OGH 6Ob92/58

OGH6Ob92/5830.4.1958

SZ 31/72

Normen

ABGB §1175
Arbeitsgerichtsgesetz §1
ABGB §1175
Arbeitsgerichtsgesetz §1

 

Spruch:

Ein Streit zwischen den Partnern einer noch bestehenden oder schon aufgelösten Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht gehört nicht vor das Arbeitsgericht.

Entscheidung vom 30. April 1958, 6 Ob 92/58.

I. Instanz: Bezirksgericht Villach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Der Kläger ist Realitätenverwalter und Realitätenvermittler, befaßt sich aber schon seit Jahren auch mit der Führung von Buchhaltungen und der Erstellung von Bilanzen für kaufmännische Betriebe. Die Beklagte war seit etwa 1950 bei ihm angestellt und hauptsächlich mit Buchhaltungs- und Bilanzierungsarbeiten beschäftigt. Über Vorschlag des Klägers ließ sie sich zur Helferin in Steuersachen ausbilden und legte im Mai 1955 die entsprechende Prüfung ab. Die mit dem Besuch eines Kurses und der Ablegung der Prüfung verbundenen Kosten und Gebühren trug der Kläger.

Der Kläger brachte in der vorliegenden Klage vor, die Beklagte sei am 30. Juni 1955 als Angestellte aus seinem Betrieb ausgeschieden, habe sich mit ihm aber ab 1. Juli 1955 zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, in deren Rahmen Buchführungs-, Bilanz- und Steuerangelegenheiten für steuerpflichtige Betriebe erledigt werden sollten; zu diesem Unternehmen habe er die Büroeinrichtung, die Kanzleikräfte und den Kundenstock beigebracht, die Beklagte lediglich ihre Arbeitskraft; das Risiko für einen etwaigen Verlust und alle Betriebsauslagen habe er getragen; die Beklagte habe zunächst 30%, ab 1. November 1955 25% des Bruttoumsatzes zu erhalten gehabt; für den Fall ihres Ausscheidens vor dem 30. Juni 1957 habe sie sich verpflichtet, ihm die im Zusammenhang mit der Ablegung ihrer Prüfung entstandenen Barauslagen zu ersetzen; außerdem sei vereinbart worden, daß sie ihm für den Fall der Annahme von Klienten aus seinem vormaligen Kundenstock innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden das Zweijahreshonorar derselben inklusive Bilanzgelder bezahlen werde. Der Kläger machte nun geltend, daß die Beklagte am 15. Jänner 1957 aus der Arbeitsgemeinschaft ausgeschieden sei, ein selbständiges Büro als Helferin in Steuersachen eröffnet und dafür Klienten aus seinem Kundenstock abgeworben oder doch angenommen habe; vorbehaltlich weiterer Ansprüche begehrte er von ihr a) einen Betrag von 1945 S als Ersatz von Auslagen im Zusammenhang mit ihrer Prüfung und b) einen Betrag von 1200 S auf Grund der Konkurrenzklausel im Zusammenhang mit der Übernahme seines Klienten Dr. Hermann K., insgesamt also 3145 S s.

A.

Die Beklagte wendete u. a. ein, für diesen Prozeß sei das Arbeitsgericht zuständig; sie sei mit der Ablegung ihrer Prüfung Mitglied der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Landesstelle K., geworden; nach deren Richtlinien sei die Aufrechterhaltung des Angestelltenverhältnisses untersagt gewesen; mit dem Übereinkommen vom 1. Juli 1955 sollte die Beklagte nach außen die Stellung einer Gesellschafterin erhalten, in Wahrheit aber nach dem Parteiwillen das Angestelltenverhältnis weiterbestehen; im Vertrag seien auch Bestimmungen über Dienststunden, Unterordnungsverhältnis, Urlaub und Kündigung enthalten.

Der Erstrichter verwarf nach abgesonderter Verhandlung die Unzuständigkeitseinrede. Er sah als erwiesen an, daß die in Form eines Briefes der Beklagten an den Kläger festgehaltene Vereinbarung der Parteien vom 1. Juli 1955 dem wahren Willen der Parteien entsprach; die Beklagte sollte nicht mehr Angestellte, sondern Gesellschafterin des Klägers sein; die einzelnen Bestimmungen der Vereinbarungen stunden der Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses nicht entgegen; auch von einer arbeitnehmerähnlichen Stellung der Beklagten könne nicht gesprochen werden, weil ihr als Helferin in Steuersachen die im § 2 Abs. 1 letzter Satz ArbGerG. normierte wirtschaftliche Unselbständigkeit offenbar gefehlt habe.

Das Rekursgericht gab der Unzuständigkeitseinrede statt und wies die Klage mangels Stellung eines Überweisungsantrages seitens des Klägers zurück. Es vertrat den Standpunkt, daß es auf die im Schreiben vom 1. Juli 1955 festgehaltene Beendigung des Angestelltenverhältnisses und die Erklärung des Eintrittes der Beklagten beim Kläger als selbständiger Helferin in Buchführungs- und Steuersachen nicht ankomme; die weiteren Bestimmungen ließen nämlich erkennen, daß der Kläger nach wie vor das Unternehmerrisiko allein zu tragen hatte und die Beklagte weisungsgebunden war; daß die Beklagte kein Fixum bezog, sondern nur am Umsatz beteiligt war, sei nicht einmal mit einem Angestelltenverhältnis unvereinbar; man könne aber für die Frage der Zuständigkeit ohne weiteres das vom Kläger behauptete Gesellschaftsverhältnis gelten lassen, weil die Beklagte zumindest arbeitnehmerähnlich gewesen sei; die wirtschaftliche Unselbständigkeit ergebe sich aus der Beistellung der Betriebsmittel durch den Kläger und dem Entfall des Unternehmerwagnisses bei der Beklagten; diese sei laut Vertrag vom 1. Juli 1955 einem Angestellten jedenfalls viel näher gestanden als einem Unternehmer.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Da im vorliegenden Fall die für die Begründung des geltend gemachten Anspruches und die für die Begründung des angerufenen Gerichtes maßgebenden Umstände nicht zusammenfallen, sind die Unterinstanzen mit Recht im Sinne der ständigen Judikatur nicht bloß von den Klagebehauptungen ausgegangen, sondern haben auch die Einwendungen der Beklagten berücksichtigt; ihre Sachverhaltsfeststellungen sind für die Beurteilung der Zuständigkeitsfrage maßgebend.

Die Meinung des Rekursgerichtes, man könne sowohl das Zustandekommen eines Gesellschaftsverhältnisses zwischen den Parteien als auch die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes wegen Arbeitnehmerähnlichkeit der Beklagten bejahen, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu teilen. Ein Streit zwischen den Partnern einer noch bestehenden oder schon aufgelösten Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht - nur eine solche kommt hier in Betracht - gehört keinesfalls vor das Arbeitsgericht (vgl. Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren, S. 96 ff., insbesondere Anm. 46 und die dort angeführte Entscheidung 3 Ob 596/52). Eine Erwerbsgesellschaft liegt vor, wenn eine - sei es auch nur lose - Gemeinschaftsorganisation zum gemeinsamen Wirtschaftsbetrieb vereinbart ist, die jedem Partner gewisse Einwirkungs- oder Mitwirkungsrechte, wenigstens in den wichtigsten Angelegenheiten, gewährt (vgl. Wahle in Klang 2. Aufl. V 540 ff. zu § 1175 ABGB., SZ. XXIII 48, 7 Ob 318/57 u. a.). Das Ein- und Mitwirkungsrecht stempelt den Vertragspartner weit deutlicher zum Mitunternehmer als die Vereinbarungen über die Verteilung des Geschäftsrisikos. Ein Mindestmaß solcher Befugnisse muß auch dann bestehen, wenn von Seite des einen oder anderen Gesellschafters kein Beitrag zum Hauptstamm geleistet wird. Fehlt es überhaupt oder stellt sich die Gewährung solcher Befugnisse im Hinblick auf sonstige Vertragsbestimmungen als inhaltslose Form dar, liegt kein Gesellschaftsverhältnis vor.

Da festgestellt wurde, daß die Vereinbarung über die Beendigung des Angestelltenverhältnisses am 30. Juni 1955 und die Begründung der sogenannten Arbeitsgemeinschaft ab 1. Juli 1955, wie sie im Brief der Beklagten an den Kläger vom 1. Juli 1955 festgehalten ist, dem wahren Willen der Parteien entsprach, ist auf die Frage des Scheinvertrages bzw. des Zusammenhanges mit den Bestimmungen des am 30. Juni 1955 verlautbarten Gesetzes über das Berufsrecht der Wirtschaftstreuhänder, BGBl. Nr. 125/1955, insbesondere mit § 34 Abs. 2 lit. a über die Unvereinbarkeit der Tätigkeit eines Wirtschaftstreuhänders mit der eines gewerbsmäßigen Vermittlers und den Übergangsvorschriften des § 66, nicht weiter einzugehen.

Die Rechtsbeziehungen zwischen den beiden Parteien, wie sie im Schreiben vom 1. Juli 1955 festgelegt wurden, können nicht als Erwerbsgesellschaft qualifiziert werden, denn die Beklagte verpflichtete sich u. a., ausschließlich den Anordnungen des Klägers in jeder Beziehung Folge zuleisten. Damit ist der Eintritt in das als Wirtschaftstreuhänderkanzlei bezeichnete Unternehmen des Klägers, mag auch im Vertrag von einer "selbständigen Helferin in Buchführungs- und Steuersachen" die Rede sein, zur Begründung eines neuen Dienstverhältnisses geworden. Zwar ist im Punkt 9.) von einer "Gemeinschaft" die Rede, bezeichnenderweise heißt es aber im Punkt 12.), die Lösung "dieses Arbeitsverhältnisses" könne beiderseitig zu den dort angeführten Terminen erfolgen. Im Punkt 10 b) wird zwar die Möglichkeit der Werbung von Klienten durch die Beklagte berührt, aber nicht einmal darauf hatte sie ein Recht, denn im Fall einer Weisung, dies zu unterlassen, war sie durch Punkt 7.) der Vereinbarung auch in diesem Belang gebunden. Ob die Beklagte unterschriftsberechtigt war, selbst Honorare festsetzte und mit den Kunden verhandelte, ist unerheblich, weil es nur auf die Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis ankommt und hier die unbedingte Weisungsgebundenheit der Beklagten ausschlaggebend ist. Die im Punkt

7.) enthaltene Verpflichtung zur Einhaltung einer Mindestarbeitszeit von 48 Wochenstunden und die Regelung des Urlaubsanspruches nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes vervollständigen das Bild eines Dienstverhältnisses, an dem die Vereinbarung, das Entgelt solle nur aus der Umsatzbeteiligung bestehen, nichts ändert. Die Sache gehört daher vor das Arbeitsgericht.

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