OGH 7Ob273/07h

OGH7Ob273/07h23.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Engin‑Deniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei Gertraud S*****, vertreten durch Dr. Johannes Hock sen., Dr. Johannes Hock jun. Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2007, GZ 40 R 256/07d‑19, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Eine Anerkennung des Eintritts des Angehörigen in den Mietvertrag nach dem Tod des Mieters nach § 14 Abs 2 MRG durch den Vermieter ist regelmäßig weder erforderlich noch erzwingbar. Die Rechtsfolge des Eintritts vollzieht sich bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen kraft Gesetzes (RIS‑Justiz RS0102749). Für die Annahme eines konkludenten Kündigungsverzichts ist es notwendig, dass der Mieter weiß oder mit Recht aus dem Verhalten des Vermieters ableiten kann, dass dieser den Sachverhalt kennt, der eine Kündigung rechtfertigt (RIS‑Justiz RS0014423). Eine Erkundungspflicht trifft den Vermieter nicht (RIS‑Justiz RS0070551).

Dem Schreiben der Beklagten an die Hausverwaltung, mit dem der Tod des bisherigen Hauptmieters mitgeteilt wurde, kann hier nur der Erklärungswert beigelegt werden, dass das Vorliegen der Eintrittsvoraussetzungen durch den eintrittswilligen Angehörigen behauptet wird. Nimmt nun der Vermieter „nach Prüfung der Sach‑ und Rechtslage" den Eintritt der Beklagten in das Hauptmietverhältnis zur Kenntnis, liegt keine - gar nicht geforderte - ausdrückliche Erklärung des Vermieters vor, er werde unter allen Umständen auf die Überprüfung des Vorliegens der Eintrittsvoraussetzungen verzichten, wenn ihm kein Umstand bekannt war, der das Fehlen auch nur indizieren hätte können (vergleichbarer Fall: 4 Ob 22/05x).

Das Berufungsgericht, das diese Frage gegenteilig gelöst hat, ist insofern von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs abgewichen. Weil diese Rechtsfrage aber aus folgenden Gründen nicht entscheidungsrelevant ist, liegt dennoch keine erhebliche Rechtsfrage vor.

Der Oberste Gerichtshof vertritt nunmehr in ständiger Rechtsprechung zur Frage der Dringlichkeit des Wohnbedürfnisses eintrittswilliger naher Angehöriger im Sinn des § 14 Abs 3 MRG die Rechtsansicht, dass die Dringlichkeit davon abhängt, ob der Eintrittswerber über eine eigene Wohnung verfügt, die er schon früher bewohnt hat, oder ob er auf eine andere Wohnung, auf die dies nicht zutrifft, verwiesen werden soll. Nur im ersteren Fall ist auf die „unbedingte Notwendigkeit" abzustellen, den beim Tod des Mieters gegebenen Zustand zu belassen; andernfalls muss es sich bei der anderen Wohnung um eine ausreichende und gleichwertige (rechtlich abgesicherte) Wohnmöglichkeit handeln (RIS‑Justiz RS0069957, RS0069974, RS0068334). Bei der Beurteilung kommt es immer auf die Gesamtheit der Umstände im Einzelfall unter Einschluss sowohl der rechtlichen als auch der tatsächlichen Verhältnisse an (5 Ob 70/06i, 4 Ob 237/05i, 10 Ob 103/00w). Wenn auch grundsätzlich das dringende Wohnbedürfnis der Eintrittsberechtigten nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Todes des bisherigen Mieters zu beurteilen ist, so müssen nachträgliche Änderungen jedoch insoweit berücksichtigt werden, als sie zum Zeitpunkt des Todes des Mieters für die nächste Zeit zu erwarten waren; nur auf ungewisse, in der Zukunft liegende Verhältnisse ist bei der Beurteilung des dringenden Wohnbedürfnisses nicht Bedacht zu nehmen (RIS‑Justiz RS0069970). Eine Eigentumswohnung, die zum Zeitpunkt des Todes des Mieters auf bestimmte Zeit vermietet war, wobei aber verlässlich beurteilt werden kann, dass sie in absehbarer Zeit wieder zur freien Verfügung steht, ist bei der Beurteilung eines dringenden Wohnbedürfnisses zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0069802).

Dauert der Mietvertrag hinsichtlich der im Eigentum der Beklagten stehenden Eigentumswohnung im Zeitpunkt des Todes also noch ca sechs Monate an, so ist auf sie als Wohnmöglichkeit Bedacht zu nehmen. Steht im Zeitpunkt des Todes des Mieters schon fest, dass die Beklagte seine Eigentumswohnung als Alleinerbin erben wird, ist auch diese Wohnmöglichkeit bei der Beurteilung eines dringenden Wohnbedürfnisses zu berücksichtigen.

Die Beklagte bewohnte seit ca 1975 mit ihrem am 21. 7. 1995 verstorbenen Adoptivvater die etwa 140 m² große Wohnung, in der sie seit damals ihren Lebensmittelpunkt hat. Dem gegenüber stand der Beklagten im Zeitpunkt des Todes des Mieters eine 40 m² große Eigentumswohnung im selben Wiener Gemeindebezirk gelegen und die von ihrem Adoptivvater geerbte 52 m² große Garconniere in Baden zur Verfügung. Ausgehend von der dargelegten Judikatur kann in einer 40 m2 bzw 52 m² großen Garconniere keine mit einer 140 m² großen Wohnung vergleichbare ausreichende Wohnmöglichkeit gesehen werden, zumal die Beklagte bis zum Zeitpunkt des Todes des bisherigen Hauptmieters rund 20 Jahre in der gegenständlichen Wohnung lebte.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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