OGH 7Ob22/99g

OGH7Ob22/99g9.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Dr. Huber und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Unterbringungssache "dzt. Jugendliche PatientInnen der Jugendpsychiatrischen Station im offenen Bereich der I. Psychiatrischen Abteilung an der Landesnervenklink Salzburg, 5020 Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 79", infolge Revisionsrekurses der Patientenanwälte Mag. Christine L*****, Dr. Günther F***** und Mag. Peter S*****, sämtliche p.A. Patientenanwaltschaft, Geschäftsstelle Salzburg, 5020 Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 79, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 23. Dezember 1998, GZ 21 R 574/98b-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 26. November 1998, GZ 35 Ub 525/98x, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Zunächst per Fax und dann mittels Bestätigungsschriftsatzes stellten die drei aus dem Kopf ersichtlichen Patientenanwälte der Patientenanwaltschaft des Vereins für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, Geschäftsstelle Salzburg, am 23./25. 11. 1998 den Antrag an das Erstgericht, die durch das Versperrthalten des offenen Bereiches der Jugendpsychiatrischen Abteilung in der Landesnervenklink Salzburg "derzeit" nach dem UbG untergebrachten (namentlich nicht im einzelnen genannten) Jugendlichen durch Einleitung des Unterbringungsverfahrens auf deren Zulässigkeit hin zu prüfen. Zur Begründung wurde vorgebracht, daß sich im Zusammenhang mit einem (anderen) Unterbringungsverfahren betreffend Birgit P***** die Notwendigkeit ergeben habe, die Stationstür im genannten Bereich für einen inzwischen über eine Woche (gerechnet ab dem 16. 11. 1998) andauernden Zeitraum aufräumungs- und umbaubedingt versperrt zu halten, wobei freilich "jemand vom Stationspersonal" bei der Türe sitzen und anderen Jugendlichen, auf deren Wunsch hin, diese Türe öffnen würde. Nach der Erstanhörung der genannten Patientin samt Zulässigerklärung ihrer Unterbringung sei diese Stationstür jedoch auf ärztliche Anweisung am 16. 11. 1998 versperrt worden, sodaß seither die gesamte Station der Jugendpsychiatrie als geschlossene Abteilung geführt werde; die sich auf dieser Station befindlichen Jugendlichen hätten als "ohne Verlangen untergebracht" zu gelten, sofern nicht für diese eine sog. "Unterbringung auf Verlangen" mit entsprechender Erklärung und die Unterbringungsvoraussetzungen bescheinigenden fachärztlichen Zeugnissen vorlägen. Tatsächlich stünden diese getroffenen Maßnahmen aber ausschließlich nur im Zusammenhang mit den organisatorischen und räumlichen Bedingungen der Station, ohne daß ihr Zweck der Gefahrenabwehr bei den betroffenen Jugendlichen diene.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung zurück, daß eine generelle Überprüfung der Jugendpsychiatrischen Station, ob die Eingangstür dort immer versperrt sei und daher sämtliche Patienten dieser Station untergebracht im Sinne des UbG seien, diesem Gesetz fremd sei; das Gericht sei lediglich dazu berufen, Einzelfälle bezogen auf eine bestimmte Person und Situation konkret zu prüfen, ob die Grundrechte im Sinne des UbG durch die Stationierung und Behandlung eines Patienten durch die Ärzte in einer psychiatrischen Anstalt oder Abteilung eingehalten würden bzw eine derartige Maßnahme zulässig sei. Mangels eines im Sinne des UbG bestimmten, spezifizierten und konkretisierten Rechtsschutzgesuches sei der Antrag daher zurückzuweisen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Patientenanwälte nicht Folge und sprach (unter Hinweis auf das Fehlen einschlägiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung) aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte in rechtlicher Hinsicht - zusammengefaßt - aus, daß der vorliegenden Antrag tatsächlich einer meritorischen Behandlung schon deshalb nicht zugänglich sei, weil die Patienten, hinsichtlich derer die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens nach UbG begehrt werde, nicht ausreichend individualisiert seien, wobei schon aus Gründen der Wahrnehmung der Vertretungsbefugnis durch die Patientenanwälte sich eine namentliche Anführung der untergebrachten Patienten, hinsichtlich derer die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens begehrt werde, als unumgänglich erweise. Der Antrag stelle sich daher in Wahrheit als Feststellungsbegehren dar, ob die Jugendpsychiatrische Station - abstrakt gesehen - durch das Versperrthalten der Zugangstür als geschlossener Bereich bzw als solcher, in dem die Patienten sonst Beschränkungen in ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen würden, zu qualifizieren sei. Ein derartiges Feststellungsbegehren sei jedoch im Gesetz nicht vorgesehen. Auch nach den §§ 33 ff UbG liege keine Entscheidungskompetenz vor, weil bereits aufgrund des Antragsvorbringens nicht über die Zulässigkeit von Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Patienten auf einen Raum oder innerhalb eines Raumes abzusprechen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Patientenanwälte wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den bekämpften Beschluß zur Gänze "zu beheben und zur Sachentscheidung an das Landes- bzw Bezirksgericht zurückzuverweisen".

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 14 Abs 1 AußStrG), jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß die Rechtsmittelwerber nach § 14 Abs 1 UbG zufolge behaupteter Unterbringung von (wenngleich nicht namentlich genannten) Kranken in der genannten Klinikstation ohne deren Verlangen kraft gesetzlicher Vertretung derselben auch grundsätzlich rechtsmittellegitimiert sind. Auf das einseitige (EvBl 1994/4) Rekursverfahren finden dabei die Vorschriften der §§ 13 ff AußStrG Anwendung (RV 464 BlgNR 17. GP, 27; EvBl 1994/4).

Auch wenn das AußStrG eine Reihe von unterschiedlichen Bezeichnungen für die am Verfahren beteiligten Personen kennt (Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren2 Rz 29), so ist doch anerkannt, daß auch in diesem Zweig der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen (§ 1 JN) nur parteifähige Subjekte als Verfahrensbeteiligte auftreten und ua Anträge stellen können. Bezüglich dieses allgemein als Prozeßvoraussetzung verstandenen Erfordernisses (Fasching, LB2 Rz 337) gelten auch in Außerstreitsachen - trotz ihrer gegenüber dem streitigen Verfahren größeren "Geschmeidigkeit" (Edlbacher, MGA Verfahren Außerstreitsachen2 Anm 3 zu § 2) - die Grundsätze der ZPO (Mayr/Fucik, Verfahren Außerstreitsachen, Rz 9 aE zu § 2). Parteifähig in diesem Sinne sind vor allem alle physischen Personen (bis zu ihrem Tod); für Personenmehrheiten gilt dies nur, sofern es sich um solche handelt, denen das Gesetz zwar nicht den Status einer juristischen Person, aber dennoch Parteifähigkeit (ausdrücklich) zugesonnen hat (Fasching, aaO Rz 335; Fucik in Rechberger, ZPO Rz 5 vor § 1). Ein völlig anonymer, nicht namentlich identifizierter und - wie hier durch die vorangestellte Bezeichnung "dzt." (= "derzeit") noch dazukommt - von einem (mehr oder weniger ständigen) Wechsel betroffener Personenkreis von nur als Individuum parteifähigen Einzelpersonen kann diese auch im außerstreitigen Verfahren erforderliche "Prozeß"-voraussetzung für sich nicht beanspruchen. So wie der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen 5 Ob 2246/96x (SZ 69/215 = JBl 1997, 306x) und 4 Ob 239/97v (NZ 1998, 241) ausgesprochen hat, daß einem Personenkollektiv "jedermann" keine Rechts- und damit Parteifähigkeit zukomme (idS auch 2 Ob 205/98f: fehlende Parteifähigkeit einer als "unbekannte Anleger" bzw Eigentümer der Investmentgruppe ....." bezeichneten Personenmehrheit), muß dies auch für das hier als Antragsteller auftretende Patientenkollektiv gelten. Eine solche Personenmehrheit von zahlen- und personenmäßig völlig unbestimmten "derzeitigen Jugendlichen" kann daher nicht als befugter Antragsteller auftreten. Auch das Gesetz (§ 14 Abs 1 UbG) geht erkennbar davon aus, wenn es zwar dem Patientenanwalt die Vertretung kraft Gesetzes (Hopf/Aigner, UbG 49) ohne Verlangen untergebrachter Kranker überträgt, jedoch im nächsten Satz ausdrücklich Regelungen zur (weiterhin aufrechten) Geschäftsfähigkeit und Vertreterbestellungsbefugnis "des Kranken" trifft; auch in den weiteren Absätzen des § 14 sowie den §§ 15, 16 spricht das UbG ausschließlich personenbezogen vom jeweils betroffenen "Kranken" und auch § 19 Abs 1 leg cit ordnet an, daß sich das Gericht binnen 4 Tagen ab Kenntnis von der Unterbringung einen persönlichen Eindruck "vom Kranken" (also einer konkreten, durch die Maßnahme betroffenen Person und nicht eines bloß abstrakt-anonymen Kollektivs solcher Personen) einen persönlichen Eindruck in der Anstalt zu verschaffen hat; nach § 26 Abs 1 zweiter Satz UbG ist der Beschluß (über die Zulässigkeit der Unterbringung) in der mündlichen Verhandlung "in Gegenwart des Kranken" zu verkünden, zu begründen und diesem zu erläutern. Schließlich sind auch die Anordnung der Verständigungspflicht des Gerichtes durch den Abteilungsleister in § 17 UbG ("Wird eine Person ....") sowie § 18 UbG betreffend den Gegenstand des Verfahrens ("Über die Zulässigkeit der Unterbringung des Kranken ....") vom Gesetzgeber ausdrücklich und bewußt personenbezogen gefaßt. Dadurch soll gewährleistet werden, daß der (jeweilige) Kranke - und nicht ein unbestimmtes Patientenkollektiv schlechthin - als Beteiligter in das Verfahren einbezogen wird (RV 464 BlgNR 17. GP, 26 zum UbG). Damit steht auch nicht die allgemein gehaltene und gleichsam plakativ bereits in § 1 dem Gesetz vorangestellte Umschreibung des besonderen Schutzes der Persönlichkeitsrechte in Widerspruch, weil es sich hier zwar um eine Bestimmung mit programmatischem Charakter (Kopetzki, Unterbringungsrecht II 439) handelt, deren nähere Ausführungen jedoch - wie gezeigt - in den folgenden Paragraphen jeweils auf die Schutz- und Interessenssphäre sowie die Menschenwürde einzelner betroffener Kranker abstellen. Wieso die Patientenanwälte hier gehindert gewesen sein sollten, so wie im Falle der Patientin Birgit P***** auch bezüglich der übrigen behaupteten Untergebrachten namensbezogene Anträge an das Gericht zu stellen bzw dieses im Sinne des § 17 UbG zu verständigen, bleibt hiebei unerfindlich und wird auch von den Rechtsmittelwerbern nicht schlüssig und nachvollziehbar begründet. Sie haben vielmehr bereits im Rekurs den Standpunkt vertreten, hiezu nicht (gesetzlich) verpflichtet zu sein, weil sie eben "sämtliche" ("derzeit") betroffenen Personen der genannten Station damit erfassen wollten, sodaß es (nach ihrer, von den Vorinstanzen und auch dem Obersten Gerichtshof nicht geteilten Auffassung) eben nicht der Einleitung entsprechender Unterbringungsverfahren betreffend jedes einzelnen jugendlichen Patienten bedürfe, und beharren darauf auch im Revisionsrekurs, welche Ansicht der Oberste Gerichtshof jedoch aus den vorstehenden Erwägungen nicht zu teilen vermag.

Damit haben aber die Vorinstanzen das gestellte Begehren zutreffend zurückgewiesen. Auch aus den umfangreichen dogmatischen Ausführungen Kopetzkis (aaO 621 ff) zum gerichtlichen Unterbringungsverfahren läßt sich für den Standpunkt der Rechtsmittelwerber nichts Stichhaltiges ableiten. Nur der Vollständigkeit halber seien diese abschließend auch noch darauf hingewiesen, daß der Oberste Gerichtshof überdies in der Entscheidung 2 Ob 511/93 (EvBl 1994/4) mit eingehender Begründung ausgesprochen hat, daß ein Beschluß über das Vorliegen bloß einer "de facto" Unterbringung ab einem bestimmten Zeitpunkt durch das UbG (ebenfalls) nicht gedeckt ist, weil damit nicht über die Zulässigkeit einer (gleichfalls nur konkreten, personenbezogenen) Unterbringung abgesprochen, sondern lediglich festgehalten werden soll, daß allenfalls Verständigungspflichten durch die Anstalt an das Gericht verletzt wurden; für einen bloß "feststellenden" Beschluß, es habe sich um eine "de facto" Unterbringung gehandelt, ohne auch über die Zulässigkeit einer Unterbringung konkret abzusprechen, bietet nämlich das Gesetz keine Grundlage. Dieser Hinweis erscheint hier deshalb angebracht, weil nach den Erhebungen des Obersten Gerichtshofes nach Vorlage der Akten der behauptete Zustand (nämlich Versperrung der gesamten Jugendpsychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik Salzburg) lediglich in der Zeit vom 16. 11. bis 23. 12. 1998 sowie vom 5. bis 18. 1. 1999 bestand, weshalb die Ausführungen in der zitierten Entscheidung des zweiten Senates, denen sich auch dieser Senat anschließt, auch hier zur Anwendung kommen können. Schließlich steht dieses Ergebnis auch nicht mit der im Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 7 Ob 639/91 (SZ 65/9) betreffend Unterbringung in einem nur auf Verlangen und mittels eines Dreikantschlüssels zu öffnenden und damit im Sinne des UbG geschlossenen Stationsbereich der Universitätsklinik für Psychiatrie in Innsbruck in Widerspruch, weil auch dieser Entscheidung die Zulässigkeitsprüfung nur hinsichtlich eines bestimmten, von dieser Maßnahme konkret betroffenen Patienten und nicht eines nur unbestimmt umschriebenen Patientenkollektivs zugrundelag.

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