P unterschrieben wurde, ist festgehalten, daß die Eheleute P die Komplementäranteile von Maria R übernehmen und ihrer Tochter, der Beklagten, überlassen. Die an das Ehepaar R zu leistenden Ratenzahlungen sollten von den Gesellschaften bezahlt werden und das Ehepaar P sich verpflichten, als Zahler einzuspringen, wenn die Raten aus dem Geschäft nicht aufgebracht werden könnten. Der Kläger sollte den Kommanditistenanteil des Paul R übernehmen, Josef P die Geschäftsführung behalten. Geschäftsführerbezüge, soweit sie Paul R zugefallen waren, sollten nunmehr je zur Hälfte an die Streitteile ausgezahlt werden. Ferner sollten die Streitteile, falls Josef P die Geschäftsführung zurücklegen sollte, das Geschäft gegebenenfalls gemeinsam weiterführen. Nach dem Tode Josef Ps am 30. Dezember 1968 schlossen die Streitteile am 11. Jänner 1969 "auf Grund der gegebenen Konstellation und eines persönlichen Naheverhältnisses" eine Vereinbarung, nach welcher die Geschäftsführung beider Kommanditgesellschaften gemeinsam durch den Kläger und die Beklagte erfolgen sollte. Geschäftsführerhonorare, die bisher Josef P und Paul R bezogen haben, sollten je zur Hälfte die Streitteile erhalten. Am 28. Jänner 1969 wurden zwei Abtretungsverträge zwischen dem Ehepaar R einerseits und den Streitteilen unter Beitritt von Wilhelmine P andererseits geschlossen, mit welchen Maria R ihre Komplementäranteile an beiden Kommanditgesellschaften an die Beklagte und Paul R seine Kommanditanteile an den Kläger abtraten. Wilhelmine P trat den der Beklagten aus diesen Verträgen erwachsenden Verpflichtungen als Solidarschuldnerin bei. Mit Vertrag vom 12. Feber 1969 trat schließlich Rudolf H seinen Anteil als Kommanditist an der Kino-KG an den Kläger ab. Der Nachlaß Josef Ps wurde am 29. Juni 1970 zu einem Viertel seiner Witwe Wilhelmine P und zu drei Vierteln der Beklagten eingeantwortet. Am 15. Mai 1970 wurden die Beklagte als persönlich haftende Gesellschafterin und der Kläger als Kommanditist beider Gesellschaften im Handelsregister eingetragen. Von den ursprünglichen Kommanditisten sind derzeit noch Wilhelmine P in der Buffet-KG und Lucia K in der Kino-KG eingetragen.
Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes verstößt die Vereinbarung zwischen den Streitteilen, wonach der Kläger als nicht persönlich haftender Gesellschafter an der Geschäftsführung beteiligt werde, gegen ein gesetzliches Verbot und ist mangels Abänderung des Gesellschaftsvertrages unwirksam.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Nach seiner Ansicht ist die Rechtssache noch nicht spruchreif. Die Übertragung der Geschäftsführung durch den Komplementär an einen Dritten sei mangels ausdrücklicher Bestimmung in der Verbotsnorm und weil es auch ihr Zweck nicht erfordere, nicht nichtig. Mit der Einantwortung des Nachlasses Josef Ps und der Eintragung der Beklagten als einzige Komplementärin beider Gesellschaften sei die allenfalls notwendige Genehmigung des Vertrages ersetzt worden. Das Verfahren sei in bezug auf den geltend gemachten Anspruch und die dagegen von der Beklagten erhobenen Einwendungen ergänzungsbedurftig.
Der Oberste Gerichtshof gab dem gegen diesen Aufhebungsbeschluß erhobenen Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die von der Rekurswerberin am Rande angeschnittene Frage nach einer allfälligen Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes ist zu verneinen. Der Kläger wurde durch seine Aufnahme als Kommanditist und die behauptete Bestellung zum Geschäftsführer zwar nicht gesetzlicher Vertreter der Kommanditgesellschaft, sodaß der Ausschluß der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2 ArbGerG auf ihn nicht zutrifft. Aber ebenso wie bei der Beteiligung an einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts (SZ 31/72) tritt ein mit der Geschäftsführung betrauter Kommanditist seiner Gesellschaft und den persönlich haftenden Gesellschaftern nicht im Abhängigkeitsverhältnis eines Dienstverpflichteten gegenüber, sondern er leitet das Recht und die Pflicht zur Geschäftsführung aus der vertraglichen Erweiterung seiner Gesellschaftsrechte ab (vgl. SZ 42/170 und BGHZ 17, 394). Es fehlt an Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder einer diesem ähnlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit des Klägers.
In der Sache selbst hat das Berufungsgericht die Spruchreife mit Recht verneint, wenn auch seiner Begründung nicht voll beigetreten werden kann.
Auszugehen ist davon, daß nach den Gesellschaftsverträgen die Geschäftsführung durch die persönlich haftenden Gesellschafter gemeinsam besorgt wird. Jede Änderung des Gesellschaftsvertrages bedurfte nach den §§ 119 Abs. 1 und 161 Abs. 2 HGB mangels einer gegenteiligen Bestimmung im Vertrag der Beschlußfassung aller Gesellschafter, also der Zustimmung auch der Kommanditisten (Hämmerle Handelsrecht II 61, Schlegelberger HGB[4] II, 1352, Schilling in RGR - HGB[3] II/2, 157), zumal eine Änderung des Gesellschaftsvertrages nicht zur Geschäftsführung (im Sinne des § 164 HGB) zählt (Hämmerle 15). Das gilt nicht nur für eine Bestellung des Klägers zum zusätzlichen Geschäftsführer, sondern auch für den Fall seiner Bevollmächtigung durch einen bisherigen Geschäftsführer mit der Vertretung in dessen Geschaftsführung. Denn die Geschäftsführung ist nach Art. 7 Nr. 5 der 4. EVZHGB im Zweifel, also mangels eines Gesellschafterbeschlusses, nicht übertragbar. Sie muß mit Rücksicht auf die besondere Bedeutung des wechselseitigen persönlichen Vertrauens der Gesellschafter grundsätzlich persönlich erfolgen, ausgenommen die bloße Übermittlung von Willensäußerungen durch einen Vertreter und die Verrichtung untergeordneter Tätigkeiten durch Hilfskräfte (SZ 41/162).
Ohne die erforderliche Mitwirkung der nach dem Gesellschaftsvertrag zur Beschlußfassung berufenen Gesellschafter gefaßte Beschlüsse sind gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern nichtig und nicht bloß anfechtbar (SZ 28/48). Die Vereinbarung vom 11. Jänner 1969, auf die der Kläger seinen Entlohnungsanspruch stützt, konnte daher hinsichtlich seiner Bestellung zum Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft und den übrigen Gesellschaftern nur unter der Voraussetzung ihrer Zustimmung wirksam werden. Dabei konnten die Gesellschafter allerdings jederzeit einverständlich (auch stillschweigend gemäß § 863 ABGB) von der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Schriftform wieder abgehen (EvBl. 1971/229). Nach der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichtes wurde überdies eine noch während des Verlassenschaftsverfahrens erteilte Zustimmung der Beklagten durch die nachträgliche Einantwortung an sie und ihre Eintragung als alleinige Komplementärin der Gesellschaften wirksam (SZ 22/152), und zwar ohne Rücksicht auf eine Willensänderung der Beklagten noch vor ihrer Eintragung ins Handelsregister, weil sie durch den Vertrag bereits gebunden und dieser bloß in bezug auf die Registereintragung in Schwebe war.
Bei Unwirksamkeit der Geschäftsführerbestellung ist im Zweifel auch der zwischen den Parteien vereinbarte Anspruch des Klägers auf das halbe Geschäftsführerentgelt weggefallen, weil diese als Geschäftsgrundlage der Entgeltzusage anzusehen ist. Der weiters geltend gemachte Schadensersatzanspruch wäre für diesen Fall nicht genügend konkretisiert.
Der Anspruch des Klägers ist daher vor den weiteren, vom Berufungsgericht bezeichneten Fragen in erster Linie davon abhängig ob die übrigen Gesellschafter (das sind die weiteren Kommanditisten Wilhelmine P und Lucia K) der Bestellung des Klägers zum weiteren Geschäftsfuhrer wenigstens im Sinne des § 863 ABGB zugestimmt haben. Das Erstgericht wird dies vor Erörterung der vom Berufungsgericht aufgeworfenen weiteren Fragen mit den Parteien zu erörtern (§ 182 ZPO) und im Bestreitungsfall Feststellungen hierüber zu treffen haben.
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