OGH 7Ob639/91

OGH7Ob639/9116.1.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Unterbringungssache des Reinhold L*****, infolge Revisionsrekurses des stellvertretenden Abteilungsleiters der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 29. November 1991, GZ 3 b R 181/91-6, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 25. November 1991, GZ 4 Ub 87/91-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Reinhold L***** befindet sich in dem früher als

Innenstation - nunmehr Südstation - bezeichneten Stationsabschnitt der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck. Die Tür dieser Station hat innen keine Türklinke. Zur Öffnung der Tür von innen ist ein Dreikantschlüssel erforderlich. Die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 3 UbG liegen bei Reinhold L***** nicht vor. Eine Verständigung des Gerichtes von der Aufnahme erfolgte nicht, weil nach Ansicht des Vertreters des mit der Führung der Abteilung betrauten Arztes Reinhold L***** nicht in einem geschlossenen Bereich angehalten und auch sonst keinen Beschränkungen seiner Bewegungsfreiheit unterworfen werde. Den Patienten der Südstation werde auf ihr Verlangen durch das Personal in zumutbarer Zeit das Öffnen der Tür von innen jederzeit gewährt.

Das Erstgericht leitete auf Grund einer Mitteilung des Patientenanwaltes das Verfahren über die Zulässigkeit der Unterbringung ein und erklärte die Unterbringung des Reinhold L***** für unzulässig.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des stellvertretenden Abteilungsleiter ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 12 Abs.1 der RV betreffend das Bundesgesetz über die Rechtsfürsorge für psychisch Kranke in Krankenanstalten sollte sich das Gericht binnen vier Tagen ab Einlangen der Verständigung vom Kranken einen persönlichen Eindruck verschaffen. Die Worte "ab Einlangen der Verständigung" wurden vom Gesetzgeber in dem an die Stelle des § 12 Abs.1 der Regierungsvorlage getretenen § 19 Abs.1 UbG durch die Worte "ab Kenntnis von der Unterbringung" ersetzt. Diese Änderung beruht, worauf schon das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat, auf der Erwägung, daß das Gericht - anders als nach § 12 Abs.1 der Regierungsvorlage - nicht nur binnen 4 Tagen ab der Verständigung durch den Abteilungsleiter, sondern allgemein ab der Kenntnis von der Unterbringung die Anhörung durchführen soll. Das Verfahren zur Überprüfung der Zulässigkeit der Unterbringung soll von Amts wegen eingeleitet werden, sobald das Gericht, von wem auch immer, von der Aufnahme des Kranken erfährt (1202 Blg.NR 17. GP 8). Die Einleitung des Verfahrens von Amts wegen entspricht auch dem Rechtsfürsorgecharakter des Verfahrens zur Überprüfung der Zulässigkeit der Unterbringung. Da es somit nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers nicht darauf ankommt, von wem das Gericht von der Aufnahme des Kranken erfahren hat, sind Erörterungen darüber entbehrlich, ob eine Verständigung des Gerichtes zum Aufgabenkreis des Patientenanwaltes gehört. Die Einleitung des Verfahrens war, entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers jedenfalls gesetzmäßig.

Beizupflichten ist den Vorinstanzen auch darin, daß es sich bei der Südstation der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck um einen geschlossenen Bereich im Sinne des § 2 UbG handelt. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, liegt ein solcher bei einem ständig - und nicht bloß während der Nachtstünden - versperrten Zimmer vor (464 Blg.NR 17. GP 20). Der Umstand, daß den Patienten der Südstation auf ihr Verlangen durch das Personal in zumutbarer Zeit das Öffnen der Tür von innen gewährt wird, ändert, entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers, nichts daran, daß die Aufnahme eines Patienten in die Südstation eine Unterbringung im Sinne des UbG darstellt. Ziel des Unterbringungsgesetzes war ein verstärkter mit rechtsstaatlichen Grundsätzen im Einklang stehender Schutz der Persönlichkeitsrechte psychisch Kranker. Zu den Persönlichkeitsrechten gehört auch das Recht auf die körperliche Bewegungsfreiheit (Aicher in Rummel2 Rz 17 zu § 16). Eine Beschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit liegt vor, wenn es einer Person unmöglich gemacht wird, ihren Aufenthalt nach ihrem freien Willen zu verändern. Die ständige Abhängigkeit der freien Aufenthaltsveränderung vom Willen eines anderen ist nicht mehr eine bloß unwesentliche Beschränkung der Bewegungsfreiheit. Kann der Patient ein versperrtes Zimmer, eine vesperrte Station, nicht ständig bedingungslos allein schon auf Grund seines freien Willens verlassen, sondern erst nach Ersuchen und unter Mitwirkung eines Pflegers, liegt ein geschlossener Bereich im Sinne des UbG vor (vgl. Kopecky, UbG Rz 22). Der Hinweis auf die bisherige Unmöglichkeit, den § 38 a Abs.1 Krankenanstaltenanpassungsgesetz mangels der erforderlichen Geldmitteln zu vollziehen, ist nicht stichhältig. Der § 38 a Abs.1 leg.cit. bestimmt, daß geschlossene Bereiche von den übrigen Bereichen unterscheidbar sein müssen. Die Anordnung der Unterscheidbarkeit betrifft zunächst bloß äußerliche Umstände (vgl. Kopecky Rz 29). Entscheidend ist, daß das am 1. Jänner 1991 in Kraft getretene UbG die Zulässigkeit der Anhaltung in einem geschlossenen Bereich nicht davon abhängig machte, ob im Einzelfall die organisatorischen Voraussetzungen der §§ 38 f Krankenanstaltenanpassungsgesetz vorliegen.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

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