OGH 7Ob23/12a

OGH7Ob23/12a28.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 24.295,96 EUR (sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. Oktober 2011, GZ 6 R 344/11t-30, mit dem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 22. Juni 2011, GZ 2 Cg 49/09z-26, infolge Berufung der klagenden Partei bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.400,04 EUR (darin enthalten 233,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht hat die Revision zunächst für nicht zulässig erklärt, weil es sich an der Entscheidung 10 Ob 113/07a orientieren habe können, die ebenfalls die Aufrechterhaltung der Unterbrechungswirkung nach einer in Deutschland erfolgten Abweisung (soll heißen Zurückweisung) einer Klage wegen Fehlens der internationalen Zuständigkeit zum Gegenstand gehabt habe. Auf Antrag der Klägerin (§ 508 Abs 1 ZPO) änderte das Berufungsgericht seinen betreffenden Ausspruch dahin ab, dass die Revision doch zulässig sei. Die Frage, unter welchen konkreten Umständen im Fall der Zurückweisung einer Klage in Deutschland von einer umgehenden Neueinklagung ausgegangen werden könne, sei in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht erörtert worden.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem, nach § 508 Abs 1 ZPO den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch ist eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zu beantworten. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Klägerin hat die Klagsforderung auf zwei Anspruchsgründe gestützt: Zum einen auf einen vertraglichen Anspruch des von ihr als B***** D***** bezeichneten Frächters und des ersten Subfrächters B***** A***** GmbH gegen die Beklagte, den ihr die Genannten abgetreten hätten. Zum anderen auf (von ihr als deliktisch bezeichnete) Ansprüche der Absender (Gesellschaften der sogenannten „S*****-Gruppe“) gegen die Beklagte, die infolge Regulierung durch deren Transportversicherer G***** VvaG (im Folgenden Transportversicherer), deren Rechtsnachfolger sie sei, gemäß § 67 VVG aF auf sie übergegangen seien.

Wie das Erstgericht hat auch das Berufungsgericht die Berechtigung aller Ansprüche verneint. Es hat hinsichtlich des vom Frächter und ersten Subfrächter angeblich an die Klägerin abgetretenen Anspruchs Verjährung angenommen. Ob die Geltendmachung dieses Anspruchs, wie das Erstgericht meinte, schon mangels wirksamer Abtretung scheitere, könne daher dahingestellt bleiben; es müsse demnach die vom Erstgericht nicht relevierte Frage einer konkludenten Annahme der Abtretungserklärungen durch die Klägerin nicht weiter erörtert werden. Hinsichtlich der angeblich auf sie übergegangenen Ansprüche der Absender sei die Klägerin nicht aktiv klagslegitimiert, weil sie nicht nachgewiesen habe, tatsächlich infolge Übertragung des Versicherungsvertrags Rechtsnachfolgerin des Transportversicherers zu sein.

Die (nur) hinsichtlich der abgetretenen Ansprüche sohin relevante Frage der Verjährung hängt davon ab, ob nach den vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 10 Ob 113/07a (vgl auch 17 Ob 9/11i) aufgestellten Kriterien durch die beim unzuständigen Landgericht Essen von der Klägerin gegen die Beklagte eingebrachte Klage die Unterbrechung der Verjährung bewirkt wurde und ob die Unterbrechung durch die vorliegende Klagserhebung aufrecht blieb. Diese Kriterien sind, dass die Klage im Ausland nicht bei einem „offenbar unzuständigen“ Gericht eingebracht wurde und damit die Verjährungsunterbrechung eintrat und dass die Neueinklagung im Inland unverzüglich nach der Zurückweisung erfolgte (RIS-Justiz RS0123216). Ob Letzteres zutrifft, also das Verfahren im Sinn des § 1497 ABGB „gehörig fortgesetzt“ wurde, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RIS-Justiz RS0034710 [T16]; RS0034805 [T6]; RS0034765 [T1]). Welche Frist für die Neueinklagung in diesem Sinn noch als „unverzüglich“ qualifiziert werden kann, lässt sich daher nicht generell, sondern nur einzelfallbezogen beantworten. Diese Frage ist daher nur dann revisibel, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die aus Gründen der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu:

Das Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs vom 20. 11. 2008, I ZR 70/06, mit dem die Unzuständigkeit des Landgerichts Essen jedenfalls hinsichtlich des der Klägerin angeblich abgetretenen Anspruchs feststand, kam den Anwälten der Klägerin spätestens am 15. 1. 2009 zu. Am 4. 5. 2009 beauftragten die deutschen Rechtsanwälte der Klägerin den österreichischen Klagevertreter, Klage in Österreich zu erheben, worauf die vorliegende Klage am 19. 5. 2009, also mehr als vier Monate nach Zustellung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, eingebracht wurde. Damit kann im Hinblick auf die sachlichen, rechtlichen und örtlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falles unter Bedachtnahme auf die bereits im Beschluss über den Antrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO vom Berufungsgericht angeführten Umstände (keine Sprachbarriere, Verwandtheit der Rechtsordnungen, einfache Zugänglichkeit der Rechtsquellen) in dessen Ansicht, die Neueinklagung sei nicht „unverzüglich“ bzw „umgehend“ im Sinn der Entscheidung 10 Ob 113/07a erfolgt, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Verkennung der Rechtslage erblickt werden. Wie in der genannten Entscheidung wäre auch im vorliegenden Fall nach den festgestellten Umständen die Neueinklagung innerhalb einer etwa einmonatigen Frist noch als rechtzeitig anzusehen gewesen.

Da eine mit der Klagseinbringung beim Landgericht Essen allenfalls bewirkte Verjährungsunterbrechung bereits mangels unverzüglicher Neueinklagung im Inland jedenfalls nicht aufrecht blieb, muss nicht weiter erörtert werden, ob die - von der Beklagten ebenfalls bestrittene - „Grundvoraussetzung“ für eine Unterbrechungswirkung, nämlich dass das Landgericht Essen nicht von vorne herein als offenbar unzuständig anzusehen war, überhaupt vorlag.

Ist der Verjährungseinwand hinsichtlich des abgetretenen Anspruchs berechtigt, kann die Frage der Wirksamkeit der Abtretung dahingestellt bleiben, sodass sich auch in diesem Zusammenhang keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellen. Auf die diesbezüglichen Mängelrügen ist daher nicht weiter einzugehen.

Ins Leere geht auch der von der Klägerin weiters erhobene Einwand, jedenfalls die auf sie übergegangenen „deliktischen“ Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht zu haben. Diese Ansprüche wurden nicht wegen Verjährung, sondern mangels aktiver Klagslegitimation abgewiesen, da die Klägerin die von ihr behauptete Übertragung der betreffenden Versicherungsverhältnisse auf sie nicht nachgewiesen hat. Ein von der Revisionswerberin dem Berufungsgericht (auch) in diesem Zusammenhang vorgeworfener Anleitungsmangel nach § 182a ZPO liegt nicht vor. Die Beklagte hat das Vorbringen der Klägerin, zufolge Übertragung des Transportversicherungsvertrags Rechtsnachfolger des Transportversicherers zu sein, wiederholt ausdrücklich bestritten. Die Klägerin konnte daher nicht davon ausgehen, ihre Aktivlegitimation, insbesondere auch hinsichtlich der ihr übertragenen Ansprüche, sei bereits geklärt.

Eine Aktenwidrigkeit liegt nur bei einem Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und der darauf beruhenden Tatsachenfeststellung im Urteil vor, der nicht das Ergebnis eines richterlichen Werturteils ist, wobei dieser Widerspruch einerseits wesentlich, andererseits unmittelbar aus den Akten ersichtlich und behebbar sein muss (7 Ob 93/09s uva). Rechtliche Folgerungen des Berufungsgerichts können eine Aktenwidrigkeit daher nicht verwirklichen (7 Ob 60/09p uva). Eine Aktenwidrigkeit wird demnach von der Revisionswerberin, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO), nicht aufgezeigt.

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO sind daher nicht gegeben, weshalb die Revision der Klägerin zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihrer Prozessgegnerin hingewiesen, die ihr daher die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat.

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