Normen
HGB §106
HGB §116
HGB §125
HGB §171
HGB §176
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HGB §125
HGB §171
HGB §176
Spruch:
Zur Haftung des Kommanditisten im Konkurs der Gesellschaft.
Die ohne die erforderliche Mitwirkung der nach dem Gesellschaftsvertrag zur Beschlußfassung berufenen Gesellschafter gefaßten Beschlüsse sind nichtig und nicht bloß anfechtbar.
Der Masseverwalter kann im Konkurs der Gesellschaft den Mangel der erforderlichen Beschlußfassung durch Genehmigung des Beschlusses nicht sanieren.
Entscheidung vom 16. Februar 1955, 3 Ob 839/54.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Die O.-Film-Produktion und Vertrieb H. & A. KG. ist mit Gesellschaftsvertrag vom 8. Mai 1947 in der personellen Zusammensetzung mit Heinz H. und Lucien A. als offenen Gesellschaftern und Alois K., Louis Peter V., Theodor H. und Hilde P. als Kommanditisten gegrundet worden. In dieser Zusammensetzung war sie auch zur Zeit des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im Handelsregister des Landesgerichtes Innsbruck eingetragen.
Über das Vermögen der Kommanditgesellschaft wurde zu S 19/51 des Landesgerichtes Innsbruck das Konkursverfahren eröffnet. Das diesem vorangegangene Ausgleichsverfahren ist gemäß § 56 Z. 1 AO. eingestellt worden, nachdem dem am 21. Februar 1951 geschlossenen Ausgleich die Bestätigung versagt worden war.
Der Masseverwalter im Konkurs der O. stellt das Klagebegehren, den Beklagten zur Zahlung seiner rückständigen Kommanditeinlage in der Höhe von 165.739 S 70 g zu verurteilen. Er behauptete, der Beklagte sei mit Aufnahmevertrag vom 3. und 12. Oktober 1949 der Gesellschaft als Kommanditist mit einer Einlage von 310.000 S beigetreten; er habe bisher erst 144.269 S 30 g auf die Einlage eingezahlt.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil bei Unterfertigung der Vertragsurkunde vom 3. Oktober 1949 mit dem als Vertreter des Geschäftsführers H. handelnden, als Kommanditist und Prokurist in Aussicht genommenen Agraringenieur Viktor F. vereinbart worden sei, daß die Eintrittserklärung erst Wirkung haben solle, bis der Beklagte über einen größeren Betrag von einigen 100.000 S aus einem Rückstellungsanspruch verfügen könne. ln dem Gesellschaftsvertrag, der am 3. Oktober 1949 vor dem Notar Dr. S. in Innsbruck vom Beklagten und Viktor F., von dem geschäftsführenden und vertretungsbefugten Gesellschafter Heinz H. am 12. Oktober 1949 unterfertigt wurde, ist vorgesehen, daß sich der Beklagte mit einer Kommanditeinlage von 310.000 S beteiligt. Punkt 25 des Gesellschaftsvertrages bestimmt, daß mündliche Abmachungen neben den in diesem Vertrag niedergelegten Bestimmungen keine Gültigkeit haben. Unter dem 5. März 1950 richtete der Beklagte an die O. ein Schreiben, worin er den offenen Gesellschafter Heinz H. bittet, die mündliche Vereinbarung zwischen ihm und Viktor F. zu bestätigen, nämlich daß das ihm (Beklagten) anläßlich des vorläufigen Abschlusses des Vertrages vorbehaltene Rücktrittsrecht bezüglich seines Eintrittes als Kommanditist weiterhin vorbehalten bleibt, bis er aus der Liquidierung, d. h. dem Verkauf seiner M.-Aktien, in den Besitz der erwarteten Bargeldbeträge gekommen sein werde. Der geschäftsführende Gesellschafter Heinz H. hat diese gewünschte Bestätigung durch Unterfertigung der Kopie erteilt.
Am 25. September 1950 richtete der Beklagte an die O. ein Schreiben, worin er erklärt, von dem ihm vorbehaltenen Rücktrittsrecht bezüglich des Beteiligungsvertrages an der O. Gebrauch zu machen, und worin er weiter erklärt, daß dieser Vertrag nichtig sei.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren des Masseverwalters abgewiesen, das Berufungsgericht hat dieses Urteil bestätigt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Masseverwalters nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht ist zur Bestätigung des das Klagebegehren abweisenden Ersturteiles in erster Linie aus der Erwägung gelangt, daß der über die Aufnahme des Beklagten als Kommanditisten in die O. abgeschlossene Vertrag mangels Mitwirkung aller nach dem Gesellschaftsvertrag zur Beschlußfassung berufenen Gesellschafter nicht in Wirksamkeit habe treten können.
Dieser Mangel wäre allerdings auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes geeignet, die Nichtigkeit des Aufnahmevertrages herbeizuführen; es ist herrschende Lehre und Rechtsprechung, daß die ohne die erforderliche Mitwirkung von Gesellschaftern gefaßten Beschlüsse nichtig und nicht bloß anfechtbar sind.
Dagegen vermag sich der Oberste Gerichtshof der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht anzuschließen, daß der Masseverwalter allenfalls den erwähnten Mangel durch seine Genehmigung habe sanieren können. Diese Möglichkeit kann nicht in Betracht gezogen werden; denn mit der Eröffnung des Konkurses ist die Gesellschaft aufgelöst und können daher nicht mehr Maßnahmen getroffen werden, die den Bestand einer "werbenden" Gesellschaft voraussetzen. Nur das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das Konkursvermögen geht auf den Masseverwalter über, seine Vertretungsmacht ist durch den Konkurszweck begrenzt.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist aber die Frage, ob der Aufnahmebeschluß von allen zur Mitwirkung berufenen Gesellschaftern gefaßt wurde - die Unterfertigung des Vertrages durch alle Gesellschafter ist natürlich nicht erforderlich -, durch das Verfahren nicht in genügender Weise geklärt worden, um von der Beantwortung dieser Frage die rechtliche Beurteilung abhängig machen zu können.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes braucht aber das Urteil nicht aufgehoben und können weitere Feststellungen zu dem erwähnten Thema entbehrt werden, weil aus anderen rechtlichen Erwägungen die Urteile der Vorinstanzen bestätigt zu werden vermögen.
Der Masseverwalter kann nach der Konkurseröffnung den Kommanditisten unter zwei rechtlichen Gesichtspunkten in Anspruch nehmen: Er kann
1.) das fordern, was der Kommanditist im internen Verhältnis noch auf die Einlage schuldig ist, er kann 2.) das in Anspruch nehmen, was er im äußeren Verhältnis auf Grund der eingetragenen Haftsumme zu leisten hat (vgl. Reichsgerichtsräte-Kommentar 2. Aufl. S. 634 Anm. 38 zu § 171 HGB.).
Ob der Masseverwalter im Konkurse der Gesellschaft Rechte der Konkursgläubiger auf die Haftsumme geltend machen kann, wenn, wie hier, die Kommandite im Register nicht eingetragen ist, mag dahingestellt bleiben. Denn der Masseverwalter macht jedenfalls, das ist aus der Bezugnahme auf § 111 Abs. 1 HGB. zu schließen, auch die Einlagenforderung im internen Verhältnis geltend, und dazu ist er legitimiert.
Bei der rechtlichen Beurteilung ist davon auszugehen, daß nach der Feststellung des Berufungsgerichtes bei der Unterfertigung des Aufnahmevertrages ein in die Vertragsurkunde selbst nicht eingebauter Vorbehalt bezüglich des Eintrittes des Beklagten in die Gesellschaft bedungen worden ist, der seinen Niederschlag in der Urkunde vom 3. Oktober 1949 gefunden hat. Das Berufungsgericht geht weiter davon aus und grundet diese Annahme nicht nur auf den Inhalt von Urkunden, sondern auch auf andere Beweismittel, daß nach seinem Parteiwillen der Beklagte eine endgültige Bindung erst eingehen sollte, wenn er über die Gelder aus der Rückstellung des Hotels M. verfügen könnte. lm Rahmen der Rechtsrüge macht die Revision insbesondere geltend, daß die Auslegung der Abmachung vom 3. Oktober 1949 solcher Art, daß das "Rücktrittsrecht" im Sinne einer aufschiebenden Bedingung oder eines Vorvertrages gedeutet werde, den Regeln des redlichen Verkehrs, insbesondere aber den Auslegungsgrundsätzen der §§ 914, 915 ABGB. widerspreche, ferner daß das Berufungsgericht die Bestimmung des Punktes 25 des Gesellschaftsvertrages über die Unbeachtlichkeit mündlicher Abreden übersehen habe und daß es eine unrichtige Ansicht darüber habe, wer für die "Bedingung" beweispflichtig sei. Wird davon ausgegangen, daß der Vertrag noch nicht wirksam sein sollte und daß gleichzeitig mit der Unterfertigung des Vertrages eine dahingehende Vereinbarung getroffen wurde, so fallen die beiden ersten von der Revision gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes geltend gemachten Argumente in sich zusammen. Der dritte gegen das Berufungsurteil erhobene Einwand der Unrichtigkeit der Beweislastverteilung ist aber deshalb unbegrundet, weil das Berufungsgericht gar nicht ausgesprochen hat, es sei der Kläger für die Bedingung beweispflichtig, sondern nur ausgesprochen hat, daß er es für den Eintritt der Bedingung sei. Hätte der Kläger aber aus dem Eintritt der Bedingung seinen Anspruch abgeleitet, dann wäre er zweifellos hiefür beweispflichtig gewesen.
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