OGH 7Ob224/12k

OGH7Ob224/12k23.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Univ.-Prof. Dr. C***** N*****, vertreten durch Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 250.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. September 2012, GZ 11 R 177/12y-38, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Das Erstgericht erörterte mit den Parteien - unwidersprochen - die Anwendung österreichischen Rechts auf den vorliegenden Bürgschaftsvertrag. Die Parteien zogen die Anwendung österreichischen Rechts auf den Bürgschaftsvertrag nicht in Zweifel, sondern beriefen sich selbst wechselseitig ausdrücklich darauf (der Beklagte in der Berufung und der Revision, die Klägerin in der Berufungsbeantwortung).

In diesem Zusammenhang rügt der Beklagte im Wesentlichen, dass das Berufungsgericht sein in der Berufung erstattetes Vorbringen, dass die Bürgschaftsverpflichtung nach dem maßgeblichen ungarischen Insolvenzrecht durch die gerichtliche Genehmigung des in Ungarn geschlossenen Konkursvergleichs erloschen sei, als Neuerung beurteilte.

Der Beklagte erstattete zwar im erstgerichtlichen Verfahren Vorbringen dazu, dass über das Vermögen der Hauptschuldnerin ein Konkurs-(Ausgleichs-)Verfahren anhängig und die von der Klägerin geltend gemachte Darlehensforderung nicht anerkannt worden sei, sie die Frist zur klageweisen Geltendmachung verstreichen haben lassen und das Ausgleichsverfahren positiv beendet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ging das Berufungsgericht jedoch davon aus, dass der Beklagte den materiell-rechtlichen Einwand, die Darlehensforderung und auch der Sicherungsanspruch seien nach ungarischem Recht erloschen, im erstgerichtlichen Verfahren nicht erhob, weshalb die in diesem Umfang vom Beklagten vermisste Erforschung ungarischen Rechts nicht erforderlich war.

2. Ob der Beklagte nach den hier vorliegenden Beteiligungsverhältnissen (er hält 60 % der österreichischen P*****, die Alleingesellschafterin der Hauptschuldnerin (ungarische P*****) ist, als Unternehmer oder als Verbraucher anzusehen ist, kann letztlich dahingestellt bleiben, weil diese Frage nicht entscheidend ist.

Gemäß § 25c KSchG hat der Gläubiger den Bürgen davor zu warnen, wenn der Hauptschuldner die Verbindlichkeit erkennbar nicht oder nicht vollständig erfüllen kann. Der Kreditgeber ist allerdings dann nicht zur Aufklärung verpflichtet, wenn der Interzedent derart konkret und vollständig informiert ist, dass er nicht mehr gewarnt werden muss. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Gläubiger die wirtschaftliche Notlage kannte oder kennen musste, trifft den Interzedenten (2 Ob 169/11h). Hat der Interzedent über die heikle Lage des Schuldners ausreichend Kenntnis, besteht kein Informationsgefälle zu Lasten des Interzedenten. In diesem Fall ist eine Aufklärungspflicht des Kreditgebers gegenüber dem voll informierten Interzedenten zu verneinen. Dies gilt insbesondere, wenn der Interzedent selbst die Kreditverhandlungen für den Hauptschuldner führt und über dessen Finanzlage zur Gänze unterrichtet ist (RIS-Justiz RS0120555).

Davon ist hier auszugehen, immerhin ist der Beklagte Geschäftsführer der Hauptschuldnerin. Darüber hinaus steht auch fest, dass die Klägerin keine Kenntnis davon hatte, dass die Hauptschuldnerin vor der Zahlungsunfähigkeit stehen würde.

§ 25d KSchG ermöglicht die richterliche Mäßigung in Fällen, in denen die Sittenwidrigkeit der Interzessionsvereinbarung nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu verneinen ist, in der jedoch bei Vertragsabschluss für den Gläubiger erkennbar ein unbilliges Missverhältnis zwischen der Leistungsfähigkeit des Interzedenten und der eingegangenen Verbindlichkeit besteht (Apathy in Schwimann V3 § 25d KSchG Rz 2, 7 Ob 59/12w).

Ein späteres, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht vorhandenes Missverhältnis zwischen eingegangener Verpflichtung und Leistungsfähigkeit des Interzedenten löst mangels Erkennbarkeit für den Gläubiger im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Mäßigung im Sinn dieser Bestimmung nicht aus. Es widerspräche auch den Grundsätzen des § 1311 ABGB, wolle man dem Gläubiger das Risiko des wirtschaftlichen Untergangs seines Vertragspartners auf diesem Weg aufbürden und das erst im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Interzedenten gegebene Missverhältnis zur Begründung des Mäßigungsrechts heranziehen. Dem Richter ist daher nicht das Recht gegeben, in einen inhaltlich nicht zu beanstandenden Vertrag einzugreifen, wenn sich die Lage des Schuldners im Nachhinein verschlechtert. Allerdings sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Interzedenten zum Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme insoweit beachtlich, als sie den Umfang der Mäßigung maßgeblich beeinflussen (RIS-Justiz RS0113938).

Der Beklagte behauptete im erstgerichtlichen Verfahren zwar ein krasses Missverhältnis zwischen der Höhe der Verbindlichkeit und seinen finanziellen Möglichkeiten, er bezog sich hier aber auf seine derzeitige Lage und insbesondere auf Entwicklungen nach Abschluss der Bürgschaftsvereinbarung. Er erstattete aber weder Vorbringen zu seiner finanziellen Situation zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung, noch dazu, aus welchen Umständen die Klägerin ein unbilliges Missverhältnis zwischen seiner damaligen Leistungsfähigkeit und der Höhe der Verbindlichkeit erkennen hätte müssen. Eine erhebliche Rechtsfrage wird auch in der Revision dazu nicht aufgezeigt.

3. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz, Fragen der Beweiswürdigung können vom Obersten Gerichtshof daher nicht überprüft werden (RIS-Justiz RS0043414).

4. Selbst allfällige wirtschaftliche und gesellschaftliche Verknüpfungen insbesondere zwischen der Klägerin und X***** führen nicht dazu, dass der Klägerin das Verhalten der X***** zuzurechnen wäre und die allenfalls dieser gegenüber bestehenden Forderungen der P***** der Klagsforderung der Klägerin entgegenhalten werden können. Offenbar zielen die Ausführungen des Beklagten letztlich überhaupt darauf ab, dass mit X***** Verträge nur zum Schein abgeschlossen worden seien und seine Vertragspartnerin - wie auch Vertragspartnerin der P***** - ausschließlich die Klägerin sei. Dieses Vorbringen wurde im erstgerichtlichen Verfahren nicht erstattet.

5. Die gegenüber der X***** behauptete Forderung von 712.864 EUR kann gegen die Klagsforderung der Klägerin nicht aufgerechnet werden.

Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch von 1.600.000 EUR ist nicht schlüssig dargetan. Richtig verweist hier schon das Berufungsgericht darauf, dass unklar ist, durch welches konkrete sorgfaltswidrige Verhalten der Klägerin welcher Schaden entstanden sein soll, zumal keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Klägerin dem Beklagten gegenüber für das Verhalten anderer Gesellschaften haftet.

6. Im Übrigen ist auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen. Einer weiteren Begründung bedarf der Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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