Normen
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 5
HGB §114
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 5
HGB §114
Spruch:
Die Vertretung in der Geschäftsführung durch einen Bevollmächtigten ist nur zulässig, wenn sie im Gesellschaftsvertrag oder durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Gesellschafter gestattet ist.
Entscheidung vom 27. November 1968, 5 Ob 249/68
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Streitteile vereinigten sich der Kläger und Karl S. mit Vertrag vom 12. Juni 1951 zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes mit dem Zweck des gemeinsamen Betriebes des unter dem Namen Karl S. geführten Handelsgewerbes. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind beide Gesellschafter an der Substanz sowie am Gewinn und Verlust des gemeinsamen Unternehmens je zur Hälfte beteiligt. Nach Punkt III des Vertrages ist einvernehmlich ein gemeinsamer Geschäftsführer zu bestellen. Im übrigen sollten die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches über die OHG. als Vertragsinhalt gelten.
In der vorliegenden Klage behauptet nun der Kläger, daß Karl S. zwar die Beklagte, seine Gattin, bevollmächtigt habe, ihn im gemeinsamen Unternehmen zu vertreten, daß die Beklagte aber weder Angestellte des Unternehmens noch sonst zu Verfügungen für dieses Unternehmen berechtigt sei. Dennoch bestellte sie gegen den Widerspruch des Klägers namens der Firma Waren, tätigte für diese Einkäufe und leiste aus dem Konto des Unternehmens Zahlungen. Der Kläger begehrte deshalb die Verurteilung der Beklagten, die Bestellung und den Einkauf von Waren sowie überhaupt jede Tätigkeit für das Einzelhandelsunternehmen Karl S. zu unterlassen.
Die Beklagte wendete ein, mit Vollmacht vom 19. Oktober 1963 von ihrem Gatten Karl S. beauftragt und bevollmächtigt worden zu sein, seine geschäftlichen Interessen als Gesellschafter der Firma zu wahren. Diese Bevollmächtigung sei dem Kläger mitgeteilt worden und er sei damit ausdrücklich, einverstanden gewesen. Schon vorher habe die Beklagte im gemeinschaftlichen Betrieb mit Wissen und Willen des Klägers die Geschäftsführung kontrolliert. Seit April 1964 führe sie auf Grund der ihr von Karl S. erteilten Vollmacht und mit Zustimmung des Klägers sämtliche Geschäfte des Unternehmens und bekleide damit faktisch die Stellung einer Geschäftsführerin. Der Kläger habe mehrfach betont, daß sich die Bestellung eines Geschäftsführers erübrige, weil die Beklagte die Geschäfte ausgezeichnet und im Interesse beider Parteien führe. Der Kläger habe der Beklagten für ihre Tätigkeit auch Diäten zugestanden. Seit 5. Dezember 1963 sei die Beklagte mit Zustimmung des Klägers gegenüber der Bankverbindung des Unternehmens alleinzeichnungsberechtigt. Nach dem Gesellschaftsvertrag sei jeder Gesellschafter geschäftsführungs- und vertretungsbefugt. Die der Beklagten von beiden Gesellschaftern eingeräumten Rechte könnten ihr durch einen gemeinschaftlichen Beschluß beider Gesellschafter wieder entzogen werden. Karl S. wünsche aber, daß die Beklagte die Geschäfte des Unternehmens weiterführe. Selbst wenn man auf dem Standpunkt stehe, daß die Beklagte nicht von beiden Gesellschaftern als Geschäftsführerin eingesetzt worden sei, sei ihre Tätigkeit für das Unternehmen jedenfalls durch die ihr von Karl S. erteilte Vollmacht gedeckt. Meinungsverschiedenheiten der beiden Gesellschafter könnten nach dem Vertrag nur vor einem Schiedsgericht ausgetragen werden. Die Beklagte sei somit hinsichtlich des vorliegenden Unterlassungsbegehrens keinesfalls passiv legitimiert.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm als erwiesen an, daß die der Beklagten erteilte Vollmacht, Beilage ./2, bisher nicht widerrufen worden sei, daß der Kläger der Beklagten aber keine schriftliche Geschäftsführerbefugnis eingeräumt habe. Die Beklagte habe durch ihre für das Unternehmen entwickelte Tätigkeit die ihr von Karl S. erteilte Vollmacht, deren Inhalt dem Kläger wahrscheinlich bekannt gewesen sei, nicht überschritten. Jedenfalls habe der Kläger gewußt, daß die Beklagte im Vollmachtsnamen ihres Gatten handle. Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, daß es nicht darauf ankomme, ob die Beklagte von beiden Gesellschaftern ausdrücklich oder stillschweigend zur Geschäftsführerin bestellt wurde, oder ob sie nur auf Grund der ihr von Karl S. erteilten Vollmacht als dessen direkte Stellvertreterin für das gemeinsame Unternehmen gehandelt habe. In jedem Falle könne der Kläger die Unterbindung der weiteren Tätigkeit der Beklagten nur dadurch erreichen, daß er seinen Vertragspartner dazu bringe, mit der Abberufung der Beklagten als Geschäftsführerin einverstanden zu sein oder die ihr erteilte Vollmacht zu widerrufen. Zur vorliegenden Klage fehle der Beklagten jedenfalls die Passivlegitimation. Ergänzend führte das Erstgericht noch aus, daß die Bestellung der Beklagten zur gemeinschaftlichen Geschäftsführerin nicht angenommen werden könne. Mangels eines anderen Geschäftsführers müßten aber eine oder mehrere Personen für das Unternehmen handeln, um dieses funktionsfähig zu erhalten. Es könnten daher die Vorschriften über die OHG. nur dann angewendet werden, wenn im Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich die Bestellung eines gemeinsamen Geschäftsführers vereinbart worden wäre. Falls diese Vorschriften aber dennoch anzuwenden seien, müßte im Hinblick auf die jahrelang ausgeübte Tätigkeit der Beklagten, der der Kläger zunächst zumindest stillschweigend zugestimmt habe, auch das Einverständnis des Klägers zur Übertragung der Geschäftsführerbefugnis des Karl S. auf seine Gattin im Sinne der Vorschrift des Artikels 7 Nr. 5 der 4. EVzHGB. angenommen werden.
Infolge Berufung des Klägers hob die zweite Instanz dieses Urteil auf und verwies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht war der Meinung, daß die vorliegende Unterlassungsklage zulässig und erfolgreich sein könnte, wenn es der Beklagten nicht gelinge, ihre Berechtigung zur Vornahme jener Rechtshandlungen nachzuweisen, deren Unterlassung begehrt werde und die sie zu tätigen zugebe. Die gegenüber der Bevollmächtigung der Beklagten durch ihren Gatten erhobene Einwendung des Klägers, daß nämlich Karl S. auf Grund des Gesellschaftsverhältnisses zur Übertragung seiner Gesellschafterrechte an dritte Personen nicht berechtigt gewesen sei, gehe fehl, weil durch den Mangel dieser Berechtigung die Gültigkeit der Vollmacht nicht berührt werde. Die allfällige Unzulässigkeit des Bevollmächtigungsvertrages könne der Kläger nur gegenüber seinem Vertragspartner als dem Vollmachtgeber geltend machen. Es sei daher entscheidend, zu welchen Handlungen die Beklagte von ihrem Gatten ermächtigt worden sei. Da die Parteien über den Inhalt dieser Vollmacht voneinander abweichende Behauptungen aufstellten, das Erstgericht aber nur die Urkunde Beilage ./2 berücksichtigt und die übrigen hiefür angebotenen Beweise nicht aufgenommen habe, sei das Verfahren mangelhaft geblieben. Es könne daher die allenfalls in den Ausführungen des Erstgerichtes, daß die Beklagte die ihr erteilte Vollmacht nicht überschritten habe, zu erblickende Feststellung über den Inhalt ihrer Vollmacht nicht übernommen werden. Im übrigen sei aus der Urkunde Beilage ./2 eine Bevollmächtigung der Beklagten zur Vertretung der Gesellschaft nach außen nicht zu ersehen. Die Bestellung und der Einkauf von Waren für die Gesellschaft seien aber nach außen wirkende Handlungen der Gesellschaft. Die Beklagte sei daher zur Vornahme dieser Handlungen namens der Gesellschaft durch die Urkunde Beilage ./2 allein nicht legitimiert. Es müsse aber durch die Aufnahme der weiteren Beweise geprüft werden, ob Karl S. der Beklagten etwa mündlich oder durch schlüssige Handlungen eine weitergehende Vollmacht erteilt habe, die ihre Handlungen, deren Unterlassung vom Kläger begehrt werde, ganz oder zum Teil decke. Dagegen bedürfe es nach der derzeitigen Aktenlage keiner Prüfung, ob eine gemeinsame Bestellung der Beklagten zur Geschäftsführerin erfolgt sei, da das Klagebegehren jedenfalls abzuweisen sei, wenn sich herausstelle, daß Karl S. der Beklagten Vollmacht zur Vornahme der nach dem Willen des Klägers zu unterlassenden Handlungen erteilt habe. Habe Karl S. dagegen eine solche Vollmacht nicht erteilt, dann könne auch keine gemeinsame Bevollmächtigung der Beklagten durch beide Gesellschafter vorliegen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach Art. 7 Nr. 5 der 4. EVzHGB. darf im Zweifel die Geschäftsführung einem Dritten nicht übertragen werden. Wie bereits in der Entscheidung HS. 1229 ausgeführt wurde, umschließt die Geschäftsführung alle diejenigen Geschäfte und Handlungen, die sich als Betätigung der gemeinsamen wirtschaftlichen Organisation in der Richtung auf den Gesellschaftszweck darstellen. Hiezu gehören Rechtsgeschäfte, aber auch rein tatsächliche Verrichtungen. Es zählen also zur Geschäftsführung sowohl Ein- und Verkauf von Waren, Anstellung und Kündigung des Personals, Buchführung, Unterweisung und Beaufsichtigung der Angestellten usw. Die Geschäftsführung ist grundsätzlich persönlich wahrzunehmen und nicht übertragbar. Der selbst zur Geschäftsführung befugte Gesellschafter kann sich in dieser Eigenschaft nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt für die Geschäftsführung im ganzen wie für einzelne Akte der Geschäftsführung. Der Gesellschaftsvertrag kann allerdings die Vertretung in der Geschäftsführung zulassen. Eine solche Vereinbarung kann natürlich auch stillschweigend erfolgen, insbesondere kann die wiederholte Zulassung einer solchen Vertretung in diesem Sinn gedeutet werden. Zu berücksichtigen ist jedenfalls, daß das Gesellschaftsverhältnis in besonderem Maß auf dem wechselseitigen persönlichen Vertrauen der Kontrahenten beruht. Unter diesem Gesichtspunkt sind die gesellschaftlichen Verpflichtungen zu würdigen. Auch ohne besondere Zulassung im Gesellschaftsvertrag ist die Vertretung bei jedem Rechtsakt möglich, wenn alle Gesellschafter damit einverstanden sind. Wohl zu unterscheiden von der Vertretung im Willen ist die bloße Übermittlung einer Willensäußerung durch einen Vertreter; diese ist grundsätzlich statthaft. Die also bestellte Person kann unter Umständen gegen den Grundsatz gegenseitigen Vertrauens verstoßen. In der Regel wird sich aus dem Vertrag oder aus den Umständen ergeben, daß der Geschäftsführer für untergeordnete Tätigkeiten Hilfskräfte heranziehen kann, ja sogar muß. Enthält der Vertrag darüber nichts, sind Art und Umfang des Geschäftes sowie Sitte und Lebensstellung der Gesellschafter zu berücksichtigen (vgl. Flechtheim in Düringer - Hachenburg, HGB.[3] § 114 Anm. 3, Baumbach - Duden, HGB.[17] § 114 Anm. 3 lit. B, Staub - Fischer Komm. zum HGB.[3] § 114 Anm. 3 und 9, Weipert in RGRKomm. zum HGB.[2] Anm. 6 zu § 114, Schlegelberger - Gessler HGB.[4] Anm. 8 ff. zu § 114, 2 Ob 547/52 = HS. Ergänzungsband Nr. 19).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist, soweit die Beklagte nicht durch beide Gesellschafter einverständlich zur Geschäftsführerin bestellt wurde oder dies nach den Umständen angenommen werden muß, die der Beklagten erteilte Vollmacht zu beurteilen. Insoweit diese Vollmacht die Beklagte zur Vornahme von Rechtshandlungen und Verrichtungen ermächtigte, die der Vollmachtgeber nach den vorstehenden Grundsätzen selbst vorzunehmen verpflichtet ist, hinsichtlich welcher also nach dem Gesetz eine Stellvertretung ausgeschlossen ist, kommt der Vollmacht insofern keine Wirksamkeit zu, als sich die Beklagte darauf gegenüber der Gesellschaft und dem Kläger nicht berufen kann. In einem solchen Fall würde die Vornahme von Rechtshandlungen und Verrichtungen namens der Gesellschaft durch die Beklagte, die auch nicht behaupten konnte, vom Gericht oder aus dem Gesetz die Befugnis erhalten zu haben, als eine nach § 1035 ABGB. verbotene Einmengung in das fremde Geschäft zu verstehen sein. Es kann daher jeder zur Geschäftsführung befugte Gesellschafter und somit auch der Kläger gegen eine solche Einmengung auftreten und, gestützt auf § 1035 ABGB., von der Beklagten die Unterlassung weiterer Einmengungen fordern. Hierzu bedarf es nicht der Heranziehung der Grundsätze der actio negatoria im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichtes. Es ist daher auch nicht notwendig, zu der vom Berufungsgericht angeführten Lehre und Rechtsprechung Stellung zu nehmen, nach der dem mit der actio negatoria belangten Störer, der behauptet, die Störung in Ausübung eines fremden Rechtes begangen zu haben, das Recht zustehe, sich gegen diese Klage mit der Benennung des "Auktors" zu schützen.
Es ergibt sich also für den vorliegenden Fall, daß zwar an der Passivlegitimation der Beklagten kein Zweifel besteht, daß aber das Unterlassungsbegehren des Klägers dann unbegrundet ist, wenn sich die Beklagte auf eine ihr von beiden Gesellschaftern ausdrücklich oder stillschweigend erklärte gemeinsame Bestellung zur Geschäftsführerin des Unternehmens zu berufen vermag. Soweit nur eine einseitige Bevollmächtigung der Beklagten durch deren Gatten festgestellt werden könnte, wird zu untersuchen sein, inwieweit nach den oben dargestellten Grundsätzen eine Zustimmung des Klägers zur Bevollmächtigung der Beklagten aus dem Vertrag oder aus den Umständen angenommen werden kann und soweit auch eine solche Zustimmung nicht erwiesen ist, inwieweit Karl S. nach den gegebenen Umständen der Beklagten eine der Gesellschaft und dem Kläger gegenüber wirksame Vollmacht zur Vornahme bestimmter Handlungen und Verrichtungen für die Gesellschaft an seiner Stelle erteilte und diese Vollmacht dem Unterlassungsbegehren des Klägers entgegensteht. Damit ist aber wieder die Frage nach dem Inhalt der der Beklagten erteilten Vollmacht zu stellen, während die Grundsätze des § 1016 ABGB. nur für die Rechtsfolgen der bereits getätigten Vertretungshandlungen der Beklagten gegenüber Geschäftspartnern der Gesellschaft in Frage kommen. Diese Rechtsfolgen sind jedoch hier nicht zu entscheiden.
Das Berufungsgericht hat daher mit Recht das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben. Im fortgesetzten Verfahren wird jedoch die vorstehend aufgezeigte Rechtslage entsprechend zu berücksichtigen sein.
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