European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00022.21T.0224.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin hat mit der Beklagten einen Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung – AUVB 2006 zugrundeliegen, die auszugsweise lauten:
„ Artikel 7 – Dauernde Invalidität
1. […] Ein Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität ist innerhalb von 15 Monaten vom Unfalltag an geltend zu machen und unter Vorlage eines ärztlichen Befundes zu begründen. […]“
[2] Die Klägerin erlitt am 6. 8. 2017 einen Unfall. Ihr Versicherungsmakler erstattete am 17. 10. 2017 eine Schadensmeldung an die Beklagte mit folgendem Wortlaut:
„[…] als beauftragter Versicherungsmakler unseres Kunden möchte ich gegenständlichen Schaden melden. […] Eventuelle Dauerfolgen sind nach den derzeitigen Unterlagen möglich. Beiliegend die kausalen Unterlagen, ...“
[3] Dieser Schadensmeldung war neben dem ärztlichen Entlassungsbrief der Ambulanzdekurs des Krankenhauses angeschlossen, in dem es heißt:
„[…] Beweglichkeit zeigt sich mit 40° Streckdefizit noch sehr unbefriedigend, dies wird der Pat. auch erklärt, jedoch hat man bei der klinischen Untersuchung das Gefühl, dass hier ein muskuläres Anspannen und ein Kapselmuster besteht. […] Intensive Physiotherapie nun weiter, mindestens 2 Serien. Auch wäre eine Reha sehr sinnvoll – bitte einen Reha-Antrag über den Hausarzt zu stellen. […]“
[4] Die Beklagte antwortete auf die Schadensmeldung am selben Tag mit (ua) folgendem Hinweis:
„Etwaige Leistungsansprüche aus dem Titel der bleibenden Invalidität sind bedingungsgemäß mittels Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes, aus dem Art und Umfang der Gesundheitsschädigung und die Möglichkeit einer auf Lebenszeit dauernden Invalidität hervorgehen, zu begründen sowie fristgerecht innerhalb von 15 Monaten zu stellen.
Wir weisen in diesem Zusammenhang daraufhin, dass alle Ansprüche erlöschen, wenn diese Leistungsansprüche nicht innerhalb von 15 Monaten – gerechnet ab dem Unfalltag – bei der [Beklagten] geltend gemacht werden.“
[5] Die Klägerin wurde daraufhin nicht mehr aktiv.
[6] Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinn der gänzlichen Klageabweisung ab und sprach über Abänderungsantrag der Klägerin nachträglich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Versicherungsmakler stammende, medizinische Unterlagen interpretierende Schadensmeldung doch als Anspruchsgeltendmachung nach Art 7.1. AUVB 2006 anzusehen sei oder die Beklagte die Klägerin nach der Schadensmeldung noch konkret darauf hinweisen hätte müssen, dass diese gegebenenfalls nicht als Anspruchsgeltendmachung ausreiche.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[8] 1. Die Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[9] 2. Art 7.1. zweiter Satz AUVB 2006 und wortgleiche oder vergleichbare Klauseln waren bereits Gegenstand zahlreicher oberstgerichtlicher Entscheidungen (7 Ob 137/19a; vgl weiters die Nachweise in RS0106013 und RS0082292).
[10] 3.1. Danach genügtdie bloße Mitteilung des Unfalls und der unmittelbaren Verletzungsfolge grundsätzlich für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs für Dauerfolgen noch nicht die Schadensmeldung kann für sich allein noch nicht als Geltendmachung der Leistung für dauernde Invalidität gewertet werden (7 Ob 225/14k; RS0082222 [T1]).
3.2. Allerdings setzt die Geltendmachung der Invalidität nach der Bedingungslage weder die Nennung eines Invaliditätsgrades noch eines bestimmten Anspruchs voraus; erforderlich ist die Behauptung, es sei Invalidität dem Grunde nach eingetreten. Bei der Geltendmachung der Invalidität handelt es sich um eine Willenserklärung, auf die die allgemeinen Grundsätze des ABGB (§§ 859 ff ABGB) anwendbar sind. Das heißt, sowohl die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt, als auch für die Bestimmung ihres Inhalts ist nicht der wahre Wille des Erklärenden, sondern aufgrund der Vertrauenstheorie der Empfängerhorizont maßgeblich. Die Erklärung gilt so, wie sie ein redlicher Empfänger verstehen durfte (7 Ob 225/14k und 7 Ob 139/17t jeweils mwN). Diese Beurteilung muss sich notwendigerweise an den Umständen des Einzelfalls orientieren und begründet daher im Regelfall keine nach § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifende Rechtsfrage (7 Ob 52/18z mwN; RS0042936 [insb T57]; RS0044358), sofern nicht das Berufungsgericht Auslegungsgrundsätze verletzt hätte, was im vorliegenden Fall nicht zutrifft.
[11] 3.3. Zum Nachweis der Invalidität liegen ebenfalls einschlägige Entscheidungen des Fachsenats vor, wonach daran keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Es genügt vielmehr ein ärztlicher Befundbericht, der dem Versicherer die ärztlich begründete Wahrscheinlichkeit einer dauernden Invalidität vermittelt (RS0106013).
[12] 3.4. Im vorliegenden Fall wird in der Schadensmeldung selbst lediglich darauf hingewiesen, dass „eventuelle Dauerfolgen [...] nach den derzeitigen Unterlagen möglich [sind]“ und aus dem angeschlossenen Ambulanzdekurs sind Dauerfolgen überhaupt nicht konkret nachvollziehbar. Die Verneinung einer dem Art 7.1. AUVB 2006 entsprechenden Geltendmachung einer Leistung aus dauernder Invalidität durch das Berufungsgericht hält sich daher im Rahmen der dazu vorliegenden Rechtsprechung und ist demnach nicht korrekturbedürftig.
[13] 4. Eine gegen Treu und Glauben verstoßende Berufung auf den Ablauf einer Ausschlussfrist liegt nicht schon dann vor, wenn die Frist unverschuldet versäumt wurde. Erforderlich ist vielmehr ein solches Verhalten des Anspruchsgegners (Versicherers), durch das der Anspruchsberechtigte veranlasst wurde, seine Forderung nicht fristgerecht geltend zu machen (RS0016824). So judizierte der Fachsenat bereits zu vergleichbaren Klauseln, dass ohne den Hinweis des Versicherers, dieser erblicke in der erstatteten Schadensmeldung weder die Geltendmachung eines Anspruchs auf Leistung für dauernde Invalidität noch einen ärztlichen Befundbericht und dass die Geltendmachung des Anspruchs und die Vorlage eines Befundberichts innerhalb von 15 Monaten vom Unfalltag an zu erfolgen habe, die Berufung des Versicherers auf den Fristablauf gegen Treu und Glauben verstoße (RS0082222). Einen solchen Hinweis hat hier die Beklagte mit Schreiben vom 17. 10. 2017 der Klägerin erteilt, konnte doch dessen Inhalt vernünftigerweise in keinem anderen Sinn verstanden werden. Wenn das Berufungsgericht demnach keinen Verstoß der Beklagten gegen Treu und Glauben erkannte, dann hält sich auch diese Rechtsansicht im Rahmen vorliegender Rechtsprechung (vgl etwa 7 Ob 139/17t).
5.1. Die Klägerin zeigt insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Revision ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.
[14] 5.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.
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